Gesetzentwurf der EU Kommission

HDE meckert übers Lieferkettengesetz

24. Februar 2022
von Börsenblatt

Den von der EU Kommission jetzt vorgelegten Entwurf zum Europäischen Lieferkettengesetz kritisiert der Handelsverband Deutschland (HDE) als für Unternehmen nicht umsetzbar. Anderen geht der Entwurf dagegen nicht weit genug.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) bewertet den am 23. Februar von der Europäischen Kommission vorgestellten Richtlinienentwurf zur nachhaltigen Unternehmensführung in einer Mitteilung kritisch. Nach seiner Einschätzung seien die weitreichenden Anforderungen zur Sorgfaltsprüfpflicht in der gesamten Wertschöpfungskette in der Praxis insbesondere für mittelständische Handelsunternehmen nicht umsetzbar. Auch mit Blick auf die vorgesehene zivilrechtliche Haftung warnt der Verband vor unrealistischen Forderungen an Händlerinnen und Händler.

"Das Ziel des europäischen Lieferkettengesetzes sollte eine positive Wirkung auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Arbeitskräften entlang der gesamten Lieferkette sein. Hiervon ist der aktuelle Kommissionsentwurf weit entfernt", so Antje Gerstein, HDE-Geschäftsführerin Europa und Nachhaltigkeit. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren sei aus Sicht des HDE eine stärkere Berücksichtigung der Komplexität von Lieferketten in den Anforderungskriterien notwendig. So dürften etwa keine unrealistischen Forderungen an die Nachverfolgung von Lieferungen auf mehreren Stufen entlang der Wertschöpfungskette gestellt werden.

Weitere Reaktionen

Der Deutschen Umwelthilfe geht der Entwurf dagegen nicht weit genug: "Die EU-Kommission hat heute eine historische Chance vertan", wird Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner in einer Mitteilung der Organisation zitiert. Der Vorschlag markiere zwar einen wichtigen Schritt hin zu mehr Unternehmensverantwortung, bleibe aber enttäuschend mit Blick auf den Schutz des Klimas. "Es wird keine, an klare Konsequenzen geknüpften Klimasorgfaltspflichten geben." Das Gesetz soll außerdem nur für deutlich weniger als ein Prozent aller Unternehmen und nur für etablierte Lieferbeziehungen gelten. Damit ändere sich für die meisten Leittragenden wenig. "Die Bundesregierung muss jetzt im EU-Rat Nachbesserungen durchsetzen."

Das Bündnis "Initiative Lieferkettengesetz", in dem unter anderem Gewerkschaften und Umweltverbände vertreten sind, begrüßt zwar den Entwurf in einer Pressemitteilung als Grundstein für weniger Ausbeutung und Umweltzerstörung in den Lieferketten europäischer Unternehmen, aber: "Für den großen Wurf müsste die EU aber die heißen Eisen konsequenter anfassen: Sorgfaltspflichten nicht nur für ein Prozent der Unternehmen. Klare klimabezogene Pflichten in der Lieferkette", so Sprecher Johannes Heeg.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) befürchtet eine Überlastung deutscher Unternehmen – und sieht Fragezeichen bei der Umsetzbarkeit. DIHK-Präsident Peter Adrian ist wie der HDE der Ansicht, dass risikoreiche Märkte unattraktiver würden, wie aus einer Mitteilung des Verbands hervorgeht.

Was soll ins Europäische Lieferkettengesetz?

Das deutsche Lieferkettengesetz wurde im Juni 2021 beschlossen und soll zum 1. Januar 2023 in Kraft treten. Der jetzt vorliegende Entwurf der EU Kommission (Pressemitteilung; Gesetzentwurf) zu einem Europäischen Lieferkettengesetz sieht strengere Regelungen vor. Ziel ist ein gerechterer Welthandel. Kinderarbeit, Umweltverschmutzung und Dumpingpreise sollen eingedämmt werden. Unternehmen werden in die Verantwortung für Arbeitsbedingungen bei Zulieferern sowie für Produktionsbedingungen an ausländischen Standorten genommen.

Über den Gesetzentwurf der EU Kommission müssen noch der Rat und das Parlament der Europäischen Union abzustimmen.

  • Betroffen sind laut Kommissionsentwurf Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden und einem weltweiten Jahresumsatz jenseits von 150 Millionen Euro.
  • Für Unternehmen aus der Textilindustrie sollen engere Kriterien gelten, ebenso für den Agrarsektor und den Bergbau. Hier soll das Gesetz bereits ab 250 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von 40 Millionen Euro angewendet werden. Bei Unternehmen aus Drittstaaten soll nur der Umsatz zählen.

Damit zieht Entwurf der Kommission der Grenzen enger als das deutsche Lieferkettengesetz: Dieses verpflichtet mit Wirkung zum 1. Januar 2023 Unternehmen ab 3.000 Mitarbeitenden zu einer stärkeren Einhaltung von Menschen- und Umweltrechten. Ab 2024 gelte das Gesetz ab einer Zahl von 1.000 Beschäftigten. Verstöße können neben Bußgeldern auch den Ausschluss von Ausschreibungen öffentlicher Einrichtungen nach sich ziehen.