"Er leuchtet die Angst-Räume unserer Zeit aus"

Österreichischer Buchpreis an Xaver Bayer

9. November 2020
von Börsenblatt

Der Wiener Autor Xaver Bayer wurde am 9. November für sein Buch "Geschichten mit Marianne" (Jung und Jung) mit dem Österreichischen Buchpreis 2020 ausgezeichnet. Der Debütpreis ging an Leander Fischer. 

Das teilte der Hauptverband des Österreichischen Buchhandels (HVB) mit. Aufgrund der derzeit geltenden COVID-19-Maßnahmen konnte die Festveranstaltung anlässlich der Verleihung des Österreichischen Buchpreises am 9. November nicht abgehalten werden.

In der Begründung der Jury für den Siegertitel heißt es: "Ganz alltäglich und entspannt beginnen alle diese 'Geschichten mit Marianne', sie beginnen beim Abwaschen oder mit einem langweiligen Nachmittag, an dem Marianne den Erzähler zu einem Ausflug einlädt. Je harmloser der Anfang, desto grausamer und grotesker der weitere Verlauf. Jede Geschichte setzt neu an und lässt eine Gewissheit des Alltags ins Bodenlose kippen, und sei es der Gang in den Keller."

"Der Erzähler irrt durch den schlammigen Untergrund einer Riesenstadt", so die Jury weiter, "tastet sich im Dunklen durch ein ominöses Schloss oder beobachtet mit Marianne ein Massaker vom Wohnzimmer aus, nachdem er ihr beim Abwasch geholfen hat. Die literarische Moderne wird in diesen Geschichten aufgerufen und souverän in unterschiedlichen Genres eingesetzt – von der Horrorgeschichte bis zur Fantasy-Szenerie. Mit bösem, oft melancholischem Witz leuchtet Xaver Bayer die Angst-Räume unserer Zeit aus, denn immer wieder versinkt sein Held im Chaos, das in leuchtenden Details erzählt wird – letztlich bleibt ihm nur die eigene Fantasie als rettender Ort. Ein brillantes, facettenreiches Nachdenken über unsere Zeit."

Xaver Bayer wurde 1977 in Wien geboren, wo er auch als freier Schriftsteller lebt. Er hat Philosophie und Germanistik studiert.

Für die Shortlist nominiert waren außerdem:

  • Helena Adler: Die Infantin trägt den Scheitel links (Jung und Jung)
  • Monika Helfer: Die Bagage (Hanser)
  • Karin Peschka: Putzt euch, tanzt, lacht (Otto Müller Verlag)
  • Cornelia Travnicek: Feenstaub (Picus).

Der Österreichische Buchpreis ist mit 20.000 Euro dotiert, die vier weiteren Titel der Shortlist mit jeweils 2.500 Euro.

Debütpreis an Leander Fischer

Der Debütpreis des Österreichischen Buchpreises 2020 ging an Leander Fischer für "Die Forelle" (Wallstein Verlag). Die Begründung der Jury: "In seinem fast 800 Seiten starken Debütroman erweist sich Leander Fischer als äußerst wortgewaltiger Schriftsteller. Er kann sich über mehrere Seiten in kleinste Details des Fliegenfischens versenken und gleichzeitig zu sprachlichen Höhenflügen ansetzen. Fliegt er manchmal zu hoch? Doch, immer wieder. 'Die Forelle' ist das genaue Gegenteil der einfachen, schmucklosen Prosa, die heute in der erzählenden Literatur vorherrscht. Und genau das macht den Reiz der Lektüre aus. Kleine Abstürze mindern die berauschende Wirkung des Romans keineswegs."

Fischers Werk sei nicht nur für kunstsinnige Fliegenfischer ein literarischer Leckerbissen. Angesiedelt habe es der Autor in den 1980ern, als die großen Supermärkte kleine Läden zu verdrängen begannen. "Die Forelle" lasse sich auch "als Antiheimatroman lesen, mit dem Waldsterben oder wild fechtenden Reserveburschenschaftern und dementsprechenden Bierdunst als thematischem Hintergrundrauschen", so die Jury. "Diese österreichischen Kontinuitäten holen Fischers Prosa für kurze Zeit zurück auf den Boden der Tatsachen. Bis sie von neuem abhebt."

Leander Fischer, geboren 1992 in Vöcklabruck, absolvierte ein Studium des Kreativen Schreibens und des Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim. 2019 nahm er am Ingeborg-Bachmann-Preis teil und wurde dort mit dem Deutschlandfunk-Preis ausgezeichnet.

Für die Shortlist-Debüt nominiert waren außerdem:

  • Gunther Neumann: Über allem und nichts (Residenz)
  • Mercedes Spannagel: Das Palais muss brennen (Kiepenheuer & Witsch)

Der Debütpreis im Rahmen des Österreichischen Buchpreises ist mit 10.000 Euro dotiert, die zwei weiteren Titel der Shortlist mit jeweils 2.500 Euro. Der Debütpreis wird von der Arbeiterkammer Wien gestiftet.

Die Jury

Die Fach-Jury für den Österreichischen Buchpreis setzt sich 2020 aus Sebastian Fasthuber (Journalist, Falter), Nicole Henneberg (Literaturkritikerin, u.a. Frankfurter Allgemeine Zeitung), Klaus Seufer-Wasserthal (Buchhändler, Rupertus Buchhandlung) und Ulrike Tanzer (Literaturwissenschaftlerin, Universität Innsbruck) zusammen.

Die Jury zum Preis 2020: "Wir sind davon überzeugt: Lesen hilft, gerade auch in schwierigen Zeiten. Lesen geht immer, sogar von 20 Uhr bis 6 Uhr.  Als Jury haben wir heuer besonders viel gelesen und uns bei den Sitzungen zum Österreichischen Buchpreis in einer so konstruktiven wie kollegialen Atmosphäre darüber ausgetauscht. Es gab in diesem Jahr zahlreiche sehr gute Einreichungen; Bücher, die es verdienen, dass sie wahrgenommen werden und breit über sie berichtet wird. Am Ende herrschte bei beiden Preisen dennoch große Einigkeit und wir dürfen mit dem Erzählband von Xaver Bayer und dem Debütroman von Leander Fischer zwei überragende Texte auszeichnen."

Benedikt Föger, Präsident des Hauptverbandes des Österreichischen Buchhandels, sagt:  "Gerade in Zeiten wie diesen ist es wichtig, der neuen österreichischen Literatur und ihren Autorinnen und Autoren Sichtbarkeit zu verleihen und der Vielfalt und Reichhaltigkeit ihres Werkes Anerkennung zu zollen. Im fünften Jahr seiner Verleihung trägt der Österreichische Buchpreis mehr denn je zu diesem Anliegen bei."

Über den Österreichischen Buchpreis

Ziel des Österreichischen Buchpreises ist es, die Qualität und Eigenständigkeit der österreichischen Literatur zu würdigen und ihr im gesamten deutschsprachigen Raum die gebührende Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Der Österreichische Buchpreis wird vom Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (BMKOES), dem Hauptverband des Österreichischen Buchhandels und der Arbeiterkammer Wien 2020 bereits zum fünften Mal ausgerichtet.

Die Gewinner*nnen der Vorjahre:
Buchpreis: Norbert Gstrein (2019), Daniel Wisser (2018), Eva Menasse (2017), Friederike Mayröcker (2016)

Debütpreis: Angela Lehner (2019),  Marie Gamillscheg (2018), Nava Ebrahimi (2017), Friederike Gösweiner (2016)

 

Weitere Informationen zum Österreichischen Buchpreis 2020 finden sich unter oesterreichischer-buchpreis.at. Zusätzliche Infos, Geschichten und Bücher-Gewinnspiele gibt es auch auf Facebook.