Debütautor:innen im Frühjahr 2025

Vom Zauber des Anfangs

3. Februar 2025
Nils Kahlefendt

Zwei Mal im Jahr richten sich alle Augen auf jene Autorinnen und Autoren, die mit ihrem ersten Roman die Bühne des Literaturbetriebs betreten. In diesem Frühjahr sind es so viele wie selten.

Ruth-Maria Thomas liest aus ihrem Debütroman "Die schönste Version" beim Literarischen Herbst in Leipzig.

"Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne": Dieser Vers aus Hermann Hesses "Stufen" ist in den allgemeinen Sprachgebrauch eingesickert. Er verweist aber auch darauf, wie eng die Rede vom Debüt mit der Schauseite des Buchmarkts verwoben ist: Wie an der Börse werden Wetten auf die Zukunft abgeschlossen. Fast so wichtig wie der Text zwischen den Buchdeckeln sind die Gesichter, die Geschichten der Autoren, der Autorinnen, die auf der Bühne des Literaturbetriebs erstmals in Erscheinung treten. Man erinnere sich an Robert Schneiders Debüt "Schlafes Bruder" (1992), das Reclam Leipzig veröffentlichte – das zuvor von 24 Verlagen abgelehnte Buch wurde zum Welterfolg. Judith Hermann avancierte zur Galionsfigur einer "Fräuleinwunder"-­Literatur, nachdem ihr Debüt "Sommerhaus, später" in der Collection S. Fischer erschienen war, samt ­Renate von Mangoldts berühmtem Autorinnenporträt. 

Wenn im Betrieb vom literarischen "Erstling", diesem "Nullmeridian der Autorentätigkeit" (Julia Amslinger), die Rede ist, meint man in der Regel nicht das Gedicht- oder Dramendebüt, sondern den Debütroman, die Königsdisziplin unter den Gattungen. In der Corona-Pandemie hatten es Debüts besonders schwer – so schwer, dass Autorenverbände wie der VS Alarm schlugen. Doch die Verlage investieren nach wie vor in neue Autorinnen und Autoren. Das gilt für Konzerne und Indies gleichermaßen. In glücklichen Momenten gehen literarische Qualität und Markterfolg Hand in Hand – so wie bei Ruth-­Maria Thomas’ im Sommer 2024 erschienenem Debüt "Die schönste Version" (Rowohlt), das für den Deutschen Buchpreis und den aspekte-Literaturpreis nominiert war und wochenlang auf der "Spiegel"-Best­sellerliste stand.

Von der Autorin selbst ins Deutsche übersetzt

Die Ullstein Buchverlage können im Frühjahr dank der Diversifizierung in einzelne Imprints mit einer gefühlten Nachwuchsmannschaft antreten. Claassen, seit Oktober 2022 von Miryam Schellbach geleitet, setzt mit Aria Aber und Sascha ­Ehlert auf gleich zwei schillernde Debütanten: Aria Aber, als Tochter afghanischer Flüchtlinge in Deutschland geboren, avancierte in den USA zur preisgekrönten Lyrikerin und Hochschuldozentin. Ihren ersten Roman "Good Girl" (erscheint im Februar), der auf dem englischspra­chigen Markt bei ­Hogarth und Bloomsbury herauskommt, übersetzte sie selbst ins Deutsche. Im März wird sie ihn auch persönlich vorstellen. Sascha Ehlert (Jahrgang 1987), Gründer der Popkulturzeitschrift "Das Wetter" hat den Korbinian Verlag mitbegründet und schreibt als freier Mitarbeiter für "taz", "FAZ" und "Die Zeit". Mit "Palo Santo" (Mai) hat der bestens vernetzte Autor nun seinen ersten Roman geschrieben: eine alle Zeitgrenzen sprengende Abenteuer- und Liebesgeschichte zwischen Berlin und Los Angeles, in der Billy Wilder auf zwei deutsche Kultur-Aficionados trifft. 

Das im Herbst 2023 unter Leitung von Ricarda Saul gestartete Imprint Ullstein x Park wartet ebenfalls mit zwei Erstlingen auf: "Fischtage" (Februar), das toughe Debüt der Pop-Feministin Charlotte Brandi (Jahrgang 1985) ist Spitzentitel und wird mit Blurbs von Danger Dan und Jan Weiler flankiert. Kurt Prödel (Jahrgang 1991), im bürgerlichen Beruf Schlagzeuger der Punkband The Screenshots, könnte mit seiner für den lit.Cologne-Debütpreis ­nominierten Coming-of-Age-Geschichte "Klapper" (Januar) aus den frühen Tagen des Internets einen "Tschick"-Lookalike-Wettbewerb gewinnen.

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