"Ein hartnäckiger Wirbelwind"
Die Schweinfurter Buchhändlerin Franziska Bickel, die lange Jahre im Sortimenterausschuss war, erinnert sich an die am 9. Februar verstorbene Vorsitzende der IG Leseförderung, Irmgard Clausen.
Die Schweinfurter Buchhändlerin Franziska Bickel, die lange Jahre im Sortimenterausschuss war, erinnert sich an die am 9. Februar verstorbene Vorsitzende der IG Leseförderung, Irmgard Clausen.
Irmgard Clausen war eine Buchhändlerin, die wahrlich für das Buch gebrannt hat. Wer ihr jemals begegnet ist, erinnert sich an sie, da bin ich sicher. Zumal Stefan Hauck, der durch die IG Leseförderung sehr viel mit ihr zu tun hatte, schon einen großartigen Nachruf auf Börsenblatt online geschrieben hat. Nun ist sie am 9. Februar viel zu früh, mit 67 Jahren gestorben.
Ich habe Irmgard „Wirbelwind“ Clausen bei einer jener wunderbaren Goldmann-Buchhändlerreisen nach New York kennengelernt (wo sie bei den Kollegen gleich subtil für eine Mitgliedschaft und das Engagement im AkS Arbeitskreis unabhängige Sortimente geworben hatte). Das war im Jahr 1988 – ein Jahr, nachdem wir beide unsere Buchhandlungen in Franken übernommen hatten; kurz danach habe ich sie erstmals in ihrer Buchhandlung in Coburg besucht. Dort hat sie einen Satz gesagt, der mich sehr beeindruckt hat: „Politik mache ich für meinen Laden, aber nicht im Laden - mit den Politikern gehe ich vor die Türe.“ Sie war schon damals sehr in der Lokalpolitik und für das Stadtmarketing engagiert.
Ein paar Jahre später konnte ich sie überzeugen, doch mit in den IHK-Prüfungsausschuss zu kommen: Seitdem gab es dort vor der Prüfung immer Beruhigungspralinen, um den Blutzuckerspiegel der jungen Prüflinge zu stabilisieren.
Und wenig später konnte ich sie auch dazu motivieren, erneut für den Sortimenterausschuss zu kandidieren. Das war die Zeit, in der auch wir Buchhändler begannen, intensivere Arbeitsgruppen im Verband zu bilden; die Verleger waren uns da ein bisschen voraus. Und dass Irmgard Clausen die Leseförderung in den Verband brachte, wunderte niemanden, der einmal ihre leuchtenden Augen gesehen hatte, wenn wieder mal ein Lese-Koffer-Event in ihrer Buchhandlung stattfand. Die Hartnäckigkeit, mit der sie bei den Jugendbuch-Verlagen Oetinger und Ravensburger Sonderkonditionen für ihr Engagement (und später das von unglaublich vielen Kolleginnen) erkämpft hat, war bewundernswert.
Natürlich war ihr auch die Aus- und Weiterbildung der eigenen MitarbeiterInnen wichtig. So haben wir beide auch einen Mitarbeitertausch für einen Monat mit wechselseitigen Aha-Erlebnissen praktiziert. Und wie viele Jahre sind wir gemeinsam im Zug zu den Ausschusssitzungen, Messen oder Hauptversammlungen gereist und waren nie auch nur eine Minute still.
Still war Irmgard Clausen auch in keiner Sitzung. Sie hat immer für die Sache, nie gegen Personen argumentiert. Sie war gelegentlich furchtbar anstrengend – und gerade deshalb ein Vorbild für viele schlafmützige Zeitgenossinnen. Man könnte sagen, sie war ein kleiner Quälgeist, aber im positiven Sinne und immer voller wunderbarer Marketing-Ideen für sich und andere. „Herr, gib ihr die ewige Ruhe“ wäre wohl die höchste postmortale Strafe, die man sich für Irmgard Clausen ausdenken könnte… . Aber wenn sich hier noch jemand seinen kindlichen Glauben bewahrt hat, so stimmt derjenige mir sicher zu: Im Himmel wird bald viel mehr gelesen werden. Danke, Irmi!
Franziska Bickel war 33 Jahre Inhaberin der Vogel-Buchhandlung in Schweinfurt, die sie im Sommer 2019 verkauft hat. Ehrenamtlich war sie mehr als 20 Jahre Prüferin für die IHK und 15 Jahre u.a. im Vorstand und verschiedenen Arbeitskreisen des Börsenvereins.