Stellenmarkt

Passen Sie auf sich auf!

11. Juni 2021
von Börsenblatt

Wer ausgebrannt ist, kann weder arbeiten noch seine Arbeitsbedingungen zum Positiven verändern. Von Zeit zu Zeit sollte man in sich hineinspüren und schauen, ob im Job noch alles passt.

Ich hatte mal eine Lehrerin, die in meinen Augen die personifizierte Unzufriedenheit war: humorlos und ohne jede Aufmerksamkeit für uns Schüler*innen. So frustriert wollte ich auf keinen Fall später im Beruf enden. Seither ist es ein No-Go für mich, aus Gewohnheit einen schlechten Status quo zu akzeptieren. Wie kann es überhaupt so weit kommen, dass man ausbrennt? Ganz bestimmt hatte auch meine Lehrerin ursprünglich mal eine Leidenschaft für ihr Fach. 

Vor dem Burn-out abspringen

Der Workload steigt stetig – logisch, denn mit der Erfahrung steigt die Kapazität. Nur eben nicht unbegrenzt. Irgendwann kommt der Moment, an dem ein Nein angebracht wäre. Beim ersten Mal kommt es einem natürlich nicht über die Lippen. Beim zweiten Mal vielleicht noch immer nicht. Und dann wird die Belastung immer ein Stückchen größer: ein zeitlich begrenztes Projekt? Nimmt man noch mit. Ist ja auch eine Qualifikation mehr. Ineffiziente, zeitraubende Arbeitsabläufe durch die Corona-Situation? Wird schon vorbeigehen. Das passiert so lange, bis klar ist, dass es so nicht weitergehen kann.

Doch wenn diese Erkenntnis sich nicht mehr leugnen lässt, ist es zu spät! Um einen neuen Weg einzuschlagen, braucht es Kraft und Energie. Die kann niemand aufbringen, der dem Burn-out nahe ist. Passen Sie auf sich auf – niemandem ist geholfen, wenn Sie jeden Tag ausgelaugt am Schreibtisch sitzen oder im Laden stehen. Am Ende hat ja auch Ihr Arbeitgeber oder Ihr Geschäft am meisten davon, wenn Sie ausgeglichen sind, wenn Sie frei und frisch denken und ab und zu einen Blick über den Tellerrand tun können. 

Mit Leidenschaft

Bitte spüren Sie von Zeit zu Zeit in sich hinein und stellen Sie fest, ob Ihr Berufsleben noch zu Ihnen passt. Findet sich die Passion, die man während der Teen­agerzeit entwickelt hat, noch im Job wieder? Sind andere Interessen und Fähigkeiten dazugekommen? Oder lässt einen nur der Individualismus zweifeln, dieser allgegenwärtige Trend?

Selbst wenn Sie nur kleine Dinge ändern wollen, ist Freiraum zum Denken nötig: für den Schritt, innerhalb der aktuellen Arbeit die Bedingungen zu verbessern, mutig vorzutreten und seine Bedürfnisse samt Lösungsvorschlägen zu formulieren. Ein Bewerbungsprozess braucht erst recht Zeit und Überlegungen, Recherche und Schreibarbeit. Wenn Sie eine ganz neue Richtung einschlagen wollen, steht sogar ein kleinteiliger Prozess an, im Zuge dessen Sie sich mit Ihren Stärken, Schwächen, Wünschen, Zielen und Kapazitäten auseinandersetzen. Dies alles auszuloten, diese Glut zu schüren, das geht nur nach ­Feierabend – mit dem Feuer, das noch übrig ist, wenn man nicht ausgebrannt ist.

ZUR PERSON

Veronika Weiss (36) hat Germanis­tik und Musikwissenschaften ­studiert; sie arbeitet bei HarperCollins als Lektorin und frei als Texterin. Im Börsenblatt schreibt Weiss über Trends in der Arbeitskultur, ­Berufseinstieg und Work-Life-Balance.
 

Veronika Weiss