Messestand in Corona-Zeiten

Neue Blickachsen berücksichtigen

18. Juni 2020
von Börsenblatt

Ein Buchmessestand in Corona-Zeiten zu gestalten ist eine Herausforderung. Expertin Sabine Gauditz gibt Anregungen, wie kreativ die Verlage mit der aktuellen Situation umgehen können und worauf sie unbedingt achten sollten.

Der Messeauftritt in Zeiten von Covid 19 bringt ganz neue Herausforderungen mit sich. Schon bei der Planung stellt sich das Gefühl ein "nichts ist mehr so wie es war". Doch es gibt nicht nur zusätzliche Hygienevorschriften und Abstandsregelungen, sondern auch ganz neue Möglichkeiten sich als Aussteller zu präsentieren.

Zusätzlich zur gebuchten Standgröße bekommt jeder Aussteller kostenlose Quadratmeter von der Messe gratis dazu. Das bedeutet: Mehr Raum für kreative Gestaltungsmöglichkeiten steht zur Verfügung, der genutzt werden sollte. Die Gänge haben eine Breite von 6 bis 8 Metern. Dadurch müssen veränderte Blickachsen auf den Stand mit eingeplant werden - und eine gute Fernwirkung der Präsentation zahlt sich aus. 1,5 Meter vor dem Stand ist eine erweiterte Kommunikationsfläche, bzw. ein Wartebereich angedacht – auch dafür sind kreative Ideen gefragt. Kunststoff-Scheiben kommen vermutlich verstärkt zum Einsatz und bieten nicht nur Sicherheit, sondern auch eine neue Fläche, die es zu gestalten gilt.

Der erste Kontakt ist immer visuell

Die erste Frage bei jeder Messeplanung lautet: Wie kann ich mich als Verlag/Hersteller/Dienstleister optimal präsentieren? Was sind meine Werte, Stärken und Inhalte? Wie kann ich meinen USP darstellen? Der erste Kontakt zwischen Messestand und Besucher ist immer visuell, dies hat sich mit Covid 19 nicht geändert sondern eher verstärkt. Ebenso wenig wie sich das Budget für den Messeauftritt vergrößert hat – vermutlich geht es nach wie vor darum die Kosten in Grenzen zu halten.

In Zeiten neuer Herausforderungen und großer Unsicherheit ist eine emotionale Bindung an ein Unternehmen (eine Marke) fast noch wesentlicher als das Produkt (also das neue Buch). Verlage müssen sich selbst und ihre Produkte mit zusätzlichen emotionalen Content aufladen und eine authentische und ehrliche Kommunikation mit ihren Lesern pflegen. Und diese Werte sollten sich nach Möglichkeit in der Standgestaltung widerspiegeln. Wer beispielsweise für Nachhaltigkeit und Ökologie steht, kann diese Philosophie mit recycelten Bauholzmöbeln, Solarlampen, Upcyclingprodukten oder Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen wie Bambus am Messestand darstellen.

Den "Luftraum" über dem Stand nutzen

Zuerst gilt es aber nach wie vor, die Aufmerksamkeit der Besucher zu bekommen. Mit Licht, Farbe und großformatigen Bildern gelingt das immer. Bei einem Standard Systemstand könnte zum Beispiel eine zusätzliche eigene Wand vorgeblendet werden, die vollflächig mit einer Fototapete, einer Collage der neuen Buchcover oder einer ansprechenden Farbe gestaltet wird. Die Kosten hierfür halten sich in Grenzen, aber die emotionale Wirkung gegenüber einer weißen oder hellgrauen Wand, an der zwei Poster mit Klebeband befestigt sind, ist enorm.

Auch ein spannender Bodenbelag wertet den Stand (und somit auch die Bücher) optisch auf und weckt Neugier bei "müden Messeaugen" und eventuell "Corona-gestressten Messebesuchern".

Da es Abstandsregelungen und eine Begrenzung der Besucherzahl am Messestand geben wird, sollte bei der Planung geprüft werden, inwieweit es möglich ist, den "Luftraum" über dem Stand zu nutzen. Kann z.B. eine Art "Turm" aus Europaletten gebaut werden, der im unteren Bereich Raum zur Präsentation der Neuerscheinungen bietet und sich oben als Bühne für Autorenlesungen, Buchvorstellungen usw. nutzen lässt? Vielleicht lassen sich auch erhöhte Stühle (wie der Schiedsrichter beim Tennismatch oder der Bademeister im Freibad) als Standgestaltung umsetzen, um gut sichtbar zu sein und den Abstand von 1,50 Meter einzuhalten.

Digitale Medien in den Stand einbeziehen

Auf jeden Fall ist es ein Pluspunkt, wenn Digitale Medien mit in die Standgestaltung einbezogen werden. Über QR-Codes / Bildschirme / Projektionen, kann der Besucher an der Außenwand des Standes an der Theke oder von oben abgehängt, mehr über einen Buchtitel oder ein Thema erfahren. Möglich wäre z.B. ein kleiner Film, in dem der Autor über sein Buch spricht. Oder jeder Verlagsmitarbeiter stellt eine Neuerscheinung vor. Damit zusätzlich der Verlag "erlebbar" wird könnte eine Art "Making Off" die Coverfindung für das Buch oder den Alltag im Lektorat usw. darstellen. Dabei geht es natürlich um Inhalte, aber vor allem um Emotionen.

Wer sich auf die alten "Kaufmannstugenden" in der Standgestaltung zurückbesinnt, muss nur überlegen, wie der "Thekenverkauf" früher im Tante-Emma-Laden funktioniert hat - und dies auf den Messestand übertragen.

Wird eine größere Standfläche bespielt, sollte man auf die Wände so weit als möglich verzichten und eher mit freistehenden Präsentationsmöglichkeiten wie Säulen oder Kuben arbeiten. Damit wird, mit genügend Abstand, ein Betrachten von mehren Seiten gleichzeitig ermöglicht. Oder man präsentiert die Bücher auf einem Laufband (wie im Sushi-Restaurant) und nähere Informationen kann man sich als "Karten" mitnehmen.

Wartezeit vor dem Stand verkürzen

Ein Plus Punkt ist es sicher, die Hinweise auf Abstandsregelung "spielerisch" zu nutzen, z.B. mit Markierungen auf dem Boden in Form von Textfragmenten oder wie bei einem Gesellschafts-Spiel ("Gehen Sie nicht über Los, ohne zu würfeln"). Eventuell entstehende Wartezeit vor dem Stand mit Lesestoff, Quizfragen oder kleinen Naschereien und Erfrischungsgetränken usw. verkürzen.

Wie auch immer die Standgestaltung ausfällt, sorgen Sie für Kurzweile trotz Wartezeiten und gute Stimmung an allen Messetagen. Masken können lästige Begleiter sein, oder fröhlich gestaltet ein begehrtes Giveaway werden. Ideen für jedes Budget, gibt es viele. Für einen erfolgreichen Messeauftritt, muss der Messestand auf jeden Fall visuell und emotional ein Highlight sein, wenn der persönliche Kontakt, eingeschränkt durch Corona, nicht ganz so wie gewohnt stattfinden kann.

 

Sabine Gauditz

ist gelernte Schauwerbegestalterin und hat lange Jahre im Nürnberger Buchhaus Campe die Abteilung Dekoration und Ambiente geleitet. Sie ist Mitinhaberin der Beratunsgfirma und Agentur Arte Perfectum (www.arte-perfectum.de). Sie ist Autorin des Bandes "Schaufenster als Spiegel der Geschäfte" (Bramann).