Wie kleine Kinder Bücher lesen

Literarische Frühförderung kompakt

14. November 2025
Redaktion Börsenblatt

Im Börsenblatt-Podcast "Kinderbuchpraxis" erklären Dr. Stefan und Mr. Ralf diesmal, dass bereits in den ersten Lebensmonaten Sprach- und Leseförderung beginnt und wo Eltern ihre Kinder unterstützen können.

Mr. Ralf und Dr. Stefan im Ärztekittel

Dr. Stefan (rechts) und Mr. Ralf behandeln in der Kinderbuchpraxis erfolgreich alle Themen rund ums Kinder- und Jugendbuch

Warum jetzt: Kleinkinder im sprachlichen Alltag stärken

In der Podcastfolge führen die beiden Kinderbuchärzte in ein Thema ein, das bislang unterschätzt wird: literarische Frühförderung. Dabei sind die Befunde alarmierend: Sprachentwicklungsstörungen nehmen zu, eine wenig beachtete Ursache dafür sei fehlende Kommunikation im Familienalltag, "selbst bei Mahlzeiten", wie Dr. Stefan aus einer Studie zitiert. "Lese- und Sprachförderung setzt zu Hause an, ab dem ersten Lebensmonat. Alles, was zu Hause nicht gemacht wird, ist ein Investitionsstau in die Zukunft", sagt Dr. Stefan.

Mr. Ralf und Dr. Stefan sind Mitglieder des Senter Kreises, der sich in einem gerade erschienenen Buch – es ist sein viertes - just diesem Thema widmet: “Wie kleine Kinder Bücher lesen”, ein kompakter Ratgeber "für Eltern und auch Erzieher und Pädagogen", 80 Seiten im Doppelseiten-Prinzip, in einer leicht verständlichen Sprache statt im pädagogischen Fachjargon. Das Buch ordnet Entwicklungsstufen und Buchtypen einander zu (Papp-, Fühl-, Bade-, Buggy-, Stoff-, Beiß-, Kontrastbücher) und hält konkrete Vorlese- und Erzähl-Tipps parat.

Was wann sinnvoll ist: Entwicklungslogik statt Geschenkoptik

Ein zentrales Missverständnis adressieren die Hosts in ihrer Diagnose klar: "Die wenigsten wissen, dass ein Baby in den ersten Lebensmonaten Farbe noch gar nicht wahrnehmen kann. Starke Kontraste und Schwarz-Weiße hingegen sehr wohl" –  so erklärt sich der Nutzwert von Kontrastbüchern in den ersten Monaten gegenüber Stoffbüchern oder bunten Pappen – das komme später.

Mr. Ralf beschreibt typische Erwartungen beim Kauf der ersten Bücher ("schön bunt, mit Teddy") und rückt die Wahrnehmungsfähigkeit der Jüngsten in den Mittelpunkt – das zu Wissen sei hilfreich für Eltern, müsse aber auch bei der Verlagsarbeit an Bildkonzepten und Materialität stärker zur Geltung kommen.

Silent Books als Gesprächsanlass

Besonders Wimmel- und Silent Books fördern gemeinsame Erzählmomente; Kinder "erfassen" Bildzusammenhänge fast immer schneller als Erwachsene, "da sind sie absolut geübt, und es macht Spaß, wenn sie bei Wimmelbilderbüchern ihre Geschichten finden und erzählen, und hier gibt es auch nicht unbedingt ein richtig und ein falsch, sondern man kann wunderbar in die Diskussion über die unterschiedlichen Lesarten von Bildern kommen”, meint Dr. Hauck. Bücher seinen stets ein Anlass, unweigerlich kommt man beim Betrachten miteinander ins Gespräch. Das ist interaktiv", sagt Mr. Ralf.

Bei “Wie kleine Kinder Bücher lesen” liefern zu jedem Kapitel "Was du tun kannst"-Impulse sofort umsetzbare Ideen für Bezugspersonen (nicht nur für Eltern), niederschwellig und

Mehrsprachigkeit: Zuordnung statt Verzicht

Mr. Ralf ordnet Deutsch als "Bildungssprache" in der Schule ein und betont zugleich den Wert der Zweisprachigkeit. Der früher oft zu hörende Ratschlag, "erstmal eine Sprache ‘richtig’ zu lernen" gelte als überholt: "Das ist nie der Fall." Dr. Stefan ergänzt, wie Mehrsprachigkeit über klare Zuordnung funktioniert: "Ein Kind ordnet Sprachen dem jeweiligen Sprecher automatisch zu", besonders, wenn Bezugspersonen verlässlich eine bestimmte Sprache sprechen. In der Erstsprache erzählen und vorlesen, darauf komme es an. So werden Bücher zur Brücke, nicht zur Barriere, denn auch das Erzählen sei wichtig und dann gebe es ja noch mehrsprachige Bücher oder Bücher in der Muttersprache.

Digitales ergänzen: Hörangebote bewusst nutzen

Im Ratgeber geht es nicht nur um Bücher, auch ums Erzählen, Sprechen. Auch Audioformate wie Toniebox und Hörbücher "spielen […] später eine Rolle", entscheidend sei immer die Frage: "Wie setze ich das sinnvoll ein?" Dialogische Situationen seien das A und O, ein Audio könne ergänzen, aber nicht das gemeinsame Sprechen und Anschauen ersetzen. Mehr Hintergründe, O-Töne und Praxisbeispiele gibt es in der Podcast-Folge der Kinderbuchpraxis.