Gastspiel von Constanze Kleis

Fast wie bei "Alien"

15. Januar 2021
von Börsenblatt

Und täglich grüßt der eigene Schreibtisch: Was bedeutet der enge Corona-Radius für Autor*innen? Constanze Kleis über Zumutungen und, ja, auch über Horizonterweiterung.

Es war dieser typische Katastrophenfilm-Moment: Eben glaubt man schon, leidlich davongekommen zu sein, dann erwischt es einen doch. So wie in »Alien« aus dem Jahr 1979, als Ellen Ripley, nach furchtbaren Schlachten als letzte Überlebende vor dem Ungeheuer in die Raumkapsel flüchten kann und man als Zuschauer ganz kurz durchatmet. Bis sie entdeckt, dass das Ungeheuer längst drinnen ist.

Na gut, es ging bei mir nicht gleich um mein Leben oder gar das der ganzen Menschheit, sondern bloß um sechs Lesungen quer durch die Republik, bei denen Susanne Fröhlich und ich unser neues Buch »Fröhlich mit Abstand« (Knaur) vorstellen wollten. Geplant wurden sie im Herbst 2020, als man noch glaubte, dass das mit Corona locker bis zum nächsten Jahr erledigt sein würde. Nun ist aber diesbezüglich gar nichts erledigt, und am Ende gab es so auch für uns eines von jenen Corona-Päckchen zu tragen, von denen seit Monaten alle reden. Aber ich will kein Drama daraus machen. Das tun erstens andere schon zur Genüge. Zweitens ist der Lockdown, man muss das mal so sagen, ohnehin alternativlos. 

Ja, ohne Kultur ist alles nichts. Aber soll man deshalb Theater, Kinos, Konzerthallen und mit ihnen neue Hotspots öffnen? Schließlich sind wir – auch wenn viele diesen Fakt immer noch als verhandelbar empfinden – längst schon nicht mehr bei »Wünsch dir was«, sondern bei »So isses nun mal«. Klar, man könnte auch sagen, ich habe gut reden. Schließlich arbeite ich ohnehin schon fast immer im Homeoffice. Ich habe daheim keine Kinder zu beschulen und zu bespielen. So rede ich mir selbst immer wieder mal gut zu, wenn dieses ewige Zu-Hause-Hocken dann doch mal an den Nerven zehrt. Das ganze »Draußen« fehlt schon sehr; all die Themen, die von dort kamen und die ja nicht nur das Schreiben beflügeln, sondern auch die Gespräche und die wiederum das Schreiben. Aber dafür gab es andere Erfahrungen zu machen. Mit sich, mit anderen, mit neuen Formaten. 

Zig Podcasts haben in der Corona-Zeit das Licht der Welt erblickt, wie etwa auch »Ausgesprochen: Fröhlich mit Schäfer« mit Susanne Fröhlich und Bärbel Schäfer. Überhaupt war es eine ziemlich gute Zeit für die Horizonterweiterung. Mit Onlinesprachkursen, mit Webinaren oder einfach mit der Erkenntnis, die schon die griechischen Philosophen hatten: wie man beim Gehen mit anderen nicht nur räumlich weiterkommt, sondern auch gedanklich. Ich bin in den vergangenen Monaten so viel& spazieren gegangen, dass sich der Algorithmus meines Bewegungsprofils davon nie mehr erholen wird. 

Das ganze ›Draußen‹ fehlt schon sehr. Aber dafür gab es andere Erfahrungen zu machen.

Constanze Kleis

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