Martina Bergmann über "Die Assistentin"

Caroline Wahl zwischen Erfolg und Kritik

10. September 2025
Martina Bergmann

Die einen jubeln, die anderen reagieren hämisch. Martina Bergmann beobachtet, wie der Literaturbetrieb auf Caroline Wahl und ihren neuen Roman "Die Assistentin" reagiert – und fragt sich, warum eigentlich so giftig.

Martina Bergmann über Caroline Wahl und ihren neuen Roman "De Assistentin"

Martina Bergmann über Caroline Wahl und ihren neuen Roman "Die Assistentin"

"22 Bahnen" wurde 2023 zum Lieblingsbuch der Unabhängigen gewählt. Ich kann mich nicht erinnern, welche Bücher ich damals ausgesucht hatte. Aber ich weiß, dass ich nicht in Erwägung gezogen hatte, Caroline Wahl vorzuschlagen. Das Buch verkaufte sich von alleine, und das Auftreten der Autorin fand ich eigenartig. Die Mehrheit jedoch lag ihr zu Füßen. Ein Sternchen am Bücherhimmel, das auf ungewöhnliche Weise vor sich hin funkelte.

"Mit Häme überkübelt"

Zwei Jahre später wird dieselbe junge Frau, fürwahr eine Erscheinung in Bild und Ton, auch aus dem Buchhandel mit Häme überkübelt. Warum nur? Sie hat den Verlag gewechselt, von DuMont zu Rowohlt. Beides nette Verlage mit guten Auslieferungen. Das Buch sieht ordentlich aus, ist nicht zu dick und nicht zu dünn und weder auffällig teuer noch besonders günstig. Lesungstermine könnte man haben, wenn auch mit Wartezeit. So weit, so normal.

Dennoch sehr starke Gefühle. Ein schlechtes Buch sei das, höre ich von manchen Kolleg:innen. Andere empören sich über die mindere Qualität des Hörbuches – eingelesen von der Autorin selbst. Man sei genervt! An ein ähnliches Theater kann ich mich nur von den "Feuchtgebieten" erinnern. Körperflüssigkeiten waren vor 20 Jahren literarisch ein Tabu. Schade, dass sich das geändert hat, denke ich oft. Nicht jeder Menstruationsroman gelingt.

Caroline Wahl hat Recht: Der Buchbetrieb benutzt viel Kapital, das albernen Menschen ohne Eigenleistung zugekommen ist.

Martina Bergmann

Ein Betriebsroman voller Anspielungen

Ich habe die "Assistentin" gelesen. Es ist ein Betriebsroman voller Anspielungen auf Besitzverhältnisse, über Eitelkeit und Machtmissbrauch. Ich hätte manches anders geschrieben, aber das sind Anmerkungen auf der Stilebene. Denn Caroline Wahl hat Recht: Der Buchbetrieb benutzt viel Kapital, das albernen Menschen ohne Eigenleistung zugekommen ist. Ihre Fans in Rietberg wissen davon nichts. Sie bewundern Caroline Wahl, weil sie stark ist.

Und wir anderen? Man muss beileibe nicht jede Novität mögen, sie nicht einmal bevorraten. Aber das Fiese gefällt mir nicht, das in den Beiträgen auf Facebook und Instagram oft mitschwingt. Charlotte Roche als Autorin der "Feuchtgebiete" wurde nicht so traktiert wie heute Caroline Wahl. Kleingeistiger Neid ist die trivialste und zugleich ehrlichste aller Ausdrucksformen. Ich gönne ihr den Erfolg und wünsche mir die Kolleg:innen generöser.