Wir veröffentlichen die Forderung der Kurt Wolff Stiftung im Wortlaut:
Die Kultur- und Kreativwirtschaft mit ihren über 250.000 Unternehmen und über 1,2 Millionen Kernerwerbstätigen stellt mit über 106 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung (2019) die zweitgrößte Branche in Deutschland dar. Die einzigartig vielfältige deutsche Buch- und Verlagslandschaft ist ein zentraler Teil davon.
Buchverlage agieren an der Schnittstelle von Kultur und Wirtschaft. Konzernunabhängige Verlage, die mit Neugier und Engagement Autorinnen und Autoren entdecken und veröffentlichen und Themen auch abseits des Mainstreams aufgreifen, leisten dabei einen sehr wichtigen Beitrag zur Vielfalt der deutschen Buchwelt. Den Verlagen verdanken sich viele literarisch, künstlerisch oder wissenschaftlich anspruchs- und wertvolle Buchprojekte unterschiedlichster Genres, an deren Realisierung zudem häufig freie und/oder festangestellte Kernerwerbstätige der Kreativwirtschaft mitwirken. Die Veröffentlichungen regen Diskurse in Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft an und gestalten die Vielfalt und Diversität in unserer Demokratie entscheidend mit.
Doch nicht erst seit der Corona-Pandemie ist die Buchwelt im Wandel: Die am 3. März 2021 veröffentlichte Studie „Aktuelle Bestandsaufnahme und Bedarfsanalyse im Bereich der Förderung verlegerischer Vielfalt auf dem Buchmarkt in Deutschland“, die die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) Monika Grütters in Auftrag gegeben hat, liefert erstmals eine umfassende wissenschaftliche Analyse der deutschen Verlags- und Buchbranche. Demnach befindet sich die gesamte Branche in einem fundamentalen Strukturwandel. Die Zahl der Buchkäuferinnen und -käufer hat dramatisch abgenommen – von 2012 bis 2016 gingen dem Buchhandel laut GfK 6,1 Millionen Buchkäufer*innen verloren –, die Angebote der Medienwelt haben sich dagegen vervielfältigt. Der immer stärkere Wettbewerb mit neuen digitalen Angeboten wie etwa Streaming-Diensten setzt die Verlage zunehmend unter Druck.
Dies hat – ebenso wie die sich beschleunigenden Konzentrationsprozesse im Buchhandel und in der Verlagswelt sowie die stark gestiegenen Produktionskosten, etwa in den Bereichen Papier und Logistik – insbesondere für konzernunabhängige, unternehmergeführte Verlage existentielle Folgen.
Denn sinkende Einnahmen aus den Buchverkäufen führen zu kleineren Programmen und niedrigeren Auflagen und damit zu weniger Sichtbarkeit der Titel. Viele literarisch wertvolle Buchprojekte abseits des Mainstreams rechnen sich bei gesunkenen Auflagen nicht mehr und können daher nicht realisiert werden. Dies bedroht nicht nur die Existenzgrundlage vieler Autorinnen und Autoren, sondern ganz allgemein die Bandbreite der Literatur.
Der vor drei Jahren von Frau Kulturstaatsministerin Monika Grütters ins Leben gerufene Deutsche Verlagspreis, die regionalen Verlagspreise wie auch der Deutsche Buchhandlungspreis sind erste, wertvolle Maßnahmen, um der existenzbedrohenden Entwicklung entgegenzuwirken.
Aber sie reichen leider noch nicht. Um die einzigartige Bibliodiversität der deutschen Buch- und Verlagslandschaft nachhaltig zu sichern, muss in der Wirtschafts- und Kulturpolitik ein Umdenken stattfinden: Eine freiheitliche Demokratie muss sich noch viel aktiver für die Vielfalt ihrer Kulturlandschaft und für deren Unterstützung einsetzen, und zwar durch eine in die Zukunft orientierte verlagserhaltende Wirtschafts- und Kulturpolitik.
Wir halten daher, in Anlehnung an die Verlagsstudie, die Umsetzung einer existenzsichernden, strukturellen Verlagsförderung in Deutschland für unabdingbar und fordern:
- Die Vergabe einer dauerhaften und planbaren Verlagsförderung nach klar definierten formalen Kriterien, also möglichst ohne Einbeziehung einer Jury.
- Zu diesem Zwecke die Einrichtung eines Fonds zur Förderung von Verlagsprogrammen bzw. Programmsegmenten aller Genres.
- Die Finanzierung dieses Fonds aus Mitteln der Wirtschafts- wie der Kulturförderung, und zwar sowohl von den Ländern als auch vom Bund.
- Die anteilige Beteiligung aller Bundesländer an diesem Fonds, auch wenn nicht in allen Bundesländern ähnlich viele förderfähige Verlage ansässig sind: Verlage arbeiten und publizieren überregional, unabhängig von ihrem Standort und beschäftigen dabei auch länderübergreifend „Freie“ aus der Kreativwirtschaft. Ihre Veröffentlichungen kommen allen Leserinnen und Lesern hierzulande zugute.
- Eine Aufteilung der Förderung in verschiedene Tranchen für die Bereiche Herstellung, Presse, Vertrieb, digitale Entwicklung, Werbung usw. (ähnlich dem österr. Modell).
Wir fordern alle Politikerinnen und Politiker aus den Ressorts Wirtschaft und Kultur auf, sich zu diesem Vorhaben zu bekennen, daran mitzuwirken, es in den Parteiprogrammen und in den Koalitionsverträgen der neuen Bundesregierung zu verankern, es anschließend gemeinsam mit den Länderkulturverwaltungen und dem Kulturausschuss der Kultur-MK umzusetzen und so die verlegerische Vielfalt auch in Zukunft zu erhalten.
Wenn die Politik klar Kriterien definiert, haben wir nochmehr Bücher, die keiner will, noch mehr Bücher, die vor dem Verkauf in der Tonne landen. Weder brauchen wir eine Reichsschrifttumskammer, noch eine Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel.
Die fatale Entwicklung sehen wir bereits in der Filmförderung, siehe Diversity-Checklisten.
Es gibt zahlreiche Kleinstverlage, die nicht nur ein gefragtes Programm haben, sondern auch in der Lage sind, mit modernen Mitteln ihre Bücher bekannt zu machen und zu verkaufen. Die meisten davon handelten aus der Not heraus, Stichwort Cancel Culture.
Besser ist, man stellt sich den Marktbedingungen als auf Almosen zu hoffen, die es nicht umsonst geben wird.
Besser ist, man überarbeitet seine Website und integriert einen Webshop als auf Besprechungen zu hoffen. Zeitungsauflagen sinken, Zwangsrundfunk hört kaum noch jemand.
Besser ist, man überlegt ob man sich am Gendern und ähnlichem Schwachsinn beteiligt (siehe auch in der heutigen Welt "100 Gründe gegen das Gendern (und 2 dafür); bewahrt die Eleganz der Sprache!").
Besser ist, man investiert ins Lektorat als in Nachhaltigkeitsbeauftragte.
Nur wenn es keine staatliche Förderung gegen wird, bleibt die "einzigartig vielfältige deutsche Buch- und Verlagslandschaft" erhalten.