White-Label-Shops

Die Hoheit übers Sortiment behalten

5. April 2023
von Sabine van Endert und Charline Vorherr

Über die White-Label-Shops des Großhandels sind in den Onlineshops der Buchhandlungen auch Titel rechter Verlage zu beziehen – es sei denn, die Buchhändler:innen nutzen die Möglichkeiten, ausgewählte Titel für den eigenen Shop zu sperren.  Welche Möglichkeiten sind das? In welchem Maß werden sie vom Buchhandel genutzt? Und welche Gründe haben die Zwischenbuchhändler, ihre Kataloge möglichst vollständig zu belassen? Wir haben nachgefragt.

„Verstecktes Problem im deutschen Buchhandel aufgedeckt“, titelte in der vergangenen Woche die Plattform Buzzfeed – Buchhandlungen würden über die White-Label-Shops der Großhändler ungewollt rechte Literatur verkaufen. Das sei „ein Fehler im System, den offenbar niemand korrigieren will“, hieß es dort. Das Problem ist allerdings nicht neu. Der Widerwille vieler Buchhändler:innen, Bücher des Verschwörungstheoretikers Attila Hildmann unter ihrem Namen zu verkaufen, hatte im Sommer 2020 Zwischenbuchhändlern den Anstoß gegeben, Möglichkeiten der individuellen Auslistung von Titeln anzubieten. 

Hoheit über Online-Sortimente: Welche Möglichkeiten gibt es?

Libri 

In den White-Label-Shops von Libri können für den eigenen Onlineshop Titel ausgeschlossen werden. Allerdings machen nur wenige Buchhändler:innen Gebrauch davon. Eine aktuelle Auswertung unter den Nutzenden der White Label Shop-Lösung habe ergeben, dass bisher nur 1,1 Prozent der Buchhandlungen im Schnitt 350 Titel vom Verkauf in ihrem Onlineshop ausschließen, teilte Libri mit. Dem vereinzelten Wunsch, komplette Verlage zu sperren, ist Libri bisher nicht nachgekommen:  Auf Anfrage heißt es dazu: „Libri nimmt die Verantwortung für Meinungsfreiheit und Vielfalt im Buchmarkt ernst. Daher sind wir der Kampagne des Börsenvereins zur Woche der Meinungsfreiheit folgend – ‚Jedes Buch ist ein Stück Meinungsfreiheit‘ – der Meinung, dass jedes Buch die Chance auf individuelle Betrachtung verdient hat.“ Intern werde allerdings auch die Möglichkeit einer Verlagssperrung geprüft und diskutiert. Die Rückfragen von Seiten der Buchhandlungen nach einem solchen Feature seien bisher aber gering gewesen.

Umbreit

Umbreit hält Publikationen, sofern ihr problematischer Inhalt dem Barsortiment bekannt ist, nicht vorrätig und verkauft sie auch nicht an den Buchhandel. „Wenn wir auf einzelne Bücher, Autor:innen oder Verlage aus dem rechten Spektrum hingewiesen werden, prüfen wir diese eingehend und entscheiden dann, wie wir mit ihnen umgehen“, so die Aussage von Umbreit. Im Katalog, der UmbreitShopsolution zugrunde liegt, haben rechtsradikale, antisemitische, rassistische und demokratiefeindliche Bücher die Meldenummer26 „Titel wird nicht mehr am Lager geführt, wird nicht besorgt“. In den Onlineshops werden die Titel dann als nicht verfügbar angezeigt, wobei die Buchhandlungen die Möglichkeit haben, den angezeigten Text individuell anzupassen. Von einer Anpassung des Textes würde allerdings kaum Gebrauch gemacht, so Umbreit. Wenn Umbreit mit einem Verlag zusammenarbeite, würde in der Regel das komplette Programm gelistet werden - und über eine aktive oder eine passive Meldenummer gesteuert werden, ob der Titel bei Umbreit bestellbar ist oder auch nur recherchierbar.

Zeitfracht

Bei Zeitfrachts White-Label-Shop-Lösung können Buchhändler:innen nicht nur einzelne Titel, sondern auch ganze Verlage sperren. Wie viele Buchhandlungen in ihrem White-Label-Shop von Zeitfracht Medien davon Gebrauch machen, weiß man bei Zeitfracht nicht genau. „Wir werten das nicht systematisch aus. Wir gehen aber davon aus, dass die Anzahl der vorgenommenen Sperrungen eher gering ist“, heißt es auf Anfrage.

Meinungsfreiheit, Gesetzgebung und Vielfalt - die Positionen

Libri

„Mit Millionen nationaler und internationaler lieferbarer Titel im Angebot stehen wir für Vielfalt im Buchmarkt, die wir unseren Buchhandlungskunden zur Verfügung stellen wollen“, so Libri. Bei der Aufnahme der Titel in den Katalog richte man sich nach der geltenden Gesetzgebung: Titel, die nicht gegen Gesetze verstoßen oder die Rechte Dritter verletzen, können gelistet werden. Ein Ausschluss vom Vertrieb von Verlagsprogrammen oder von Teilen ihrer Verlagserzeugnisse obliege in einem Rechtsstaat den Gerichten und nicht einzelnen Wirtschaftsakteur:innen, so die Haltung des Zwischenbuchhändlers, denn: „Eine gesonderte Titelselektion hieße, eigene Bewertungskriterien über erlaubte Inhalte zu definieren. Diese weitreichende Entscheidung lässt sich auch nicht auf Grund rein formaler Kriterien wie der Zuordnung von Content zu einem Verlagshaus treffen. Eine solche Form der Kontrolle von Meinungsäußerung kann und darf nicht die Aufgabe des Buchgroßhandels sein.“ 

 

Allerdings erfolgt bei Libri eine über die reine Listung hinausgehende bezahlte Präsenz in den White Label-Shops nur nach eingehender Prüfung. „Texte, die antisemitische, gewaltverherrlichende oder sexistische Inhalte vertreten sowie Texte, in denen Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Religion oder ihrer sexuellen Orientierung herabgewürdigt werden, sind von dieser Werbemöglichkeit ausgenommen“, heißt es. Zusätzlich gehe Libri bei konkreten Hinweisen auf Texte mit rechtswidrigen, z.B. holocaustleugnenden oder volksverhetzenden Inhalten nach und prüft den entsprechenden Content auf seine Vereinbarkeit mit den gesetzlichen Vorschriften (z.B. dem Jugendschutz). Darüber hinaus stehe Libri auch mit dem World Jewish Congress in New York in Kontakt und werde auf seine Hinweise auf Texte von rechtskräftig verurteilten Holocaustleugnern umgehend tätig. Das gleiche gelte für Hinweise der Bundes- und Landes-Antisemitismusbeauftragten und durch den Zentralrat der Juden in Deutschland.

 

Umbreit

„Als Großhandelsunternehmen des deutschen Buchhandels distanziert sich Umbreit klar von allen rechtsradikalen, antisemitischen, rassistischen und demokratiefeindlichen Verlagen und Autor:innen. Nach unserer Einschätzung teilt der überwiegende Teil der Buchbranche diese Haltung, was nicht zuletzt auch an der diesbezüglich klaren Position des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels erkennbar ist“, so das Statement von Umbreit. Man habe sich allerdings bewusst dafür entschieden, problematische Titel nicht aus den Katalogdaten zu löschen und den Buchhandlungen diese Möglichkeit auch nicht individuell anzubieten. „Unserer Ansicht nach täte sich der Buchhandel keinen Gefallen damit, wenn man Titel, die nicht indiziert und an anderer Stelle auffindbar sind, nicht mehr recherchierbar macht und versucht, ihre Existenz totzuschweigen“, heißt es aus dem Unternehmen. Umbreit selbst versieht rechtsradikale, antisemitische, rassistische und demokratiefeindliche Titel in seinem Katalog mit einer speziellen Meldenummer, in den Onlineshops werden die Titel dann als nicht verfügbar angezeigt.  

 

Zeitfracht

Erlaubt ist, was nicht auf dem Index steht: „Wir arbeiten permanent mit der Indizierungsliste der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz und berücksichtigen die Indizierungen der Experten selbstverständlich für die Listung bzw. Sperrung in unseren Katalogen“, heißt es von Zeitfracht.