Die ersten Stationen lesen sich nicht besonders spektakulär: Geboren in Westpreußen (Deutsch-Krone), aufgewachsen im beschaulichen Eckernförde, dort ab 1959 in einem kleinen Sortiment, der Buchhandlung Winterberg, sorgfältig zur Buchhändlerin ausgebildet. Dann der Sprung nach Berlin. 1966, im zeitlichen Vorfeld des großen Aufbegehrens. Die ersten anderthalb Jahre war sie in der Buchhandlung Camilla Speth am Kurfürstendamm tätig, danach nicht weit entfernt davon in der Buchhandlung edition et im Europa-Center. 1972 heuerte sie in der Kunstbuchhandlung Galerie 2000 in der Knesebeckstraße an. Und schließlich, 1980, machte sie sich am Savignyplatz mit dem Bücherbogen selbständig, in den ersten Jahren gemeinsam mit Sabine Appel, die ihre Kenntnisse über Film- und Theaterliteratur beisteuerte. (Den Leserinnen und Lesern, die sich in Berlin-Charlottenburg auskennen, wird aufgefallen sein, dass sich all ihre beruflichen Tätigkeiten in Berlin in den vergangenen 55 Jahren in einem sehr überschaubaren Gebiet befunden haben – und ja immer noch befinden –, das eine Ausdehnung von einem Kilometer nicht überschreitet.)
In der Galerie 2000 ist wohl der Plan zu einer eigenen Buchhandlung gereift. Einer Kunstbuchhandlung, vor allem aber einer Spezialbuchhandlung für Architektur, wie es sie in dieser Ausformung noch nicht gegeben hatte. Einer Fachbuchhandlung mit Ausstellungen von Daniel Libeskind, Gesine Asmus, Alfred Behrens, Volker Noth und vielen anderen. Einer internationalen Buchhandlung mit fremdsprachigen Büchern und Zeitschriften zur Architektur, bei der sogar aus dem Ausland bestellt wurde, auch Kunstkataloge aus aller Welt. Aber auch eine Buchhandlung als Begegnungs- und Diskussionsort, ein Netzwerkknotenpunkt, an dem sich vor allem samstags die Architektur-Avantgarde Berlins traf, um sich untereinander und mit auswärtigen Gästen auszutauschen und zu vernetzen.
Ruthild Spangenberg selbst wurde im Lauf der Jahre zu einer gefragten Ansprechpartnerin für Verlage, Architekten und andere Kunstschaffende, zu einer Rat gebenden und vermittelnden Institution, zu einer geschätzten Gesprächspartnerin und bewunderten Buchhändlerin. Zu ihren Stammkunden zählten und zählen Karl Lagerfeld, Daniel Libeskind, Annie Leibovitz, Jim Rakete, Isabella Rossellini, Yoko Ono, Heinz Berggruen, Uli Richter – um hier nur ein paar wenige zu nennen. Wenn man Ruthild Spangenberg von Gästen umringt in ihrem Laden sah, konnte man nicht umhin, ihren Auftritt und die stolze, aufrechte Haltung geradezu königlich zu nennen.
Ihre Kundinnen und Kunden kamen oder kommen gern in den Bücherbogen, der bei seiner Gründung selbst eine architektonische Glanzleistung war – entworfen von ihrem damaligen Ehemann, dem Architekten Gerhard Spangenberg.