Passt das zum bürgerlichen Bild, das die meisten mit Thomas Mann verbinden – und das er selbst auch kultiviert hat? Wolfram Weimer sieht darin keinen Widerspruch. Seine literarische Kraft, die Magie der Sprache mache Thomas Mann zu einer eigenen Kategorie, zum Teil „unserer literarischen Identität“. Er bewundere den Autor aber auch als politische Figur, „weil er die Stimme erhoben, sich sehr klar positioniert hat – und zwar aus dem Kosmos eines bürgerlichen Selbstbewusstseins heraus.“
Der effektivste Widerstand gegen die Feinde der Demokratie, so Weimer, komme aus der breiten Mitte der bürgerlichen Gesellschaft. Schon früh habe Thomas Mann die „Brandmauer“ in der Weimarer Republik definiert.
Liest man die Werke von Thomas Mann mit Blick auf das Erstarken der Autokratien heute anders, fragte Moderatorin Mara Delius in die Runde: „Wir lesen sie überhaupt wieder!“ Das ist für Autorin Nora Bossong, 2020 mit dem Thomas-Mann-Preis ausgezeichnet, besonders wichtig.
Sie warnte davor, allzu viele Parallelen zwischen der Weimarer Republik und der aktuellen politischen Lage zu ziehen: „In der Geschichte zu lesen, um Antworten für die Gegenwart zu finden – das hat Grenzen.“