Lesetipp: "New York Times"

Klagewellen und Boykotte

20. November 2020
von Börsenblatt

Memoiren von US-Präsidenten sind meist Megaseller. Warum die US-Verlage im Falle Trump lieber die Finger davon lassen möchten, hat die "New York Times" ermittelt.

Memoiren von US-Präsidenten sind bislang ein lukratives Geschäft. George W. Bush soll für seine Memoiren einen Vorschuss von 7 Millionen Dollar erhalten haben, Bill Clinton hat seine Autobiografie für rund 15 Millionen Dollar an Knopf verkauft, Barack und Michelle Obama etwa 65 Millionen Dollar von Penguin Random House für ein Gesamtpaket an Büchern. Obamas "A Promised Land“ ist mit einer weltweiten Erstauflage von fast sechs Millionen Exemplaren bereits ein Blockbuster.

Faktencheck

Dass bei 73 Millionen Wählern Donald Trump wahrscheinlich Millionen von Exemplaren verkaufen würde, ist anzunehmen. Aber eine Veröffentlichung wäre "die dornigste Herausforderung für Sachbuchverlage, die ich je gesehen habe", urteilt Literaturagent Keith Urbahn in der "New York Times". Die Zeitung hat sich in der Verlagsszene umgehört und festgestellt, dass vor allem eine Frage alle beschäftigt: Würden Trumps Darstellungen den Tatsachen entsprechen – und wäre er bereit, sie überprüfen zu lassen? "Wir würden wissen wollen, dass er bereit wäre, sich redigieren zu lassen und sich einem strengen Faktenprüfungsverfahren zu unterziehen", sagt Dana Canedy, Vizepräsidentin und Herausgeberin des gleichnamigen Imprints von Simon & Schuster, in der "New York Times". Dass die Überprüfung eine Mammutaufgabe werden würde – auch das befürchten alle.

Streit frisst Erlös auf

Die Verlage rechnen mit Boykotten, Verleumdungsklagen und Social-Media-Kampagnen, und zwar mit einer solchen Wucht, dass sie die finanziellen Erfolge eines Buchverkaufs zunichte machen würden. Verleger befürchten zudem, dass eine Veröffentlichung von Trumps Memoiren eine Revolte unter ihren Autoren und Mitarbeitern auslösen würde. Bestsellerautorin Celeste Ng etwa sagte in der "New York Times", sie würde nicht zögern, sich gegen ihren Verlag Penguin Random House zu stellen, wenn dieser einen Vertrag mit Trump abschließen würde. Wenn sich ein Verlag als Gatekeeper verstehe, trage er schließlich auch eine Verantwortung dafür, was durch dieses Gate, dieses Tor gehe. "Und wir haben allen Grund zur Annahme, dass Trump-Memoiren vorwiegend aus Fehlinformationen, unbegründeten Meinungen und glatten Lügen bestehen würden", wird Ng in der "New York Times" zitiert. Andere Autoren wie Stephen King sind gegen Vorzensur – er hoffe, dass sein Verlag (Simon & Schuster) nicht derjenige sei, der sie veröffentliche, aber er könne es "kaum erwarten, dass die Kritiker ihn auseinandernehmen".

Bei Simon & Schuster, HarperCollins und Penguin Random House hat Trump mehr als ein Dutzend Bücher veröffentlicht, mit unterschiedlich großem Erfolg: Von "The Art of the Deal" wurden mehr als 630.000 Exemplare verkauft, von "Trump: The Best Golf Advice I Ever Received" nur 3.500.

Der ausführliche Artikel in der "New York Times" ist zu finden unter: https://www.nytimes.com/2020/11/18/books/trump-memoir-publishers.html