Auszeichnung der Stadt Wetzlar

Phantastikpreis 2025 geht an Nils Westerboer

8. Juli 2025
Redaktion Börsenblatt

Den mit 4.000 Euro dotierten Phantastikpreis der Stadt Wetzlar 2025 erhält der Autor Nils Westerboer für sein Buch "Lyneham", erschienen in der Hobbit Presse beim Klett Cotta Verlag.

Der Gewinnertitel und sein Autor

Die elfköpfige Fachjury (bestehend aus Vertretern von Buchhandel, Verlagswesen, Bibliothek, Schule, Universität und Medien) hat Nils Westerboers Roman "Lyneham" (Hobbit Presse; ET: 15. März 2025) am 25. Juni aus 146 eingereichten Titeln ausgewählt, teilt die Phantastische Bibliothek Wetzlar mit. Mit auf der Shortlist der letzten drei standen "City of Trees" von Chantal-Fleur Sandjon (Thienemann; ET: Mai 2024) und "Antichristie" von Mithu M. Sanyal (Hanser; ET: September 2024).

Zum Inhalt von "Lyneham" erläutert die Jury: "Vor der sich anbahnenden Katastrophe auf der Erde retten sich die Menschen auf den fernen Mond Perm. Als sie nach Jahrtausenden im Stasisschlaf dort ankommen, finden sie nicht die verheißene, für sie geformte Welt, sondern müssen in einer feindlichen Umwelt in geschlossenen Habitaten unterkommen. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive von Henry Meadows, der ausgerechnet an seinem zwölften Geburtstag mit seinem Vater und seinen zwei Geschwistern auf Perm bruchlandet. Nach und nach versucht er zu begreifen, was es mit dieser neuen Welt auf sich hat, was die Erwachsenen verheimlichen – und wo eigentlich seine Mutter bleibt, die mit einem anderen Raumschiff nachkommen wollte. Doch Mildred Meadows ist ihrer Familie nicht nachgereist, sondern durch eine bessere Antriebstechnik um Jahrtausende voraus. Sie ist Teil der Impulsmission, die Perm für die Besiedlung vorbereiten soll – allerdings unterscheiden sich ihre Vorstellungen deutlich von denen des Missionsleiters, sodass sie ein riskantes doppeltes Spiel spielen muss, um ihrer Familie den Weg zu bereiten."

Nils Westerboers Roman "Lyneham" überzeugt die Jury durch die durchdachte Bearbeitung seines eigentlichen Themas: die unbewohnbare Erde und die Frage, ob die Menschheit sich einen anderen Planeten so gestalten kann, dass er bewohnbar wird. Dabei verbinde der Roman – und das macht ihn hochaktuell – Klimafragen mit ethischen Überlegungen: Könnte man eine neue Erde auf einem anderen Planeten erschaffen? Sind Menschen automatisch Störungen in einem Ökosystem, das für sie keinen Platz hat? Wieviel Eingriff in fremde Welten ist vertretbar, um das eigene Überleben zu sichern? Und wieweit müssen sich die Menschen neuen Gegebenheiten anpassen? Doch sei trotz dieser großen Fragen die Welt, die Westerboer zeichnet, facetten- und detailreich gestaltet: Landschaft und Fauna Perms sind nicht bloßes Objekt, sondern werden durch die ständige Auseinandersetzung mit ihrer Fremdheit und Widerspenstigkeit selbst zu Handelnden. Im Gegensatz dazu bringen die Menschen von der Erde ihre gesellschaftlichen Konflikte mit, die sich nach Eintreffen des letzten Raumschiffes dramatisch verschärfen und auf engstem Raum ausgetragen werden müssen.

Trotz dieser thematischen Flughöhe bleibe Westerboer ganz nah an seinen Figuren: Im Wechsel erzählt durch die sachliche Perspektive der Wissenschaftlerin Mildred Meadows und den noch kindlichen Blick des zwölfjährigen Henry, eröffne sich den Lesenden ein vielschichtiges Beziehungsgeflecht, in dessen Zentrum die Familie Meadows und ihre Küche stehen – "der Ort, an dem sich Stoffwechsel und Kultur begegnen". Insbesondere die drei Meadows-Geschwister bleiben trotz der ihnen zugewiesenen Rollen immer auch unperfekte Teile eines Beziehungsgefüges, das einfühlsam in fein gezeichneten Momentaufnahmen eher erspürt als auserzählt wird.

Wetzlars Oberbürgermeister Manfred Wagner wird den Phantastikpreis, der seit 1983 vergeben wird, im Rahmen der 41. Wetzlarer Tage der Phantastik am Freitag, 12. September 2025, um 19 Uhr in der Phantastischen Bibliothek, Turmstraße 20, in Wetzlar, überreichen.