Nelly-Sachs-Preis geht an Yoko Tawada
Der mit 15.000 Euro dotierte Nelly-Sachs-Preis der Stadt Dortmund geht in diesem Jahr an die japanische Schriftstellerin Yoko Tawada. Im Oktober erscheint ihr neuer Roman.
Yoko Tawada
Der mit 15.000 Euro dotierte Nelly-Sachs-Preis der Stadt Dortmund geht in diesem Jahr an die japanische Schriftstellerin Yoko Tawada. Im Oktober erscheint ihr neuer Roman.
Yoko Tawada
Yoko Tawada wurde 1960 in Tokyo geboren, als Tochter eines Buchhändlers. Sie studierte dort zunächst Literaturwissenschaft mit Schwerpunkt russische Literatur. Von 1982 an studierte sie Neuere Deutsche Literaturwissenschaften an der Universität Hamburg. Heute lebt sie in Berlin.
Sie schreibt Essays, Gedichte, Dramen, Romane und andere Prosatexte – sowohl in ihrer Muttersprache Japanisch als auch auf Deutsch. Dabei macht sie die Sprache häufig zum Thema, etwa in ihrem Gedichtband „Abenteuer der deutschen Grammatik“ oder in ihren Essays unter dem Titel „akzentfrei“.
Das war auch für die Jury ein wichtiger Punkt bei der Entscheidung: „Tawadas Texte sind spielerisch. In immer wieder anderer Weise und mit großer Lust am Experimentieren erkundet sie Zwischenräume. In ihrer surrealen Poetologie demontiert sie Sprache und Wahrnehmung in einzigartiger Weise. Dabei sind Humor und Ernst, Dokument und Fantasie oft nicht zu unterscheiden“.
In der Jurybegründung heißt es weiter: „Durch eine einfache, verständliche Sprache wirken Yoko Tawadas Texte auf den ersten Blick harmlos. Doch widmen sie sich komplexen und existenziellen Themen: Umweltkatastrophen, Machtstrukturen, der Hybris der menschlichen Spezies, Geschlechterfragen, Themen des Unbewussten und der Transformation. Eine große Freiheit liegt in ihrem ironischen Umgang mit Autoritäten und Konventionen. In Wort- und Gedankenspielen überschreitet Tawada nicht nur Grenzen, sie löst sie auf. Ihre Texte zeigen, wie fluide und hybrid Sprache, Mensch und Welt sind. Damit schenkt sie ihren Leser*innen eine ästhetische Erfahrung, die Fremdheit als freude- und gewinnbringenden Zustand begreifbar macht. So sind bei Tawada zum Beispiel Heimat und Identität immer beweglich. Der Mensch ist ein Lebewesen unter vielen, nicht mehr. Die Krise beginnt bei ihr, wo starre Grenzen gezogen werden oder bleiben.“
Die Jury würdigt Tawada als eine Ikone der Gegenwartsliteratur: „Wie kaum eine andere Literat*in arbeitet Tawada an einer Zwischensprache, die offen und ohne Ort ist. Sie gibt damit jenen vielen Menschen, die suchen und sich dabei immer wieder neu fremd fühlen, einen Ort. Dies macht Yoko Tawadas Literatur universell für unser 21. Jahrhundert.“
Ihre ersten literarischen Veröffentlichungen erschienen 1985 und 1986 (in Konkursbuch 16/17: Japan-Lesebuch). Kurz danach veröffentlichte sie ihr Debüt „Nur da wo du bist da ist nichts“. Ihr erstes Buch in Japan kam 1992 heraus („Sanninkankai“). Ihre Bücher sind in viele Sprachen der Welt übersetzt. Im Oktober erscheint ihr neuer Roman „Eine Affäre ohne Menschen“ im Konkursbuch Verlag.
Zur Jury gehören folgende Fachpreisrichter*innen unter dem Vorsitz von Bürgermeisterin Barbara Brunsing und dem Geschäftsführer des Preises, Stadtdirektor und Kulturdezernent Jörg Stüdemann:
Traditionell wird der Preis in Anlehnung an den Geburtstag von Nelly Sachs (geboren am 10. Dezember 1891) verliehen – in diesem Jahr am Sonntag, 14. Dezember, mit einem Festakt um 11 Uhr im Rathaus Dortmund. Jurymitglied Jona Elisa Krützfeld wird die Laudatio halten.
Mit dem nach Nelly Sachs benannten Literaturpreis ehrt und fördert die Stadt Dortmund alle zwei Jahre Persönlichkeiten, die herausragende schöpferische Leistungen auf dem Gebiet des literarischen und geistigen Lebens hervorbringen und zur Verbesserung der kulturellen Beziehungen zwischen den Ländern beitragen. Die Preisträger*innen stehen für Toleranz, Respekt und Versöhnung und leben diese Werte in einer globalisierten Gesellschaft, in der sie sich für ein friedliches Zusammenleben einsetzen.
Erste Preisträgerin war 1961 die Namensgeberin Nelly Sachs. Später ging der Preis u.a. an Nadine Gordimer (1985), Milan Kundera (1987), Javier Marias (1997), Christa Wolf (1999), Per Olov Enquist (2003), Margaret Atwood (2009) und Marie N’Diaye (2015). Letzter Preisträger war 2023 Saša Stanišić.