Auszeichnung der Stadt Meersburg

Katharina Hacker erhält Droste-Preis

13. November 2020
von Börsenblatt

Katharina Hacker wird mit dem Droste-Preis der Stadt Meersburg 2021 ausgezeichnet. Der Literaturförderpreis geht an Laura Freudenthaler. Die Preisverleihung ist für Mai 2021 angesetzt.

Das teilte die Stadt Meersburg am Bodensee mit. Die Jury lobt Katharina Hacker als eine Autorin, "die sensibel und zugleich konsequent mit unterschiedlichsten Varianten der Erzählprosa experimentiert." Sie schreibe "zarte, elegante Essays, Prosagedichte, Kinderbücher, kürzere und längere Romane, die sich durch vielfache Überlagerung von Erzählebenen und -stimmen auszeichnen". Der komplexe Vorstellungsraum, den diese Texte erwecken, verdanke sich der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Grenzüberschreitungen: "Es geht um deutsche Unrechtsgeschichte, die unterschwellig das Leben der Nachgeborenen bestimmt, es geht um Erinnerungen, die verdrängt werden oder sich mit plötzlicher Macht ins Bewusstsein drängen, um geisterhafte Gespräche zwischen Toten und Lebenden, um die Risse in der bekannten 'realen' Welt, durch die das Imaginäre, das Nichtgewusste, Gefürchtete und leidenschaftlich Ersehnte hervorbrechen kann", so die Jury. Mit ihren fragilen Identitäten seien die Figuren aus Hackers Texten den Leser*innen der Gegenwart auf entlarvende Weise vertraut.

Es sei an der Zeit, die vielfältige Prosakunst einer Autorin zu würdigen, die nach dem großen Erfolg von "Die Habenichtse" nicht mehr die ihr gebührende Aufmerksamkeit gewonnen habe.

Zur Person

1967 in Frankfurt am Main geboren, studierte Katharina Hacker ab 1986 Philosophie, Geschichte und Judaistik an der Universität Freiburg. 1990 wechselte sie an die Hebräische Universität Jerusalem, parallel dazu arbeitete sie als Deutschlehrerin und an der School for Cultural Studies in Tel Aviv. Seit 1996 lebt sie als freie Autorin in Berlin.

1997 debütierte sie mit "Tel Aviv. Eine Stadterzählung".  2006 wurde ihr Roman "Die Habenichtse" mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. Im Oktober 2013 trat sie dem Literarischen Beirat des digitalen Modellprojektes Fiktion bei. Am 28. April 2021 erscheint der Jugendroman "Alles, was passieren wird" bei Fischer Sauerländer.

Werke

  • Tel Aviv. Eine Stadterzählung. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1997
  • Morpheus oder Der Schnabelschuh. Erzählungen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1998
  • Der Bademeister. Roman. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2000
  • Eine Art Liebe. Roman. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2003
  • Die Habenichtse. Roman. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2006
  • Überlandleitung. Prosagedichte. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2007
  • Alix, Anton und die anderen. Roman. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009
  • Die Erdbeeren von Antons Mutter. Roman. Fischer, Frankfurt am Main 2010
  • Eine Dorfgeschichte. Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2011.
  • Skip. Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2015.
  • Darf ich Dir das Sie anbieten? Minutenessays. Berenberg Verlag, Berlin 2019.

Literaturförderpreis 2021 an Laura Freudenthaler

Mit der Österreicherin Laura Freudenthaler werde eine herausragende Autorin der jüngeren Generation ausgezeichnet, die sich in ihren Romanen mit erstaunlicher Empathie und Prägnanz der provinziellen Lebensgeschichte einer alten Frau ("Die Königin schweigt") und der Ehekrise eines Paares um die fünfzig ("Geistergeschichte") widme. "In kühl konzentrierter, ebenso glasklarer wie bildstarker Sprache untersucht sie das Verhältnis von Einsamkeit, Schweigen und Stolz, von Argwohn, entgleister Wahrnehmung und dem Unheimlichen", so die Jury. Freudenthaler sei eine Meisterin des Andeutens und Aussparens, die ihre Leserinnen und Leser mit subtiler Macht in die Perspektiven ihrer Figuren zwinge, sie an deren Zweifeln, Verlusten und Hoffnungen teilhaben lasse und so das Alltägliche zum Leuchten bringe. Immer sei das Privateste dabei durchtränkt von den Zumutungen und Zudringlichkeiten der Zeitläufe. 

Zur Person

Laura Freudenthaler, geboren 1984 in Salzburg, lebt in Wien. Die Erzählungen "Der Schädel von Madeleine. Paargeschichten" erschienen 2014. Für ihren ersten Roman "Die Königin schweigt" (2017) erhielt sie den Förderpreis zum Bremer Literaturpreis 2018. Der Roman wurde darüber hinaus als bester deutschsprachiger Debütroman beim Festival du premier Roman 2018 in Chambéry ausgezeichnet. Ihr zweiter Roman "Geistergeschichte" erschien im Februar 2019. Für diesen erhielt sie im gleichen Jahr den Literaturpreis der Europäischen Union.

Werke

  • Der Schädel von Madeleine: Paargeschichten, Müry Salzmann, Salzburg/Wien/Berlin 2014
  • Die Königin schweigt, Roman, Droschl Verlag, Graz 2017
  • Geistergeschichte, Roman, Droschl Verlag, Graz 2019

Preisverleihung

Die Preisverleihung an die beiden Autorinnen findet am 16. Mai 2021, um 11:00 Uhr im Neuen Schloss Meersburg statt, heißt es in der Mitteilung.

Droste-Preis der Stadt Meersburg

Alle drei Jahre verleiht die Stadt Meersburg den Droste-Preis im Gedenken an die Schriftstellerin Annette von Droste-Hülshoff, die ihre letzten Lebens- und Schaffensjahre in Meersburg verbracht hat. Die Auszeichnung der älteste deutschsprachige Literaturpreis (erstmals vergeben 1957), der ausschließlich an deutschsprachige Autorinnen vergeben wird. Er ist mit 6.000 Euro dotiert.

Frühere Preisträgerinnen sind unter anderem Nelly Sachs, Rose Ausländer, Hilde Domin, Eva Zeller, Gertrud Leutenegger, Eveline Hasler, Friederike Mayröcker oder auch Marlene Streeruwitz.

Seit 2003 vergibt die Stadt zudem einen Literaturförderpreis, dessen Preisgeld 4.000 Euro beträgt. Während der Droste-Preis in der Regel für ein Gesamtwerk verliehen wird, sollen mit dem Literaturförderpreis jüngere Schriftstellerinnen ausgezeichnet werden, die erst am Beginn ihrer literarischen Laufbahn stehen. Aufgrund der Vielseitigkeit des Œuvre Annette von Droste-Hülshoffs kommen Preisträgerinnen aller literarischen Gattungen in Frage.

Zum Profil des Droste-Preises gehöre es, Autorinnen zu ehren, deren Werke sich einer allzu populären Lesart widersetzen; ausgezeichnet werden zumeist Autorinnen, die eher am Rande des Literaturbetriebs stehen. Dies habe Tradition, denn auch die Patronin des Preises, Annette von Droste-Hülshoff, habe sich den literarischen Moden ihrer Zeit verweigert, wollte "lieber in hundert Jahren" gelesen werden, als ihre Schreibweise den Launen des Augenblicks anzupassen.