Umfrage zum Abschied von Oliver Zille

"Ich habe mich richtig erschrocken"

30. Juni 2023
von Börsenblatt

So reagieren Verlage und Buchhandlungen auf den Abschied von Oliver Zille als Direktor der Leipziger Buchmesse. Börsenblatt online hat sich umgehört. Update, 4. Juli: Ein Hörtipp mit der Merlin-Verlegerin Katharina Eleonore Meyer.

Update, 4. Juli – Hörtipp: Über den Abschied Oliver Zilles hat Katharina Eleonore Meyer, Merlin Verlag und Vorsitzende des Vorstands der Kurt Wolff Stiftung, am 3. Juli in der Sendung "Büchermarkt" des Deutschlandfunks gesprochen. Das Audio ist nachzuhören: hier

Ihr Statement für Börsenblatt online finden Sie weiter unten.

Rainer Nitsche

Rainer Nitsche, TRANSIT Buchverlag, Berlin:

Oliver Zille habe ich kennengelernt, als Anfang der 90er Jahre die Leipziger Buchmesse in der Branche durchaus Gegenwind hatte (Frankfurt reicht uns doch…) und die Leipziger Messe ein eigenes Profil entwickeln wollte (und musste). In den ersten Gesprächen schon wurde klar, dass Oliver Zille großen Wert auf die starke Beteiligung kleinerer Verlage legte und darauf, dass die Leipziger Messe eine Lesemesse wurde, mit Lesungen während der Messe im (damals noch) Messehaus am Markt und in der ganzen Stadt.

Oliver Zille war nicht der Event-Zampano, nicht der Trommler mit minütlich neuen Ideen, sondern er setzte das einmal für richtig befundene Konzept mit einer unglaublichen Zähigkeit durch, fand Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sehr aktiv an dem Umbau und dann Neubau der Messe mitmachten. Diese Eigenschaft hat er über 30 Jahre beibehalten, und seine immer etwas diskrete, aber komfortable Freundlichkeit, die ergänzt wurde von der Freundlichkeit des Leipziger Publikums, hat die Besonderheit und Stabilität der Messe bei all ihren Wandlungen garantiert. Er konnte aber auch ein richtiger sächsischer Dickschädel sein, wenn ihm und seinem Konzept etwas in die Quere kam – und mit der ihm eigenen Zähigkeit hat er solche Kontroversen immer in seinem Sinne lösen können – ohne nachtragend zu sein. 

Ich hab keine Ahnung, warum Oliver Zille aufhört, habe mich bei der Nachricht richtig erschrocken (Leipzig ohne Zille, wie soll das gehen?), und wünsche ihm alles Beste – er hat es sich verdient.

Britta Egetemeier

Britta Egetemeier, Verlegerin und Geschäftsführerin der Penguin Random House Verlagsgruppe:

Oliver Zille ist ein Büchermensch durch und durch. Sein Wirken und Gestalten für die Leipziger Buchmesse hat Jahr für Jahr ein herausragend interessantes und internationales Lese-Ereignis und Lese-Fest, Raum für Begegnung und Diskurs geprägt und geschaffen: Lesen und Leipzig und Europa und die Welt! An dieser Stelle einfach: DANKE an Oliver Zille und sein Team – sie waren gerade in den letzten Jahren gefordert wie nie und hatten die große Idee der Leipziger Messe immer vor Augen. Bücher brauchen Leipzig.

Katharina Eleonore Meyer, Merlin Verlag 

Katharina Eleonore Meyer, Merlin Verlag, Gifkendorf-Vastorf:

Die Nachricht, dass Oliver Zille seine Funktion als Direktor der Leipziger Buchmesse zum Jahresende abgibt, hat mich persönlich, aber auch als Vorstandsvorsitzende der Kurt-Wolff-Stiftung sehr bestürzt. 

Oliver Zille hat mit Sachverstand und persönlichen Engagement die Leipziger Buchmesse über viele, viele Jahre geprägt und gestaltet. Seinem Verständnis für unsere Wünsche und Bedürfnisse als Aussteller einerseits und für die Neugier und die Interessen des Publikums andererseits ist zu verdanken, dass sich die Leipziger Buchmesse als größte Publikumsmesse in Deutschland etabliert hat, dass sie den Sturm der Pandemie mit einem fulminanten Neustart in 2023 gut überstanden hat und nach wie vor die ganze Vielfalt der deutschen Verlagslandschaft abbildet. 

Die Kurt Wolff Stiftung verliert in Oliver Zille einen klugen und besonnenen Gesprächspartner, der frühzeitig das Potential und die Bedeutung der vielen kleinen unabhängigen Verlage für das Profil der Leipziger Buchmesse erkannt hat – so verdanken wir seiner Initiative die Einrichtung des Forums DIE UNABHÄNGIGEN, das sich als Treffpunkt und Veranstaltungsort für unabhängige Verlage seit Langem etabliert hat – obwohl er dabei sicher hinter den Kulissen manchen Spagat machen musste.

Dieser Weggang in einer schwierigen konjunkturellen Zeit, in der Kontinuität und Verlässlichkeit das A und O für einen positiven Blick in die Zukunft sind, ist extrem bedauerlich. Wir wünschen der Leipziger Messe nun eine glückliche Hand bei der Wahl der Nachfolge: Oliver Zille, den ich nicht zuletzt wegen seiner menschlichen und bescheidenen Art sehr geschätzt habe, hinterlässt große Fußstapfen.

Jörg Sundermeier, Verbrecher Verlag, Berlin:

Oliver Zille hat über Dekaden die Leipziger Messe geprägt und er hat immer ein offenes Ohr für die Belange der Verlage gehabt. Für unabhängige Verlage genauso wie für Konzernverlage. Er hat die Leseinsel "Die Unabhängigen" mit der Kurt Wolff Stiftung aufgebaut, auf sehr gemeinschaftliche Weise, davor schon die "Leseinsel der Jungen Verlage“, von beidem haben wir sehr profitiert. Auch hat er, ein Demokrat wie es sie viel öfter geben sollte, dafür gesorgt, das die Leipziger Messe für Feinde der Demokratie kein bequemer Agitationsort sein kann, das ist ihm sehr hoch anzurechnen. Ich war mit ihm vor einigen Jahren auf einer Reise durch Slowenien, organisiert von der dortigen Buchagentur, und dort erlebte ich einen aufmerksamen Mitreisenden, der unsere Gastgeber:innen nicht ein Mal spüren ließ, dass er ein durchaus mächtiger Mensch in der deutschen Buchbranche ist, im Gegenteil, er wollte stets wissen, was die slowenische Literatur und Kultur ausmacht, wollte sehen, hören, verstehen. Denn das ist Oliver Zille, ein Zuhörer, der erst dann zum Macher wird, wenn er versteht, was er macht. Dafür wird er überall geschätzt. 

Peter Hinke

Peter Hinke, Connewitzer Verlagsbuchhandlung, Leipzig:

Es fällt momentan schwer in einer Vergangenheitsform über Oliver Zille zu schreiben. Er hat unglaublich viel für diese Messe, für die Buchbranche an sich und somit auch für die Stadt Leipzig geleistet. Er hat die Buchmesse in den 90er Jahren komplett neu aufgebaut und mit dem Lesefest "Leipzig liest!" zu einer großartigen Publikumsmesse gemacht.

Er kämpfte immer, wenn wieder mal alles wankte und ich kann mir vorstellen, dass der eine oder andere Verlag sich auch wegen seiner Person für einen Messestand in Leipzig entschied. Oliver Zille war und ist authentisch und ehrlich, innerhalb der eigenen Reihen konnte er aber auch schon mal unbequem werden, wenn es sein musste. Solche Leute sind selten. Das alles ist ihm nicht zugefallen, er hat sich das hart erarbeitet.

Wir, die kleineren Buchhandlungs- und Verlagsunternehmen, wussten immer seinen Einsatz für unsere Belange zu schätzen, dafür bedanken wir uns hiermit! Und Oliver Zille ist jemand, der sich auch für Inhalte interessiert und die Buchmesse durchaus im besten Sinne politisch gestaltete. So wurde er 2013 auch für seine Verdienste um die Literaturvermittlung von der französischen Regierung zum "Ritter der Künste" ernannt.

Vielleicht war es ja seinerseits eine kluge persönliche Enscheidung. Wer weiß, was für eine Geschichte dahintersteht, welchen Weg die Leipziger Messegesellschaft zukünftig einschlagen möchte. Wir können nur spekulieren. Vielleicht waren es auch mittlerweile zu viele Kompromisse, denen man in führender Position zustimmen musste – und vielleicht macht man dann irgendwann doch den Weg frei für Neues. Fest steht, die Branche und die Stadt Leipzig verlieren hier eine wichtige und erfahrene Persönlichkeit der Buchbranche. Wir hoffen jedenfalls, dass für Oliver Zille zum Ende des Jahres ein neues, ein schönes, ein zweites Leben beginnt!

(mit Erlaubnis zitiert aus dem Newsletter der Buchhandlung)

Kai-Steffen Schwarz

Kai-Steffen Schwarz, Programmleiter CARLSEN MANGA!:

Die deutsche Manga-Landschaft wäre ohne Oliver Zille und die Leipziger Buchmesse nicht die gleiche, bundesweit ist sie inzwischen mit Abstand die größte und wichtigste Veranstaltung für das Medium. Wir sind extrem dankbar für sein Engagement, nicht nur weil die Messe bereits vor zwanzig Jahren die vielen Manga-Fans, Nachwuchs-Künstler*innen und Cosplayer*innen mit offenen Herzen empfangen hat, sondern sich gerade auch in den letzten Jahren – mit der Etablierung und Weiterentwicklung der Manga Comic Con – um das Medium verdient gemacht hat. Die Leipziger Buchmesse hat sich, in enger Zusammenarbeit mit den Verlagen, immer auch im Sinne des jungen Publikums eingesetzt, allen Unbillen zum Trotz. Besonders dafür ein großes Dankeschön an Herrn Zille, wir wünschen ihm alles Gute für die Zukunft.

Nina Hugendubel

Nina Hugendubel, geschäftsführende Gesellschafterin Hugendubel:

Jeder, der die Entwicklung der Leipziger Buchmesse in den vergangenen drei Jahrzehnten begleiten durfte, weiß um die Denkanstöße und Meilensteine, die Oliver Zille gesetzt und vorangetrieben hat. Mit großem Engagement hat er – und wir gemeinsam – ein Ziel verfolgt: Menschen mit Büchern und dem Lesen in Kontakt zu bringen! Mit seinem Weggang werde ich eben jenen Begleiter unseres gemeinsamen Auftrags vermissen.

(am 3. Juli 2023 ergänzt)