Der Buchblog-Flaneur: Zehn Leseempfehlungen aus dem November 2025

"Bücher, die man noch nicht auf dem Radar hatte"

1. Dezember 2025
Redaktion Börsenblatt

Blogger Uwe Kalkowski, besser bekannt als "Der Kaffeehaussitzer", flaniert monatlich durch die Buchblogs und stellt bei uns besprochene Titel vor. Hier kommt seine literarische Netzauslese für November

Uwe Kalkowski

Uwe Kalkowski

Das Jahr geht in die Zielgerade, schon ist der November so gut wie vorbei. Auch in den letzten vier Wochen war ich wieder viel unterwegs in der Welt der Literaturblogs. Natürlich war ich das, denn schließlich hole ich mir dort - neben den Besuchen in den Buchhandlungen meines Vertrauens - immer wieder neue Lektüreempfehlungen und Buchtipps. Das Schöne an den "klassischen" Buchblogs: dort stößt man häufiger auf Bücher, die man noch nicht auf dem Radar hatte, als etwa in der Bookstagram-Community, wo an manchen Tagen gefühlt überall die gleiche Handvoll Bücher empfohlen wird. Auch hier gibt es natürlich Ausnahmen und sehr empfehlenswerte Kanäle, aber dazu gleich mehr. 

Buchblogs bleiben wichtig

Im Blog The Art of Reading schreibt Dörte Opitz über das Buchbloggen. Und darüber, warum auch in Zeiten von Instagram und TikTok die Buchblogs wichtig bleiben für die Literaturwelt. "Echte Worte statt Algorithmen - die stille Stärke der Buchblogs" heißt der in fünf wesentliche Punkte gegliederte Text und ich unterschreibe jedes Wort darin. 

Für Blogger Tobias Zeising wirkt Bookstagram wie eine Dauerwerbesendung mit einer sehr eingeschränkten Auswahl. Zumindest auf den ersten Blick. Doch mit etwas Zeit und Ausdauer findet man dort - wie eingangs erwähnt - echte Perlen, tolle Texte und feine Buchtipps. Er empfiehlt einige Lieblingskanäle und hat gleichzeitig eine seiner Übersichtslisten erstellt: Seit November ist in seinem Blog Lesestunden die Topliste deutschsprachiger Bookstagramer online - ein Verzeichnis mit zur Zeit 1.720 Bookstagram-Kanälen.

"Dein Wille wohnt in den Wäldern" von Mattias Timander, erschienen im Allee Verlag. Das meinte ich zu Beginn mit den Buchempfehlungen, die ich in den Literaturblogs finde: Denn ich kannte weder den Buchtitel noch den Autor noch den Verlag - bis ich auf die Rezension im Blog Zeichen & Zeiten gestoßen bin. Und da die Bücher, die dort von Constanze Matthes empfohlen werden, so gut wie immer meinen Lesegeschmack treffen, freue ich mich schon auf die Lektüre.  

Im Blog Buchpost gab es im November ein schönes Projekt: In drei ausführlichen Beiträgen wird dort John Steinbecks moderner Klassiker "Die Reise mit Charley: Auf der Suche nach Amerika" vorgestellt. Ich mag es sehr, wenn man durch Blogbeiträge so tief in einen Text eintauchen kann. Große Leseempfehlung. 

Faible für Phantastik

Die Buchbranche ist klein und irgendwann trifft man viele Menschen wieder. Daran musste ich denken, als ich im Blog intellectures das spannende Interview mit Hannes Riffel gelesen habe. Vermutlich werde ich nie einen Menschen kennenlernen, der ein größeres Faible für Phantastik und Phantastische Literatur in all ihren Ausprägungen hat – weil es so jemanden fast nicht geben kann. Hannes Riffel gründete 2010 den Golkonda Verlag, war Programmleiter von Fischer TOR, ist seit vielen Jahren als Übersetzer tätig und ging 2023 mit dem Carcosa Verlag an den Start, in dem phantastische Weltliteratur erscheint, unter anderem Bücher von Ursula K. Le Guin und Alan Moore. Außerdem war er einst als Buchhändler unterwegs: 1998 gründete er die Buchhandlung UFO in Berlin-Kreuzberg. Damals wohnte ich zur Zwischenmiete in seiner WG und war mit dabei, als in der Nacht vor der Eröffnung der Buchhandlung noch sämtliche Regale eingeräumt werden mussten. Es war ein unvergesslicher Abend, der bis zum Morgengrauen dauerte. Die Buchhandlung existiert unter dem Namen Otherland noch heute. 

1956 reiste die Dichterin Mascha Kaléko nach beinahe zwanzig Jahren im amerikanischen Exil zum ersten Mal wieder nach Deutschland. In das Land, das sie erst gefeiert und dann als jüdische Künstlerin vertrieben hat. Diese Reise ist der Dreh- und Angelpunkt des Buches "Wenn ich eine Wolke wäre" von Volker Weidermann. Eine begeisterte Besprechung gibt es im Blog Feiner reiner Buchstoff

Der Nike-Literaturpreis ist Polens wichtigste literarische Auszeichnung. Für das Buch "Lachen kann, wer Zähne hat" erhielt ihn die Autorin Zyta Rudzka vor zwei Jahren. Nun liegt das Buch in der Übersetzung von Lisa Palmes auf Deutsch vor und im Blog Literaturpalast, der sich auf osteuropäische Literatur spezialisiert hat, gibt es dazu eine feine Besprechung. 

Klappentexterin und Herr Klappentexter

Der letzte der epischen russischen Gesellschaftsromane dürfte "Der stille Don" von Michail Scholochow gewesen sein. In seinem Blog widmet Sören Heim dem monumentalen Werk eine Beitragsreihe, in der es um Inhalt, Stil und natürlich um die Diskussion über die Urheberschaft geht. 

Der Elif Verlag und Lyrik aus Island - das ist immer eine gute Kombination. Im Blog Teakettlecat wird der Band "Die Sprache der Möwen" mit Gedichten von Gyrðir Elíasson vorgestellt. Übersetzt wurden sie von Jón Thor Gíslason und Wolfgang Schiffer.

Es muss in Literaturblogs nicht immer direkt um Bücher gehen. Im Blog Klappentexterin und Herr Klappentexter habe ich einen wunderschönen, melancholischen Text über den November, den Totensonntag, die Vergänglichkeit und das Leben gefunden. Und ein paar passende Buch-, Film- und Musiktipps gibt es auch. 

Zum Abschluss

Und in meinem eigenen Blog Kaffeehaussitzer beschäftige ich mich mit einer Stadt, die vor fast zweitausend Jahren untergegangen ist. Und deren Ruinen uns einen Blick hinter die Kulisse der offiziellen Geschichtsschreibung werfen lassen.

Das sind sie, die zehn November-Fundstücke des Buchblog-Flaneurs. Ich wünsche uns allen eine wunderbare Vorweihnachtszeit und einen schönen Jahresausklang. Bis bald. 

Über den Kaffeehaussitzer

Uwe Kalkowski ist seit über dreißig Jahren in der Buchbranche tätig und kennt sie aus verschiedenen Perspektiven: Als Buchhändler, als Absolvent des Studiengangs Verlagswirtschaft in Leipzig und als Mitarbeiter verschiedener Verlage. Seit 2019 arbeitet er für den Eichborn Verlag in Köln. Auf seinem privaten Literaturblog Kaffeehaussitzer schreibt er über Bücher und Leseerlebnisse. Als Buchblog-Flaneur stellt er monatlich zehn Fundstücke aus der Welt der Literaturblogs vor.