Angesichts einer jahrhundertelangen Buchstadt-Tradition in Leipzig sind 25 Jahre, zugegeben, „ein Wimpernschlag“. Aber Köpf weiß auch reichlich Höhepunkte zu erinnern. Manchmal passieren sie in Serie, wie bei der Dame mit dem riesigen Gartenblumenstrauß, die an jenem ersten Oktober 1998 ihrer Freude darüber Ausdruck verleihen wollte, „dass es wieder eine Buchhandlung in Markleeberg“ gebe. Vor ein paar Tagen kam der 25. Strauß. Oder die Harry-Potter-Nächte, sieben an der Zahl: Um 00:01 Uhr ging in der Rathausstraße das Licht an, und dann kamen sie wie die Heinzelmännchen aus den Gassen gehuscht, die meist mit Spitzhut und Brille verkleideten Angehörigen der jungen Zielgruppe; manche von ihnen standen montags im Laden, mit roten Augen, aber tief in sich ruhend, und rapportierten: „Ich habe alles ausgelesen, die Eltern haben es erlaubt.“ Nicht zu vergessen die Kinderärztin in der Nachbarschaft, die nicht wenige kleine Patienten mit einem kleinen Zettel zu Köpf schickte: „Wegen Wolfsangst ein Buch Rothütchen.“ Buch auf Rezept, großartig. Und natürlich sind da all die Lesungen; Wagenbach war da, in roten Socken, Heinrich von Berenberg oder Tellkamp, zu einer „Wohnzimmerlesung“ mit, wie Köpf findet, zu Unrecht überall verrissenen „Schlaf in den Uhren“.
Es war eine schöne Feier, fast wie bei den Buddenbrooks oder den Manns, jedenfalls wie in einer Zeit, als es noch keine Leserschwundstudien gab und die digitale Transformation als etwas für Science-Fiction-Fans galt. Die erwachsenen Enkel spielten Klarinette und Piano für die „Bücher-Oma“, und es gab selbstgebackene Plätzchen im Buch-Cover-Look: Handke und Max Frisch, lecker. Unter den Gratulanten Branchen-Leute wie Jürgen Fiedler, Hanser-Vertreter in SaSaThü. Oder der Maler Neo Rauch, der seit 23 Jahren in Markleeberg lebt und als Köpf-Stammkunde gilt, wiewohl ihn die täglich absolvierte Fahrradtour ins Leipziger Atelier leider nicht durch die Rathausstraße führt. In Aschersleben, der Stadt, in der Rauch aufwuchs, gibt es heute nur noch eine von einst vier Buchhandlungen; dort, wo er seine Schallplatten kaufte, residiert ein Hörgeräte-Shop. Bücher, so der Maler, sind Wegzehrung für schwierige Zeiten: „Wer nicht über diesen Bestand verfügt, lebt in einer Baracke, in der eine einsame Neonröhre flackert, und nichts weiter ist darin enthalten als diese Ödnis. Wer liest, lebt in einem Palast.“