Piper Verlag im Rechtsstreit erfolgreich
Das aktuelle BGH-Urteil zum Buchtitel "Nie wieder keine Ahnung" liefert hilfreiche Leitplanken zu Titelrechtsfragen. Rechtsanwalt Konstantin Wegner erläutert den Fall.

Konstantin Wegner
Das aktuelle BGH-Urteil zum Buchtitel "Nie wieder keine Ahnung" liefert hilfreiche Leitplanken zu Titelrechtsfragen. Rechtsanwalt Konstantin Wegner erläutert den Fall.
Konstantin Wegner
Buchtitel prägen das Profil eines Verlagsprogramms, bieten Kundenorientierung, sind Verkaufsargumente und zugleich Schutzobjekte. Daher ist es wichtig, die Kriterien des Titelschutzes zu kennen. In einer aktuellen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof (BGH) den Rahmen dafür klarstellend und hilfreich abgesteckt. Der Streit um den Titel "Nie wieder keine Ahnung" liefert praktische Leitplanken für den Umgang mit Werktiteln – und gibt Verlagen bessere Orientierung, wann Konflikte drohen und wann nicht.
Vergleichbare Fälle werden viele Verlage kennen: Ein Fernsehsender (SWR) hatte 2009 eine Titelschutzanzeige für seine Sendung "Nie wieder keine Ahnung", geschaltet. Es folgten Ende 2009 Ausstrahlungen von Beiträgen mit diesem Titel im Rahmen der Sendung "Planet Schule" über Malerei und Architektur. Ergänzende Materialien, darunter auch ein begleitendes Buch wurden veröffentlicht. Das Buch hatte einen anderen Titel und ist seit Jahren nicht mehr lieferbar.
2021 brachte der Piper Verlag ein Sachbuch unter dem Titel "Nie wieder keine Ahnung" mit einem anderen inhaltlichen Fokus heraus: Politik, Wirtschaft, Kultur. Autor:innen waren die bekannten Kinder- und Jugendmoderator:innen des ZDF-Formats "logo!"“. Ergänzend erschienen ein Hörbuch sowie eine E-Book-Ausgabe mit ebenfalls diesem Titel.
Der SWR fühlte sich durch den gleichlautenden Titel in seinen Rechten verletzt und klagte u.a. auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz. Nachdem das Landgericht Stuttgart der Klage zunächst stattgab, kippte das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) die Entscheidung und wies die Klage ab. Der BGH bestätigte nun das Berufungsurteil des OLG und nutzte die Gelegenheit, um zentrale Grundsätze zum Werktitelschutz noch einmal prägnant zusammenzufassen und mit einigen Missverständnissen aufzuräumen.
Zunächst zum einfachen Teil: Der SWR hatte für seinen Sendebeitrag Titelschutz für "Nie wieder keine Ahnung" erlangt - und Piper hatte den identischen Titel für seine Publikation genutzt. Beides allein genügt aber noch nicht. Entscheidend ist die Frage: Besteht Verwechslungsgefahr?
1. Unterschiedliche Werkarten: Keine unmittelbare Verwechslungsgefahr
Der BGH macht klar: Es gibt verschiedene Arten der Verwechslungsgefahr. Grundsätzlich sind Werktitel nur gegen die sog. unmittelbare Verwechslungsgefahr geschützt. Dies bedeutet, dass das angesprochene Publikum das eine Werk für das andere hält, also im Wortsinne: diese Werke miteinander verwechseln kann. Das kann naturgemäß bei einem Buch und einer Sendung nicht der Fall sein. Dass beide denselben Titel verwenden, reicht also nicht, um von einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr auszugehen. Titelschutz besteht grundsätzlich nur innerhalb einer Werkart.
2. Mittelbare Verwechslungsgefahr und Herkunftsfunktion: Bekanntheit erforderlich
Nur ausnahmsweise können Titel auch werkartenübergreifend gegen die sog. mittelbare Verwechslungsgefahr (vom BGH unmittelbare Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne genannt) geschützt sein. Dies ist der Fall, wenn der Titel nicht (nur) der Unterscheidung des einen Werks von einem anderen dient, sondern er beim Publikum auch als Herkunftshinweis auf den Verlag, Sender oder Produzenten wahrgenommen wird. Denn dann kann der Eindruck entstehen, dass es sich um ein Buch zum Film oder ein verfilmtes Buch handelt, das letztlich aus einem Haus stammt, dieselbe Herkunft hat. Das erfordert eine hinreichende Bekanntheit des Titels. Diese konnte der SWR nicht nachweisen: Die vorgelegten Zuschauerzahlen, Webseitenabrufe und der Verweis auf das begleitende Buch reichten dem BGH nicht aus, um eine solche hinreichende Bekanntheit anzunehmen.
Darüber hinaus verlangt der BGH, dass "ein gewisser sachlicher Zusammenhang" zwischen den sich gegenüberstehenden Werken besteht. Es muss also inhaltliche Überschneidungen geben (was etwa bei einer bekannten fiktionalen TV-Serie und einem gleichnamigen Kochbuch nicht der Fall wäre, so dass trotz Bekanntheit der TV-Serie keine Verwechslungsgefahr bestünde).
3. Sonderfall Serientitel
Eine mittelbare Verwechslungsgefahr kann schließlich auch bestehen, wenn der angesprochene Verkehr den Titel als Teil einer bekannten Serie versteht. Auch hier steht der Herkunftsgedanke im Vordergrund. Der Titel "Der SPIEGEL" etwa bezeichnet nicht ein Werk, sondern wöchentlich wechselnde Werke – aber alle mit derselben Herkunft aus dem Haus des SPIEGEL-Verlags. Dementsprechend nimmt der Verkehr bei einer gleichnamigen Sendung an, dass sie aus diesem Hause stammt – der Titelschutz gilt dann werkartenübergreifend. Auch bei Büchern sind derartige Serientitel denkbar – "Harry Potter und ….", "Das Lied von Eis und Feuer" oder "Die Tribute von Panem" sind Beispiele. Hierzu fehlten im Fall des SWR die Anhaltspunkte. Es lag keine fortlaufende Werkreihe oder eine ähnliche, schon gar nicht hinreichend bekannte Serienstruktur vor.
4. Schutz bekannter Titel (§ 15 Abs. 3 MarkenG): Nur für Mega-Bestseller
Schließlich prüfte der BGH noch den erweiterten Schutz bekannter Werktitel gegen Ausnutzung und Verwässerung – die Verwechslungsgefahr spielt hier keine Rolle mehr. Dieser erweiterte Schutz ist allerdings nur Mega-Bestsellern vorbehalten. Der Titel muss nach der Rechtsprechung nicht bloß eine „hinreichende Bekanntheit“ haben, sondern einem "bedeutenden Teil des Publikums" bekannt sein. Das dürfte bei den genannten Buchserien und Bestsellern der Fall sein. In dem aktuellen BGH-Fall lautete hingegen das Fazit: Wenn schon keine "hinreichende", dann erst recht keine "bedeutende" Bekanntheit des SWR-Titels – und damit auch kein erweiterter Schutz.
Die BGH-Entscheidung schafft mehr Klarheit und sorgt für etwas mehr Gelassenheit bei der Titelauswahl:
Für Programm, Vertrieb und Rechtsabteilungen ist die BGH-Entscheidung eine gute Orientierungshilfe. Zwar bleibt jeder Einzelfall unterschiedlich, doch die Risiken sind oft geringer, als es auf den ersten Blick scheint. Eine gründliche Titelrecherche bleibt dennoch Pflicht, um die Risiken einschätzen zu können.
Konstantin Wegner arbeitet als Rechtsanwalt bei der Kanzlei SKW Schwarz in München. Im Fokus seiner Arbeit steht die Beratung von Medien- und Verlagshäusern, insbesondere von Buch- und Zeitungs- / Zeitschriftenverlagen sowie Filmproduktionsgesellschaften. Seit 2009 ist Konstantin Wegner auch Justiziar des Börsenvereins des deutschen Buchhandels / Landesverband Bayern sowie Lehrbeauftragter der Ludwig-Maximilians-Universität München.