Interview mit Tennisspielerin Andrea Petković

"Meinen Instagram-Leseclub hege ich wie ein Pflänzchen"

13. Juli 2020
von Isabella Caldart

Mit Literaturnerds durch die Corona-Krise: Tennisspielerin Andrea Petković spricht mit Isabella Caldart für Börsenblatt online über ihren digitalen Leseclub - und ihre Liebe zu Ernest Hemingway.

Sie haben am 13. März, also zu Beginn der Corona-Beschränkungen, Ihren Instagram-Lesekreis Racquet Book Club ins Leben gerufen. Warum?

Ich habe schon länger mit dem Gedanken gespielt, einem Buchclub beizutreten, was aber leider unmöglich war, weil ich so viel reise und zu den entscheidenden Diskussionen nie da gewesen wäre. Ich dachte, dass das auch irgendwie digital gehen muss. Als dann die Pandemie ausbrach und alle zu Hause blieben, war das schließlich der letzte Anstoß, selbst einen Club zu gründen.

Wieso haben Sie sich für Instagram als Plattform entschieden?

Ich wollte es so modern, einfach und einbindend wie möglich machen. Das heißt, den altmodischen Buchclub entstauben, mit nur einem Klick dabei zu sein und dass einfach jeder mitmachen kann, der gerne liest oder gerne lesen möchte. Außerdem ist es easy, Bücher zu überspringen, die einen nicht so ansprechen.

Ehrlich gesagt: Ich bin geplättet, wie viele beim Leseclub tatsächlich mitmachen.

Tennisspielerin Andrea Petković

Sie stellen alle sechs Wochen vier verschiedene Bücher vor, über die Ihre Follower*innen dann abstimmen können. Wie kommt die Auswahl dieser Vorschläge zustande? Kennen Sie die Bücher bereits vorher?

Ich versuche, ein bisschen den Zeitgeist zu erkennen. Bei dem aktuellen Buch, das wir lesen – "Americanah" von Chimamanda Ngozie Adichie – ist das voll aufgegangen. Die Gemeinschaft des Racquet Book Club hatte einen sehr guten Riecher, als sie dieses Buch auswählte. Ich unterhalte mich aber auch privat mit einigen der Follower und versuche rauszuhören, worauf sie Lust hätten. Es passiert also viel aus dem Fluss heraus.

Wie ist bisher die Resonanz?

Ich bin ehrlich gesagt geplättet, wie viele tatsächlich mitmachen. Ich dachte, das werden am Ende ich und meine vier Freunde sein, die sich per Instagram über Bücher unterhalten, aber wir sind inzwischen fast 5.000 Leute beim Racquet Book Club. Nicht jeder ist bei jedem Post aktiv, aber das muss ja auch nicht sein. Alleine die Konversation passiv zu verfolgen, kann Lust auf Bücher wecken. Und darum geht es ja letztendlich am allermeisten.

Funktionieren Diskussionen auf Instagram?

Es ist eine neue Art des Diskutierens. Aber die Kommentarfunktion unter den Posts eignet sich durchaus. Ich nehme außerdem zu jedem jeweiligen Buch einen Podcast mit jemandem auf, der eine Art Experte auf dem Gebiet ist. Zum Beispiel habe ich mit der Chefredakteurin eines New Yorker Tennismagazins über David Foster Wallace gesprochen, den sie persönlich gekannt hatte. Zum Abschluss mache ich ein Livevideo, bei dem ich einzelne Follower dazu nehme, sodass auch ein verbaler Austausch da ist. Wir versuchen alles mit Hilfe der modernen Mittel, um es möglich zu machen! (lacht)

Ich will auf jeden Fall irgendwann mal eine komplette Hemingway-Runde machen. Mein absoluter Lieblingsschriftsteller.

Tennisspielerin Andrea Petković

Abgesehen von der Diskussion posten Sie bestimmte Stellen aus den Büchern, kurze Videos, Biografien von Autor*innen … welche begleitenden Inhalte sind Ihnen wichtig?

Bücher lesen ist etwas Aktives, man bringt seine eigene Persönlichkeit, seine eigene Perspektive mit zum Autor, den man liest. Das heißt auch, dass uns andere Aspekte manchmal nicht bewusstwerden. So bemühe ich mich vor allem herauszuhören, wie andere lesen, wie sie die Welt verstehen und wie sie fühlen. Das stärkt unser aller Empathie und ist mir sehr wichtig. Um das herauszukitzeln, versuche ich, so interessant wie es geht, kurz und knackig Diskussionen anzuregen und einen Mehrwert an Informationen zu bieten.

Planen Sie, den Racquet Book Club langfristig weiterzuführen?

Es macht mir sehr viel Spaß, aber ich merke auch, dass es alles nicht mehr so einfach ist, seitdem das "normale Leben" langsam wieder ins Rollen kommt. Dennoch: Wir haben uns eine kleine Gemeinschaft in den Untiefen des Internets aufgebaut und die plane ich weiterhin zu hegen und zu pflegen wie ein kleines Pflänzchen.

Was bedeutet Literatur für Sie?

Als ich anfing zu Tennisturnieren zu reisen, war ich oft allein. Damals gab es keine Handys oder Computer und die zwei Sender, die ich in Hotels empfing – wenn es einen Fernseher gab – waren in mir fremden Landessprachen. Bücher waren meine Unterhalter und Ablenker und die literarischen Figuren darin lange Zeit Ersatz für meine Freunde daheim. Wenn man einen Beruf hat, bei dem man viel allein und viel unterwegs ist, lindert Literatur die Einsamkeit. Ich kann mir ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen.

Für die erste Leserunde haben Sie den Follower*innen Bücher aus vier verschiedenen Genres vorgestellt, die zweite war eine "All Female Round". Können Sie schon verraten, wie es weitergehen wird?

Hm, ich habe noch nicht näher darüber nachgedacht, aber ich wollte auf jeden Fall irgendwann mal eine komplette Hemingway-Runde machen. Mein absoluter Lieblingsschriftsteller.

Andrea Petković

  • Die deutsche Tennisspielerin hat in ihrer Karriere sechs WTA-Turniere im Einzel gewonnen und war zweimal Deutsche Meisterin.
  • Seit Dezember 2019 steht Andrea Petković auch als Moderatorin der ZDF-Sportreportage vor der Kamera. Ihre Tenniskarriere will die 32-Jährige aber fortsetzen - so wie ihren Leseclub auf Instagram.
  • Im Herbst erscheinen bei KiWi ihre Erzählungen "Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht". 
  • Motto des Racquet Book Clubs mit knapp 4.900 Abonnenten: "We read books and we talk about them because we are nerds."