Wie steht die Buchbranche zum Lockdown Light?

"Wir können auch diesmal zu Gewinnern werden"

2. November 2020
von Börsenblatt

Seit Montag sind die verschärften Corona-Maßnahmen in Kraft. Wie stehen Buchhändler zum Lockdown Light? Buchhändler über Gewinner-Chancen, Zen-Kräfte und Sorge um ausbleibende Kundschaft und Kunst und Kultur.

Seit dem heutigen Montag sind die neuen, bundesweiten Corona-Maßnahmen, der Lockdown Light, in Kraft getreten. Veranstaltungen, die der Freizeit und Unterhaltung dienen, sind wieder verboten. Theater, Museen und Konzerthäuser schließen erneut. Buchhandlungen und Literaturhäuser müssen ihre Lesungen verschieben. Restaurants, Cafés und Bars dürfen nur noch „to go“ ausschenken.

Die Börsenblatt-Redaktion hat nachgefragt, wie die Buchbranche zum Lockdown Light steht.

„Unfair und existenzgefährend gegenüber allen, die in den letzten Monaten Unsummen in Filteranlagen, Infektionsschutzmaßnahmen und Mitarbeiter*innen-Schulungen investiert haben“, findet die Buchhändlerin Lisa Isenmann. „Ich lehne ihn ab, da er viel zu verallgemeinernd Sündenböcke benennt, ohne wissenschaftliche Grundlage. Wenn Gottesdienste erlaubt bleiben, aber Fitnessstudios schließen müssen, ist klar, dass hier keine faktenbasierte Entscheidungsfindung zugrunde liegt. Ich stehe hinter allen bisher getroffenen Maßnahmen, setze die Maskenpflicht und alles Weitere bedingungslos in unserer Buchhandlung um, aber das geht eindeutig zu weit. Ich hoffe, dass die betroffenen Branchen juristisch dagegen vorgehen werden. Dazu zähle ich natürlich auch ganz klar alle Künstlerinnen und Künstler, Veranstalterinnen und Veranstalter, Musikerinnen und Musiker, Schauspielerinnen und Schauspieler, Autorinnen und Autoren, die in ihrer Notsituation bislang viel zu wenig wahrgenommen und unterstützt worden sind.“

Dabei weist die Buchhandlerin von der Buchhandlung Henne Fortenbacher in Aalen auch auf die Aktion #OhneKunstWirdsStill hin. Unter diesem Hashtag treten Betroffene der Kunst- und Kulturbranche wie Veranstalter und Künstler seit dem Wochenende auf die Notlage der Branche hin, die seit Mitte März weitestgehend brachliegt.

Die Buchhändlerin Sonja Lehmann aus Borken findet den erneuten Lockdown in der milden Version richtig und steht dahinter, weist aber auch darauf hin, dass die Leute nun nicht mehr zum Schlendern in die Stadt kommen. „Nicht falsch verstehen. Wir Einzelhändler sind froh, dass wir geöffnet haben. Nur die Umsatzeinbußen, die wir haben, mildert uns keiner. Wir bieten Lieferservice, Buchberatung via Skype, aber es wird nicht so sein wie im Frühjahr. Da sagte man: ‚Die haben zu, die müssen unterstützt werden‘“.

Auch Jan Orthey von Lünebuch befürchtet leere Straßen und fernbleibende Kunden. „Dass wir trotzdem öffnen dürfen, stellt uns vor ernsthafte Probleme. Volle Kosten bei geringen Einnahmen und aktuell keine Unterstützung von Seiten der Regierung“, führt er aus.

"Wenn da mal kein Lockdown heavy draus wird"

Ein wenig gelassener sieht die Buchhändlerin Marion Cloppenburg die erneuten, verschärften Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie: „‘Wenn da mal kein Lockdown heavy draus wird‘ könnte man denken. Aber inzwischen sind wir alle Zen-gestählt und leben den Moment. Ich habe den Eindruck, unsere Kunden waren heute irgendwie … dankbar?

Patrick Musial aus Recklinghausen findet hingegen, die neuen Verschärfungen waren abzusehen und vor allem vermeidbar: „Es lässt sich doch beobachten, dass man an den Tischen in Restaurants vernünftig sitzt, beim Aufstehen Maske trägt - und vor der Tür gibt's dann doch das Busserl zum Abschied oder wenn man andere trifft die Umarmung zur Begrüßung - und nachher geht's als Fahrgemeinschaft oder mit dem ÖPNV nach Hause. Ähnliches bei Lesungen: hier in der Stadt musste ja unbedingt im Oktober noch ein Literaturfestival stattfinden, zwar auf Abstand aber ohne Maske am Platz. Und dann verabschiedet sich die Risikogruppe vor dem Saal mit einer Umarmung voneinander, bevor man sich in PKW Fahrgemeinschaften heimwärts bewegt. Hätte man sich meines Erachtens alles sparen sollen. Es wurde zu lange gezaudert. Es wäre heute noch mehr möglich, wenn man in den vergangenen zwei Monaten konsequenter und vernünftiger gewesen wäre.“ Allerdings sieht er auch neue Chancen für den Buchhandel:

„Vielleicht sollten wir die Chance nutzen, uns nicht vom Leid und den verständlichen Sorgen anderer Branchen herunterziehen zu lassen und den Menschen, die zu uns in unsere Oasen kommen, dankbar für jeden Besuch mit Freude Bücher empfehlen, mit denen Sie gut durch die kommenden vier Wochen ohne sonstige abendliche Zerstreuung kommen. Empfehlen würde ich auch, sich unter allen, die im Laden tätig sind, Gedanken zu machen, wie wir nach Außen (also gegenüber denen, die zu uns kommen) wirken wollen. Wo geht man in diesen Tagen wirklich gern hin? Wo geklagt und geschimpft wird - oder wo eine freundliche, positive, optimistische Atmosphäre herrscht? Wir können auch diesmal zu Gewinnern werden.“

Noch mehr Stimmen aus der Buchbranche zum Lockdown Light finden Sie im neuen Börsenblatt, das am 5. November erscheint.

 

 

 

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