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Leerer Desktop

10. September 2020
von Marcus Schuster

Ihr Buch über konsequentes Aufräumen in den eigenen vier Wänden wurde zu einem weltweiten Bestseller. Nun hat Marie Kondo einen Ratgeber über Ordnung am Arbeitsplatz veröffentlicht.

Pablo Picasso, Albert Einstein und Steve Jobs – drei kreative Genies, die ziemlich chaotisch gewesen sein sollen. Sie sind aus Sicht von Marie Kondo Ausnahmen. Denn normalerweise verdirbt ein unstrukturierter, überfrachteter Arbeitsplatz einem über kurz oder lang nicht nur die Freude am Job, sondern hemmt auch die Produktivität.

Nach dem Weltbestseller »Magic Cleaning. Wie richtiges Aufräumen Ihr Leben verändert« widmet sich die Japanerin in »Joy at Work. Aufgeräumt und erfolgreich im Arbeitsleben« (Wunderlich / Rowohlt, 224 S., 20 Euro), das sie zusammen mit dem Organisationspsychologen Scott Sonenshein geschrieben hat, der Ordnung im Büro.

»Ordnung steigert die Leistung und gleichzeitig die Arbeitsfreude«, weiß Kondo aus eigener Erfahrung. Unordnung hingegen überfordert das Gehirn. Mit gravierenden Folgen: »Wir verlieren die Kontrolle und büßen unsere Entscheidungsfähigkeit ein, wenn wir mit Dingen, Informationen und Aufgaben überflutet werden.«

Außenwirkung

Wer es nicht fürs eigene Wohlbefinden braucht, sollte zumindest die Außenwirkung bedenken. Denn anders als das eigene Zuhause ist der Arbeitsplatz oftmals den Blicken anderer ausgesetzt. Je ordentlicher es dort aussieht, »desto wahrscheinlicher ist es, dass der betreffende Mitarbeiter als ehrgeizig, intelligent, warmherzig und ruhig eingeschätzt wird«, zitiert Kondo aus Studien. Ordnungsliebende Menschen gewinnen demnach leichter das Vertrauen ihrer Kollegen und werden eher befördert.

Als die Aufräumpäpstin selbst einmal am Flughafen von einem Leser mit einem zugemüllten Startbildschirm auf dem Laptop ertappt wurde, hat sie sich geschworen, auch ihr digitales Leben aufzuräumen. Denn auch virtuelles Chaos wird für den modernen Menschen zunehmend zum Problem. »Man kann heute mit Leichtigkeit alles speichern – und zwar in solch einem Ausmaß, dass wir die Kontrolle über eine Technik verlieren, die eigentlich entwickelt worden ist, um uns die Arbeit zu erleichtern.«

Ordnungssucht

Wer das ändern möchte, dem empfiehlt Kondo, sich durch jede Datei und jeden Ordner zu wühlen und sich dabei drei Fragen zu stellen: »Benötige ich diese Datei für meine Arbeit? Liefert sie mir eine Anleitung oder Inspira­tionen für zukünftige Arbeitsprozesse? Löst diese Datei ­Freude in mir aus?« Bei dreimal Nein sollte sie gelöscht werden. Wer es geschafft hat, Ordnung in seinen digitalen Hinterhof zu bringen, kann wie Kondo versuchen, künftig nur noch mit drei Hauptordnern zu arbeiten: laufende Projekte, Unterlagen (Dokumente, die regelmäßig benötigt werden) und gespeicherte Arbeit aus der Vergangenheit. Für Kondo ist der Desktop genauso ein Arbeitsort wie ein Schreibtisch – man sollte dort nur Dateien ablegen, die man unmittelbar benötigt.

Die Belohnung dafür komme jeden Morgen, wenn man den Rechner hochfahre: »Die Freude, die ein aufgeräumter Desktop versprüht, hat geradezu Suchtpotenzial.«

Die Freude, die ein aufgeräumter Desktop versprüht, hat geradezu Suchtpotenzial.

Marie Kondo