Dölling und Galitz zieht unter das Dach von Junius

"Zwischen Liebesheirat und Vernunftehe"

25. Januar 2024
von Michael Roesler-Graichen

Von Hamburg-Ottensen nach Hamburg-Bahrenfeld: Der Verlag Dölling und Galitz findet unter dem Dach des Junius Verlags eine neue Heimat. Beide Verlage haben sich gegenseitig schon viele Jahre als "freundliche Konkurrenten" betrachtet und vereinen jetzt ihre Stärken. Junius-Verleger Steffen Herrmann und Robert Galitz über den Wechsel und die künftigen Perspektiven.

Dölling und Galitz / Junius Verlag

Haben das Zusammengehen beschlossen: Maren Schlierkamp (Herstellung und Presse Junius Verlag), Steffen Herrmann (Geschäftsführer Junius Verlag), Robert Galitz (Verleger), Sabine Niemann (Verlagsleiterin Dölling und Galitz; von links nach rechts)

In der Szene der Independents ist derzeit einiges in Bewegung. Ob aus Altersgründen, oder um das wirtschaftliche Überleben des Verlags zu sichern – oder auch aus beiden Gründen – wechseln einige Verlage den Besitzer oder gehen Vertriebskooperationen ein. C.H. Beck gab im August bekannt, rückwirkend zum 1. Januar 2023 den Unionsverlag in Zürich übernommen zu haben; der Korbinian Verlag wird seit Januar vom März Verlag bei Presse- und Vertriebsarbeit unterstützt – und das Programm des Weidle Verlags wird seit Jahresbeginn als Imprint unter dem Dach von Wallstein weitergeführt.

Seit Januar 2024 gehört der Hamburger Dölling und Galitz Verlag zum ebenfalls in der Hansestadt ansässigen Junius Verlag. So wie bei der Übernahme von Weidle durch Wallstein handelt es sich um einen Asset Deal, wie Steffen Herrmann, Geschäftsführer von Junius, sagt: „Wir haben sämtliche Rechte und Buchbestände sowie die Markenrechte von Dölling und Galitz übernommen.“ Zudem wird Sabine Niemann, seit 2003 Verlagsleiterin, ihre Arbeit unter dem Dach von Junius fortsetzen. „Sie trägt durch ihre Person die Kontakte und das Profil des Verlags weiter“, sagt Verleger Robert Galitz.

Mit der Übernahme war auch ein Auslieferungswechsel verbunden. Die Lagerbestände wurden in den ersten Januartagen von der VVA in Gütersloh zu Brockhaus Commission nach Kornwestheim transportiert und dort eingelagert; nach einer kurzen Zwischenphase können jetzt die ersten Dölling und Galitz-Titel wieder ausgeliefert werden. Die ISBN der Titel wurde intern auf Junius übertragen, sodass keine neue ISBN-Vergabe notwendig geworden sei, so Galitz.

Es wird auch weiterhin hochwertig ausgestattete Bücher geben. Am Erscheinungsbild wird sich nichts ändern.

Robert Galitz

Dölling und Galitz (DuG) wird als Imprint in der Junius Verlag GmbH mit breiter Backlist fortgeführt. "Es wird auch weiterhin hochwertig ausgestattete Bücher geben", sagt Galitz. "Am Erscheinungsbild wird sich nichts ändern." Dies auch deshalb nicht, weil die Buchgestalterin Annalena Weber weiterhin für den Verlag tätig sein wird. Zudem wird es weiterhin getrennte Vorschauen für beide Verlage geben, und die Marken werden selbständig weitergeführt. Auch die Pressearbeit liegt jeweils in der Hand der Verlage, bei Dölling und Galitz ist Natalie Fingerhut die Ansprechpartnerin.

Der Vertrieb und das Marketing, so Steffen Herrmann, werden zusammengeführt – allein schon deshalb, "weil es bei den Adressen eine fast hundertprozentige Überschneidung gibt". Eine Ausnahme sind die Universitätsbuchhandlungen, die Junius-Titel, und die Architekturbuchhandlungen, die DuG-Titel beziehen. Und noch ein Unterschied: Während DuG noch längere Zeit mit Vertretern gearbeitet hat, hat Junius sehr früh mit der direkten Betreuung des Buchhandels begonnen.

Bei Junius in Bahrenfeld werden künftig beide Verlage auf einer Bürofläche sitzen, weshalb gerade Umbauarbeiten stattfinden. "Sie bleiben aber als unterschiedliche Verlage auf der Fläche sichtbar", so Herrmann.

Der Grund für das Zusammengehen liegt zunächst darin, die Stärken beider Verlage zusammenzuführen. "Das ist ein über zehn Jahre alter Wunsch", sagt Galitz. "Wir haben uns 2014 das erste Mal getroffen“, fährt Steffen Herrmann fort, "und zwar, als das Fußball-WM-Halbfinale Deutschland gegen Brasilien lief, das mit 7:1 endete. Und wir mochten uns, obwohl wir ja Konkurrenten waren, zum Beispiel bei Ausschreibungen für Museumskataloge." "Vor fünf Jahren haben wir dann ein gemeinsames Buch mit dem Fotografen Günter Zint gemacht, weil wir beide Interesse daran hatten. Daraus wurde dann eine Publikation mit zwei Verlags-Logos und zwei ISBNs“, erzählt Robert Galitz. Es gab auch Fälle, in denen der eine Verlag dem anderen ein Buchprojekt weiterempfahl. "Man kann von freundschaftlicher Konkurrenz sprechen", so Herrmann.

Wir haben uns 2014 das erste Mal getroffen, und zwar, als das Fußball-WM-Halbfinale Deutschland gegen Brasilien lief, das mit 7:1 endete. Und wir mochten uns, obwohl wir ja Konkurrenten waren, zum Beispiel bei Ausschreibungen für Museumskataloge.

Steffen Herrmann

Es überrascht daher nicht, dass es programmatisch einige Gemeinsamkeiten gibt, vor allem bei den Regionalia zu Stadtgeschichte, Architektur und eben Fotografie. Eine Alleinstellung hat Junius mit seiner wissenschaftlichen Reihe "… zur Einführung", die rund 215 lieferbare bzw. vorbestellbare Titel umfasst. Im Programm von Dölling und Galitz wiederum spielen die Judaica eine besondere Rolle, die meist auch einen lokalen Bezug haben. "1990 erschien das erste Buch mit einem jüdischen Thema, die Lebenserinnerungen von Ingrid Warburg Spinelli", erinnert sich Robert Galitz. Seither haben sich die Judaica zu einem Programmschwerpunkt entwickelt, mit Autorinnen und Herausgeberinnen wie Miriam Gillis-Carlebach, einer Tochter des Hamburger Rabbiners Joseph Carlebach, der 1942 von der SS in der Nähe von Riga mit seiner Frau und drei jüngeren Töchtern ermordet worden war.

Zuletzt erschien im Oktober das Buch "Kriegskind. Eine jüdische Kindheit in Hamburg" von Marione Ingram, die heute in den USA lebt. "2024 soll sie nach Hamburg kommen und wird dann bei ihrem Besuch von Sabine Niemann und Steffen Herrmann gemeinsam begleitet", so Galitz.

Mit dem Verkauf von Dölling und Galitz zieht sich der 67-jährige Robert Galitz aus dem aktiven Verlegerleben zurück; er wird aber von ihm angestoßene Projekte weiter betreuen, darunter auch die Naturkundereihe. Für den Herbst ist ein Band mit spektakulären Rasterelektronenmikroskop-Aufnahmen geplant: "Drecksarbeit. Das Leben unter unseren Füßen" (ca. 136 S., ca. 30 €). Er zeigt, wie Kleinstlebewesen – Springschwänze, Amöben, Milben und viele mehr – den Boden oder Totholz bearbeiten und so die Grundlage allen höheren Lebens schaffen. Und dann gibt es noch ein privates Projekt Robert Galitz‘, das auf seine beruflichen Anfänge zurückgeht, als er als Lektor in einem vom Chefprogrammierer des Computer-Erfinders Konrad Zuse gegründeten Computerverlag arbeitete. Letzteren und die beiden anderen "Väter" des Computers, Alan Turing und John von Neumann, will Galitz in einer Dreifach-Biographie porträtieren.

Steffen Herrmann sieht seine Aufgabe darin, beide Verlage "wetterfest und frisch zu halten". Sowohl Junius als auch Dölling und Galitz stünden wirtschaftlich gut da, und der Zeitpunkt für die Zusammenlegung sei günstig gewesen. "Es ist keine Notgemeinschaft, sondern etwas zwischen Liebesheirat und Vernunftehe."