Deutscher Jugendliteraturpreis 2025

Jugendliteraturpreis 2025: Die besten Bücher stehen fest

17. Oktober 2025
Stefan Hauck

Volles Haus, viel Applaus, Bilder ohne Worte, Chatten und Läuse: Am Buchmessefreitag wurden fünf mit je 10.000 Euro dotierte Jugendliteraturpreise verliehen, ein Preis für junge Illustrationstalente sowie der Sonderpreis für das illustratorische Gesamtwerk. Welche, erfahren Sie hier:

Die Übersetzerin Stefanie Kuballa-Cottone und die spanische Autorin Berta Paramo (von links) werden von Karin Prien, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, mit der Momo-Trophäe ausgezeichnet. Sie erhalten den Preis in der Kategorie Sachbuch für ihr Buch "Läuse - Handbuch zum Überleben auf Menschen".

In märchenhaftes Ozeanblau des 2025er Plakats war der rappelvoll gefüllte Saal Harmonie getaucht, als Bundesfamilienministerin Karin Prien Lesen als Schlüssel bezeichnete, "um die Welt zu vermessen, zu verstehen, einen Kompass zu bekommen in einer Zeit, in der nicht mehr alles Gewissheit ist, was bislang Gewissheit war." Viele der nominierten Titel seien stark machende Bücher; Lesen sei eine besten Formen der Demokratieförderung, Lesen mache resilient. "Kinder müssen früh anfangen, das Lesen zu lieben, dass Leseförderung in den Familien stattfindet, wir brauchen eine nationale Strategie, damit Kinder lesen lernen"., forderte die Ministerin.

Prof. Jan Standke als Vorsitzender des Arbeitskreises für Jugendliteratur hatte zuvor auf die Macht der Sprache und die Kraft des Denkens hingewiesen: "Der Preis ist ein Bekenntnis, dass wir mit Jugendliteratur Kindern und Jugendlichen etwas zutrauen.". Lesen sei keine Nebensache, es sei eine Grundvoraussitzung und keine politische Nebensache: "Wir brauchen eine nationale Strategie für das Lesen!" Lesen sei eine Überlebenskompetenz in einer Welt, die sich ständig verändere, in der auch Bilder eine wichtigere Rolle einnehmen. "In einer Zeit, in der KI rasend schnell Bilder erzeugt, droht verloren zu gehen, was Kunst ausmacht, das Einmalige.". 

"Die Veranstaltung liegt mir sehr am Herzen, denn hier liegt die Zukunft des Lesens und des Lebens", bekannte Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins. Das Segment der Kinder- und Jugendliteratur wachse in diesem Land: Die Literatur helfe, eine vielfältige Sicht auf die Welt zu bekommen, so Buchmesse-Sprecher Torsten Casimir, was wichtiger denn je sei, "Man muss nicht denken, Banned Books seien nur in Amerika anzutreffen: Man muss früh sensibel werden gegen alle, die da versuchen hineinzupushen." Werte seien entscheidend, so Schmidt-Friderichs: "Ich habe die meisten meiner Werte aus Büchern, die ich als Kind und als Jugendliche gelesen habe."

Jens Rassmus und Karin Prien

Sparte Bilderbuch

In der Bilderbuchsparte gewinnt Jens Rassmus mit "Regentag" (Peter Hammer). "Ganz ohne Worte kommt Jens Rassmus ins Schwärmen über die Vielfalt kindlichen Spiels", urteilt die Jury. "Schwarz-weiße Umrisslinien zeigen die Handlungsrealität im Kinderzimmer, während kräftige Acrylfarben die weite Welt der Phantasie auffächern. Visuelle Verknüpfungen – wiedererkennbar sind Gesten und Haltungen der Kinder oder einzelne Gegenstände – lassen die Betrachtenden teilhaben an den imaginären Verwandlungen. Bildstark und barrierefrei lädt dieses Buch alle ein, das Gedankenspiel mit- und nachzuvollziehen. Und wenn am Ende wieder die Sonne scheint, ist längst klar, dass Phantasie nicht nur einen Regentag aufhellt." 

ab 4
Jens Rassmus: »Regentag«. Peter Hammer Verlag, 20 €

Sparte Kinderbuch

Unter den sechs nominierten Titeln der Kinderbuchsparte gewinnt Karen Köhler mit "Himmelwärts" (Hanser), illustriert von Bea Davies. "Köhlers Roman bietet ein Feuerwerk philosophischer und sprachästhetischer Erzählkunst. Er besticht durch originelle (Zeit-)Metaphern, Wortneuschöpfungen und Lautmalereien", so die Jury. "Der aus Tonis Perspektive erzählte Nachtbericht wird angereichert durch Erinnerungsnotizen zum Leben und Tod der Mutter. Die Gesamtheit dieser feinfühligen Komposition wird zu herausragender kinderliterarischer Trauerkultur. Die dezenten, zwischen Blau- und Rottönen sanft changierenden Illustrationen von Bea Davies verraten nie zu viel und laden auf ganz eigene Weise zum weiterführenden Philosophieren ein." "Meine ersten Skizzen hat überhaupt nicht gepasst, da musste ich komplett zwei, drei Schritte zurück, habe viel ausprobiert", erinnerte sich Davies. 

ab 10
Karen Köhler, Bea Davies: »Himmelwärts«. Hanser, 19 €

Die Illustratorin Sarah Maus (l) und die Autorin Sarah Jäger

Sparte Jugendbuch

Mit einem Aufschrei sprang Schriftstellerin Sarah Jäger auf die Bühne, die auch Buchhändlerin in Essen ist: Sie hat mit "Und die Welt, sie fliegt hoch" (Rotfuchs) den Jugendliteraturpreis in der Jugendbuchsparte gewonnen, illustriert wurde der Titel von Sarah Maus. "Einem dynamische Pingpong-Spiel gleich entfaltet Sarah Jäger einen stilistisch fein modellierten Dialog, der auch in der Sprache Trennendes und Verbindendes betont und im Zusammenwirken mit den beredten Illustrationen von Sarah Maus ein bewegendes Annäherungsportrait zeichnet", urteilt die Jury.

ab 12
Sarah Jäger, Sarah Maus: »Und die Welt, sie fliegt hoch«. Rotfuchs, 20 €

Sparte Sachbuch

In der Sachbuch-Sparte hat sich die Jury für "Läuse. Handbuch zum Überleben auf Menschen" (Helvetiq) von Berta Páramo (Text und Illustration) durchgesetzt, übersetzt von Stefanie Kuballa-Cottone. Der Titel ist "ein bild- und sprachästhetisch herausragendes Sachbuch in einem ungewöhnlich handlichen Format, das den Blick auf das systemische Zusammenspiel von Lebewesen stärkt und  dabei einen Akzent auf das Thema Selbstfürsorge setzt", so die Jury. "Die Übersetzerin Stefanie Kuballa-Cottone transportiert den augenzwinkernden Erzählstil und hält dabei dennoch die Balance hin zur Sachebene."

 

ab 8
Berta Páramo: »Läuse«. Ü: Stefanie Kuballa-Cottone, Helvetiq, 17 €

Die Jugendjury hat entschieden

Die aus sechs Leseclubs bestehende Jugendjury entschied sich für Dirk Reinhards "No Alternative" (Gerstenberg). Reinhardt verstehe es, sich mit den Stimmen der jungen Generation auseinanderzusetzen, so ein Sprecher der Jugendjury. Obwohl das Manifest von "No Alternative" sehr klar und eindrücklich gestaltet sei, dränge sich der Autor nicht mit einer deutlichen Meinung auf, sondern lasse viel Raum für eigene Interpretationen und Diskussionen. "Das ist vor allem den unglaublich fein und emphatisch gezeichneten Figuren zu verdanken, deren Entwicklung man sehr nah begleiten kann. Dirk Reinhardt kreiert intensive und inspirierende Charaktere, die den individuellen Umgang mit Verantwortung und viele Facetten des Klimaaktivismus aufzeigen. Es entsteht ein Leseerlebnis, das lange nachwirkt. – Ein Roman, der aus dem radikalen Teil des Herzens schreit und Veränderung nicht nur fordert, sondern erwartet."

ab 14
Dirk Reinhardt: »No Alternative«. Gerstenberg, 20 €

Sonderpreis Neue Talente

Untere den jungen Illustrationstalenten überzeugte die Jury  die lllustratorin, Cartoonistin und Comiczeichnerin Maren Amini .aus Hamburg, die u.a. für die "Washington Post", den Spiegel" und das Fraunhofer Institut. arbeitet. Künstlerisch überzeuge Amini mit einer beeindruckenden Bandbreite an Techniken: "Es gelingt ihr, schweren Themen wie den Flucht- und Migrationserfahrungen des Vaters durch ihren karikaturistisch reduzierten Zeichenstil melancholische Leichtigkeit zu verleihen. Das innere, oft mystische Erleben äußert sich in starken visuellen Metaphern, psychedelischen Farbexplosionen und atmosphärischen Aquarellen.", so die Jury. Anklänge an die farbenprächtige Ornamentik der traditionellen persischen Miniaturmalerei und Kalligrafie öffneten zusätzlich den Blick auf die reiche Kultur und Vergangenheit Afghanistans.

In der Graphic Novel "Ahmadjan und der Wiedehopf" (Carlsen) erzählen Maren Amini (federführend) und ihr Vater Ahmadjan Amini die von Kunst- und Freiheitsliebe getragene interkulturell-schillernde Lebensgeschichte des Vaters auf bildstarke und gleichzeitig poetische Art und Weise. Mit schwungvollem, an Sempé oder die Peanuts erinnerndem Strich werden nicht nur Kulturen und Generationen miteinander verschränkt, sondern auch unterschiedliche Erzählformen: So ist die zwischen Afghanistan und Deutschland pendelnde und auch als Zeitzeugnis zu verstehende Biografie kunstvoll verwoben mit dem tausend Jahre alten epischen Langgedicht "Die Konferenz der Vögel" des persischen Mystikers Fariduddin Attar.

Wenn ich König oder Königin wäre, dann würde ich dafür sorgen, dass es in jeder Kita und jeder Schule eine gut ausgestattete Bibliothek gäbe.

Antje Damm, Illustratorin

Antje Damm

Der Preis für das Gesamtwerk Illustration

Der Sonderpreis für das Gesamtwerk Illustration geht an die Illustratorin Antje Damm.

"Wie nah Damm dem Kinderalltag ist, spürt man ihren Büchern. Mit "Frag mich" hat sie ein ganz eigenes Format geschaffen, das fotografisch Kinder zum Fragen einlädt", so die Laudatio. "Mit scheinbarer Unperfektheit schafft sie nahbare Kunst, sie zeichnet, schnitzt, klebt, aquarelliert, konstruiert Kulissen für kleine Kammerspiele." Antje Damm dankte ihrem Verleger Markus Weber (Moritz Verlag), dass sie seit 23 Jahren tolle Bücher machen ("Das ist ein Geschenk für mich"), sie dankte ihrer Agentin Susanne Koppe und ihrer Familie: "Sie sind meine ersten Leserinnen und größten Kritikerinnen". "Wenn ich König oder Königin wäre, dann würde ich dafür sorgen, dass es in jeder Kita und jeder Schule eine gut ausgestattete Bibliothek gäbe, dass es eben nicht davon abhängt, ob man in ein gut situiertes Elternhaus hineingeboren wird oder nicht", bat Damm Bundesfamilienministerin Prien, sich dafür stark zu machen, das politisch durchzusetzen.