Anti-Kanon von Denis Scheck sorgt für Ärger

SWR erklärt sich - und rudert zurück

18. Juli 2021
von Börsenblatt

Ein gottähnlich dargestellter Literaturkritiker bringt Bücher zum Brennen: „Schecks Anti-Kanon“, eine Clip-Reihe für SWR 2 mit bisher sieben Titeln, darunter Hitlers "Mein Kampf" und "Kassandra" von Christa Wolf, hat für Ärger gesorgt. Der Sender hat das Video über „Mein Kampf“ mittlerweile offline genommen – und verspricht, die Animation in den kommenden Beiträgen zu ändern.

Das „in die Tonne hauen“ von Bestsellern in seiner Sendung „Druckfrisch“ hat vielen nicht gefallen, seine „Reitgespräche“ haben für Spott gesorgt, mit "Schecks Anti-Kanon - Die schlechtesten Bücher der Weltliteratur“ scheint Denis Scheck den Bogen für viele überspannt zu haben: Der Kritiker in gottähnlichem Weiss gewandet lässt missliebige Bücher mit einem Fingerzeig in Rauch aufgehen. 

Schecks Anti-Kanon startete mit Hitlers „Mein Kampf“ (das Video wurde offline gestellt), sechs weitere Bücher folgten, darunter „Der Alchemist“ von Paulo Coelho“, Sebastian Fitzeks „Passagier 23“, „Der Tod des Märchenprinzen“ von Svende Merian und Christa Wolfs „Kassandra“. Wolfs Prosa sei "wie sieben Tage Regen an der Ostsee, mit Toter Oma, Soljanka und Würzfleisch, eine Buch gewordene Sättigungsbeilage. Typische Mimimi-Literatur“, urteilt Scheck bevor „Kassandra“ im Laserblitz verschwindet, der aus seinem Finger schießt. „Warum soll man schlechte, missratene, ja vollkommene miserable Bücher lesen? Weil es im Paradies langweilig ist und die Analyse schlechter Bücher großen Spaß macht“, erklärt der SWR sein Format. 

"In dieser Gleichsetzung infam"

Vielen hat das wenig Spaß gemacht: die Feuilletonchefin der FAZ, Julia Encke, die ihrem Ärger vor einigen Tagen auf Facebook Luft gemacht hat, erhielt 137 Kommentare – die wenigsten konnten das Format verstehen. Thomas Fitzel kann noch darüber hinwegsehen, dass man sich bei Blitz, Flamme und Rauch aus Schecks Hand an Bücherverbrennung erinnert fühlen könnte, aber „sich von Hitler über Coelho und Fitzek auf Christa Wolfs Roman „Kassandra“ zu stürzen, das ist in dieser Gleichsetzung schon infam“, so Fitzel in dem Beitrag Denis Schecks "Anti-Kanon" - Die Entwürdigung der Literaturkritik. „Der Fernsehkritiker Denis Scheck ist für Clown-Auftritte berüchtigt – jetzt lässt er von ihm verachtete Bücher in Rauch und Flammen aufgehen. Das ist nicht lustig“, schreibt Wolfgang Höbel im „Spiegel“ (Denis Scheck: Ist es okay, ein Buch von Christa Wolf anzuzünden? - DER SPIEGEL

SWR erklärt sich – und rudert zurück

Der SWR hat auf die Kritik reagiert. In einem ersten Schritt wurde das Video über Hitlers „Mein Kampf“ offline gestellt – und erklärt: „Jede Kritik steht für sich und begründet, was am jeweiligen Buch als misslungen bezeichnen wird - frei nach Tolstoi: Schlechte Bücher sind schlecht auf ihre je eigene Weise.“  Es gebe darum in keinem Beitrag einen Verweis auf einen anderen, jeder Vergleich sei ausgeschlossen. Hier geht es zur Erklärung des SWR. 

Die Animation am Ende der Kritik, in der Denis Scheck 'Blitze' aus seiner Hand schießen und darin das besprochene Buch verschwinden lasse, sollte sich an Science-Fiction-Vorbilder anlehnen, so die Erklärung des Senders weiter. „Nichts würde ferner liegen als eine Anspielung auf politische Bücherverbrennungen oder Zensur“, so der SWR, der sich dafür entschuldigt, dass eine andere Intention geweckt werden konnte. Um Missverständnisse zu vermeiden, soll in den kommenden Beiträgen die Animation verändert werden.