Debüt des Monats - Juli 2022

Kindheitserinnerungen von Matthias Matschke

25. Juli 2022
von Sabine van Endert

Die Welt ist ungerecht. Während manche nicht ein einziges Talent haben, können andere nicht nur bestens Schauspielern, sondern auch noch gute Romane schreiben. Matthias Matschke zum Beispiel, dessen Debüt "Falschgeld" im September bei Hoffmann und Campe erscheint.  

Matthias Matschke

Matthias Matschke

"Man muss an die Erinnerung glauben. Sie ist formbar wie die Zukunft. Es ist nicht verwerflich, sich an etwas zu erinnern, das es nicht gegeben hat. Wer soll uns dafür richten?" Dieses Zitat seines Vaters stellt der erfolgreiche Schauspieler Matthias Matschke ("Der Fall Barschel", "Polizeiruf") seinem Roman voran. Ebenso wie sein Schauspielerkollege Matthias Brandt in "Raumpatrouille" nimmt auch Matschke in seinem Debüt den Kosmos der eigenen Kindheit ins Visier. Seine spielt in den achtziger Jahren in der westdeutschen Provinz. Nicht gerade selten, dieser Topos. Häufig werden aber ganz besondere Bücher daraus. Brandt, der kein Debütant mehr ist, ist es gelungen - und Matthias Matschke auch.  

"Es ist so öde!"

Sein Buch beginnt mit Sommerferien - wochenlange Langeweile hieß das damals. Und neue Erfahrungen, für die man sich sehr langweilen muss, damit man sie auch macht. Matschkes Alter Ego Matthias hängt z.B. mit Oliver rum, dem einen Kind, das es in jedem Dorf gibt, mit dem man besser nicht spielt. Matthias übersteht die Grundschule, seine erste Liebe, den Tod seines Onkels, das Auseinanderfallen seiner Kernfamilie und den Zivildienst. Dann ist es 1989 und Matthias auf dem Weg nach Berlin. 

Gott ist schwierig

Kindheits- und Aufbruchgeschichten, die in Pfarrersfamilien spielen, liefern ja häufig guten, literarischen Stoff. Im Glauben vereint, alle Gemeindemitglieder gleichermaßen wert schätzend, brodelt es meistens im Inneren der Familie. Bei Matschkes wird das "Außen" und das "Innen" streng getrennt. Das Kind Matthias bringt die Bereiche nur schwer zusammen und träumt sich sein Leben. Zauberhaft, wie Matschke die Wünsche seines Kinderichs für eine glückliche Beziehung beschreibt: "Meine zukünftige Frau und ich werden das nicht so machen. Wir wollen Frieden. Sie lächelt liebevoll, wenn es bei mir etwas zu belächeln gibt, und ich weiß souverän mit ihren gelegentlichen Ungehaltenheiten umzugehen. Das will ich."

Herr Zitelmann, Onkel Günter, Johanna

Matschkes Personal ist außergewöhnlich - und wird von ihm außergewöhnlich differenziert und poetisch zum Leben erweckt. Onkel Günter ist der Rebell der Familie, Schauspieler am Ende. Er ermöglicht Matthias seinen Aufbruch nach Berlin. (Der Titel weist darauf hin, mehr wird nicht verraten.) Herr Zitelmann, der Religionslehrer, Johanna - beide besonders. Am eindringlichsten aber gelingt ihm die Zeichnung seines Vaters. Kurzum: Empfehlen Sie diesen Roman allen, die in den 80ern groß geworden sind, die sich gern an ihre eigene Kindheit und die alten Zeiten erinnern und die immer noch nicht genug von Kindheitserinnerungen in Romanform haben. 

Das Buch

Matthias Matschke: "Falschgeld", Hoffmann und Campe, September, 254 S., 24 Euro