Gastspiel von Martina Bergmann

Großzügiges Angebot

9. September 2020
von Börsenblatt

Das Förderprogramm »Neustart Kultur« ist eine richtig gute Sache, findet Martina Bergmann. Besonders gefällt der Buchhändlerin und Autorin, dass die Planung und Durchführung allein beim Unternehmen liegt.

Die Digitalisierung des Buchhandels begleitet mich, seit ich wieder in Borgholzhausen bin, also zehn Jahre und ein kleines bisschen länger. Ein durchgehendes Element: Häme. Ich habe, um ein Beispiel zu nennen, stets gern verfolgt, welche Autoren und Autorinnen sich am Sortiment ab­arbeiten. Ich fand es lustig. Denn der Verkaufsgarant vor Ort ist der Fortsetzungsroman im »Haller Kreisblatt«. Und ich. Natürlich empfehle ich keinen, der mir blöd gekommen ist – bei Facebook auch nicht.

Zu anderen Zeiten war es modisch, den Buchhandel grundsätzlich »neu zu denken«. Gruppen begegneten einander in Barcamps. Schlecht für uns Inhaber: Wir arbeiten nämlich bis Samstagmittag. Es blieb dann aber wohl meist beim Ungefähren, denn grundlegende Veränderungen sind mir nicht erinnerlich. Und ich packte weiter Geschenke ein. Ich habe um die 20 000 Päckchen kuratiert, um dieses Plastikwort auch einmal zu verwenden.

Was ich selbst digital vornahm, folgte banal oft dem, was zur Verfügung stand. Mein Blackberry konnte kein Instagram. Dazu brauchte ich ein anderes Smartphone, das einen neuen Vertrag – und so weiter. Internet für kleine Buchhandlungen ereignet sich in einem Dreieck aus Geräten, Zufall und Zeit­vorrat. Kollegen berichten es ähnlich. Dass gerade Social ­Media vornehmlich intuitiv funktionieren, hat uns während des Lockdowns natürlich geholfen. Ich nenne, stellvertretend für viele schöne Geschichten, die WhatsApp-Storys mit Schau­fenstern voller Novitäten ganz woanders überall in Deutschland.

 

Unerwartet großzügig und gut gemacht Im Rahmen des Förder-programms »Neustart Kultur« steht nun viel Geld zur Verfügung für Selbstverständlichkeiten. Die Regierungsnothilfe für Kultur und Medien erreicht mich eigenartig. Der erste Impuls: Ja, wieso? Jetzt auf einmal? Da ich aber selbst beim angestrengtesten Durchlesen des Kleingedruckten nichts komisch finden konnte, nehme ich das Rettungspaket als ein Angebot. Es ist unerwartet, großzügig und gut gemacht. Und es ist auch das Ergebnis solider Lobbyarbeit des Börsenvereins. Dafür kann man sich beim Verband bedanken; ganz gleich, wie man sonst zu den Strukturen steht.

Und dann: Warum nicht die Gelegenheit nutzen? Sich überlegen: Was will ich? Was brauche ich dazu? Dieses eine Mal wissend, dass so ungefähr alles geht, kein Kompromiss wegen Geldmangels erforderlich ist. Ich glaube, das gefällt mir am »Neustart Kultur« fast am meisten. Ich plane und realisiere allein. Es geht ohne Plastikwörter, ohne Lösungen, Pakete, Projekte und die vielen anderen Hülsen. Es geht nur um das, was wir selber wollen, weil wir aus der Erfahrung ableiten, wie es richtig gut wäre. Oder – auch dies sei erlaubt –, weil wir meinen, das könnte jetzt Spaß machen.

 

Selbst entscheiden Wir können Gegenstände kaufen, möglichst bei Anbietern vor Ort. Wir können aber auch Dienstleistungen bestellen, Programmier- oder Gestaltungs­arbeiten beispielsweise. So etwas kostet, um eine Zahl zu nennen, etwa 100 Euro pro Stunde. Wem man dieses Geld anvertraut, entscheidet man auch wieder eigenmächtig. Die Hotline im Börsenverein in Frankfurt hilft einem gut weiter, ich habe es ausprobiert. Aber tatsächlich bin ich der Meinung: Wer bis hierher ausgehalten hat, emotional wie ökonomisch, der schafft auch das allein.

Es geht ohne Plastikwörter, ohne Lösungen, Pakete, Projekte und die anderen Hülsen.

Martina Bergmann, Buchhandlung Bücherland Westfalen, Borgholzhausen

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