Auszeichnung

Erich-Loest-Preis an Ronya Othmann

11. September 2024
von Börsenblatt

Die Schriftstellerin und Journalistin Ronya Othmann wird mit dem Erich-Loest-Preis 2025 ausgezeichnet. Sie sei "in jedem Moment eine hochpolitische Autorin, die unermüdlich die Spuren historischer Gewalt aufsucht", so die Jury, "und sich (...) unerschrocken und beharrlich gegen Verschweigen, Beschwichtigen und Schuldumkehr stellt."

Ronya Othmann

Die Jury unter Vorsitz von Andreas Platthaus erklärt in der Mitteilung zur Preisvergabe zu ihrer Wahl, Othmann habe mit ihrem Roman "Vierundsiebzig" dem "Völkermord an der ethnisch-religiösen Minderheit der Jesiden im kurdischen Irak (2014) ein großes literarisches Denkmal gesetzt, das zugleich eine sehr persönliche Suche nach Herkunft und kultureller Identität ist, die wiederum zentrale Fragen unserer Gegenwart berührt." Weiter heißt es in der Jurybegründung: "In ihren Texten verhandelt sie die Frage des Erbes zwischen den Generationen, sie verbindet das Private mit dem Kollektiven, das Lokale mit universalen Fragen. Sie verwahrt sich gegen den Automatismus identitätspolitischer Zuschreibungen und ist dabei in jedem Moment eine hochpolitische Autorin, die unermüdlich die Spuren historischer Gewalt aufsucht und sich – auch mit Bezug auf die Gewaltregime und den Terrorismus der Gegenwart – unerschrocken und beharrlich gegen Verschweigen, Beschwichtigen und Schuldumkehr stellt."

Zur Jury gehörten:

  • Andreas Platthaus (Juryvorsitz; Chef des Ressorts Literatur und literarisches Leben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung)
  • Linde Rotta (freie Schriftstellerin)
  • Ines Geipel (Schriftstellerin und Professorin für Verskunst an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" sowie Erich-Loest-Preisträgerin 2023)
  • Dr. Katrin Schumacher (Redaktionsleiterin Literatur, Film, Bühne bei MDR Kultur)
  • Prof. Dr. Jobst Welge (Professor für Romanische Literaturwissenschaft an der Universität Leipzig)

"Mit Ronya Othmann hat unsere Preis-Jury eine junge literarische Stimme ausgewählt, die aus der eigenen Biografie heraus weltpolitische Ereignisse in eine literarische Form gießt und damit gegen das Vergessen eines Völkermords anschreibt", erklärt Stephan Seeger, Geschäftsführender Vorstand der Medienstiftung und Direktor Stiftungen der Sparkasse Leipzig. "Ich danke der Jury für ihre hervorragende Wahl und gratuliere Ronya Othmann sehr herzlich: Sie ist ein würdiges Mitglied in den Reihen unserer Preisträgerinnen und Preisträger." Die Medienstiftung vergibt den Preis.

Zur Preisträgerin:

Ronya Othmann, geboren 1993 in München, wuchs als Tochter eines kurdisch-jesidischen Vaters und einer deutschen Mutter im Landkreis Freising auf. Othmanns Kindheit und Jugend waren von Reisen zu ihrer väterlichen Familie in einem jesidischen Dorf im Norden Syriens geprägt, welches später nicht mehr existierte. Nach dem Abitur begann Othmann 2012 eine Ausbildung am International Munich Art Lab und am Schweizer Literaturinstitut der Hochschule der Künste in Biel. Ab 2014 studierte sie am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig und organisierte hier die Kurdischen Filmtage 2015.

Othmann schreibt insbesondere Prosa, Gedichte und Essays. Ihre literarischen Arbeiten setzen sich unter anderem mit Themen wie Migration, Heimat und Krieg auseinander. Othmanns Stil sei dabei durch eine Auseinandersetzung mit Identität und Erinnerung geprägt. Im August 2020 erschien im Hanser Verlag Ronya Othmanns Debütroman "Die Sommer", der anhand einer Familiengeschichte den Bürgerkrieg in Syrien und die Ermordung der Jesiden durch den Islamischen Staat reflektiert. In ihrem ersten Gedichtband "die verbrechen" (2021) bezieht sich Othmann auf ein "müdes, müdes Land", das von der Rezeption als Kurdistan identifiziert wurde. Geschichtliche und ideologische Spuren eines Jahrhunderts verwebt sie darin mit den Erinnerungen eines lyrischen Ichs. 2024 erschien mit dem Roman "Vierundsiebzig" (Rowohlt) Othmanns neueste literarische Arbeit.

Daneben veröffentlichte Othmann auch journalistische Texte, darunter für Der Spiegel oder taz. Seit März 2021 schreibt sie für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung die Kolumne "Import Export". Für die Leipziger Volkszeitung ist Othmann seit Mai 2021 als eine von acht Autoren für die Kolumne "Leipziger Stimmen" verantwortlich.

Für ihre Arbeiten wurde Ronya Othmann bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem MDR-Literaturpreis 2015, dem Mara-Cassens-Preis 2020 für "Die Sommer" oder dem Düsseldorfer Literaturpreis 2024 für ihren jüngsten Roman "Vierundsiebzig".

Termin der Preisverleihung:

Die Preisverleihung wird am 24. Februar 2025, dem Geburtstag Loests, im Mediencampus Villa Ida in Leipzig stattfinden.

Zum Preis:

Der mit 10.000 Euro dotierte Preis wird von der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig im Andenken an den Schriftsteller Erich Loest alle zwei Jahre vergeben. Erich Loest war den Stiftungen der Sparkasse zeitlebens eng verbunden – als Gründungsmitglied der Medienstiftung und als Mäzen der Kultur- und Umweltstiftung, der er seinen literarischen Nachlass übereignete. Der Preis würdigt Autoren, die die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in Deutschland nicht nur beschreiben, sondern mit ihrer Stimme den demokratischen Diskurs mitgestalten. Zudem sollen die Preisträger dem mitteldeutschen Raum verbunden sein, heißt es in der Mitteilung.

Bisherige Preisträger waren Guntram Vesper (2017), Hans Joachim Schädlich (2019), Ulrike Almut Sandig (2021) und Ines Geipel (2023).