Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte beim algerischen Präsidenten Abdelmadjid Tebboune um eine humanitäre Geste gebeten. "Angesichts des hohen Alters von Sansal und seines fragilen Gesundheitszustandes hat der Bundespräsident die Ausreise von Sansal nach Deutschland und seine anschließende medizinische Versorgung in unserem Land angeboten", so das Bundespräsidialamt am 10. November. Zwei Tage später begnadigte Tebboune den im März 2025 zu fünf Jahren Haft verurteilten Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels, weil er angeblich "Handlungen gegen die nationale Einheit und Sicherheit" vorgenommen haben soll. Sansal hatte in einem Interview gesagt, die marokkanischen Staatsgrenzen seien während der französischen Kolonialzeit zugunsten Algeriens verschoben worden.
Nach fast einem Jahr Haft wurden Sansal und seine Ehefrau am Abend von einem außenpolitischen Berater des Bundespräsidenten in Algier abgeholt und nach Berlin gebracht, wo er medizinisch behandelt wird.
"Welche Strapazen jemand aushalten muss, der zu Unrecht inhaftiert und verurteilt wird, ist kaum vorstellbar", so Sebastian Guggolz, Vorsteher des Börsenvereins. "Deswegen haben wir seit seiner Verhaftung immer wieder auf sein Schicksal aufmerksam gemacht und seine Freilassung gefordert. Wir sind den Tausenden von Unterstützer:innen, insbesondere Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und dem französischen Präsidenten Macron für seine Vermittlung, sehr dankbar."
Für die Freilassung Sansals haben sich in Deutschland insbesondere der Börsenverein, der Merlin Verlag, Perlentaucher, die Träger*innen des Friedenspreises, die Leipziger Initiative, Claus Leggewie sowie die beiden deutschen PEN-Clubs eingesetzt. Tausende von Bürger:innen unterzeichneten Solidaritätsappelle.
Während der Untersuchungshaft war bei Sansal eine Krebserkrankung festgestellt worden, die eine medizinische Behandlung notwendig machte. Zugleich wurden ihm grundlegende Menschenrechte verweigert, unter anderem der freie Zugang zu juristischer Betreuung. Nach Mitteilung des Bundespräsidialamts wird sich Deutschland um den Transport und die medizinische Versorgung Sansals kümmern. "Wir haben von Anfang an bei verschiedenen Stellen für Sansals Freilassung interveniert und waren damit nicht die einzigen", so Najem Wali, Vizepräsident und Writers-in-Prison-Beauftragter des PEN Deutschland. "Wir freuen uns heute doppelt: zum einen, weil Sansal wohl bald frei sein wird, zum anderen aber auch, weil unsere hartnäckige Arbeit sich lohnen kann. Wir bedanken uns ausdrücklich bei Bundespräsident Steinmeier für seine Initiative."
Die Begnadigung und die Ankündigung seiner Verlegung zur medizinischen Behandlung nach Deutschland erfülle den italienischen Verlegerverband mit großer Freude, sagte dessen Präsident Innocenzo Cipolletta: "Ein unschuldiger Mann wird freigelassen, der nach unserem Kenntnisstand heute sehr krank ist. Kein Schriftsteller, Verleger oder Denker sollte das erleiden müssen, was Sansal erlitten hat, in keinem Staat der Welt: eine Verhaftung, einen Prozess und eine Inhaftierung wegen seiner Ideen, die er geäußert hat, und wegen seiner Bücher, die er veröffentlicht hat."