Buchtage Berlin: Logistikumfrage vorgestellt

Kleine Schritte

13. Juni 2018
von Christina Schulte
Die Branche kommt bei der Rationalisierung nur langsam voran: Die Remissionsquote ist hoch, bei Printbüchern wie bei E-Books. Das zeigt die aktuelle Logistikumfrage des Börsenvereins, die gestern auf den Buchtagen Berlin präsentiert wurde.

Im letzten Jahr feierte er Premiere, in diesem Jahr liegt er zum zweiten Mal vor: Der Fünfjahresvergleich der Logistikumfrage. So können aus der Untersuchung des Börsenvereins, die gerade frisch erschienen ist, nicht nur Schlüsse für das vergangene Jahr, sondern auch für die Entwicklung zwischen 2013 bis 2017 gezogen werden. Ein echter Mehrwert.

An der Erhebung, die am 12. Juni bei den Buchtagen Berlin auf der Fachgruppenversammlung der Zwischenbuchhändler vorgestellt wurde, haben sich in diesem Jahr acht Verlagsauslieferungen beteiligt. Ihr Gesamt­umschlag betrug 2,346 Milliarden Euro (print und digital, jeweils zu Nettoabgabepreisen) – im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einem leichten Minus von 0,27 Prozent. Print wurden 2,19 Milliarden Euro umgeschlagen, online waren es 156,5 Millionen Euro.

Größere Abweichungen zeigen sich bei der Kundenstruktur: Blickt man auf den Fünf-Jahres-Trend, so hat der stationäre Handel seit 2013 einen Verlust von fünf Prozentpunkten auf jetzt 51,1 Prozent zu verbuchen. 2016 verfügte der stationäre Buchhandel noch über einen Anteil von 51,49 Prozent (siehe Grafik 1). Eben jene fünf Prozentpunkte hat der Export hinzugewonnen, dessen Anteil von 10,6 Prozent auf 15,4 Prozent gestiegen ist.

Den wachsenden Exportwert führt Stefan Könemann, beim Börsenverein Vorsitzender des Ausschusses für den Zwischenbuchhandel, unter anderem auf die polnischen Logistikzentren von Amazon zurück.

Kaum Veränderungen sind beim zweitwichtigsten Kunden, dem Großhandel, zu konstatieren. Er hält seinen Anteil stabil bei rund 20 Prozent. Gleiches gilt für den Online- und Versandhandel inklusive Weltbild, der sich bei zehn Prozent eingependelt hat. Und auch der Anteil der Nebenmärkte (1,69 Prozent) und Endabnehmer ist relativ konstant (3,29 Prozent).
Etwas Bewegung kommt endlich in die Kennzahl zur Rechnungsstruktur / Bündelung. Mit 7,1 Exemplaren pro Position habe sich dieser Wert gegenüber dem Vorjahr zwar nur unwesentlich verringert, "im Fünfjahresvergleich jedoch erkennen wir eine Verbesserung", bilanziert Könemann.

Vor fünf Jahren lag er noch bei 6,7 Exemplaren (siehe Grafik 2). Nichts desto trotz seien die Sortimenter weiterhin gefordert, ihr Bestellverhalten zu überprüfen.

Es geht zuviel zurück

"Katastrophal", findet Könemann nach wie vor die Remissionsquote. Sie ist wertmäßig im Vergleich zu 2016 von 8,06 auf 8,49 Prozent des Umsatzes geklettert. Unter Rationalisierungsaspekten sei das ein Unding. "Die ganze Branche leidet unter den Kosten, die an hier produziert werden", so der Zwischenbuchhändler. Wenig tut sich auch beim Lagerumschlag, der sich in den vergangenen fünf Jahren zwischen 1,29 und 1,13 bewegt hat.

Wie viele Frei- und Rezensionsexemplare gehen an Buchhändler, Blogger, Journalisten? Auch dieses Frage beleuchtet die Logistikumfrage. Mit einem Anteil von 9,12 Prozent verlässt fast jedes zehnte Buch unberechnet die Verlagsauslieferung – ähnlich wie in den Vorjahren.
"Weiter so!": Das ruft Könemann den Sortimentern in puncto Bestellstruktur zu. 83,42 Prozent aller Aufträge sind 2017 elektronisch erfasst worden (siehe Grafik 3), 2013 waren es noch 79,67 Prozent.

Für Könemann ist das ein großer Fortschritt – und eine klare Abkehr von den "Steinzeitübermittlungen", sprich den manuell weiterzuverarbeitenden Bestellungen (Reisebestelllformulare, Fax, E-Mail, Telefon). Sie machen mittlerweile nur noch 16,58 Prozent des Ordervolumens aus.

Der Anteil der Reiseaufträge, die elektronisch oder per Bestellformular erfasst werden, liegt inzwischen nur noch bei 18,06 Prozent. Der Zwischenbuchhändler hat dafür mehrere Erklärungen:

  • Buchhandlungen, die klassische Reisekunden waren, schließen.
  • Filialisten und Onlinehändler bestellen ohne Vertreterbesuche.
  • Stationäre Händler reduzieren ihre Besuchstermine für Vertreter.

Diese Entwicklungen zeige das Dilemma der Vertreter und die Notwendigkeit, "warum wir dringend auf VLB-TIX setzen müssen", meint Könemann.

Kleine Päckchen Optimierungsbedarf gibt es bei der Sendungsstruktur. Kleinstsendungen unter zwei Kilogramm gelten durch die Portokosten als unrentabel, sind aber immer noch das begehrteste Versandformat. 34,11 Prozent aller Packstücke liegen unter dieser Gewichtsgrenze, 2013 betrug der Wert 32,8 Prozent (siehe Grafik 4). Damit ist im Mehrjahresvergleich sogar ein leichter Anstieg zu erkennen.

Auf ein Gewicht zwischen zwei und fünf Kilogramm kommen 13,31 Prozent der Packstücke. Die bezüglich des Portos rentablen und gut zu bewältigenden Packstücke im Bereich zwischen fünf und 20 Kilo machen immerhin fast die Hälfte aller Packstücke aus. Bei 2,84 Prozent der Pakete sind allerdings kräftige Muskeln gefragt: Hier gilt es 20 Kilo und mehr zu schleppen.

Wer transportiert all diese Päckchen und Pakete zu den Empfängern? Der Büchersammelverkehr! Er lieferte 2017 44,33 Prozent der Packstücke aus, bleibt damit jener Weg mit dem höchsten Anteil. Allerdings verliert der Büchersammelverkehr seit Jahren schon an die Konkurrenz: Paketdienste und Fracht. Seit 2013 kamen dem Sammelverkehr 3,5 Prozentpunkte seines Marktanteils abhanden.

Auch die Post ist auf dem Rückzug und muss sich im Fünfjahresvergleich mit jetzt 19,66 Prozent begnügen (2013: 31,7 Prozent). Profiteure sind die Paketdienste mit 21,45 Prozent (2013: 9,7 Prozent) sowie die Fracht mit 12,69 Prozent (2013: 9,9 Prozent).

Digitales Mini-Minus

Die Logistikumfrage erfasst natürlich auch die Digitalgeschäfte der Verlagsauslieferungen – sie werden seit 2014 mit einbezogen und analysiert. Für einige Kennzahlen liegt bereits eine Fünfjahresauswertung vor, bei anderen reichen einige Werte noch nicht so weit zurück.
Der digitale Gesamtumsatz der Umfrageteilnehmer zu Nettoabgabepreisen belief sich 2017 auf 156,5 Millionen Euro, im Vergleich zu 2016 ist dies ein leichtes Plus von 0,12 Prozent. Die Entwicklung von 2013 an zeigt eine kumulierte Steigerung von 74,5 Prozent: Damals wurden digital 89,7 Millionen Euro umgeschlagen.

"Seit 2013 haben wir ein großes Wachstum gesehen, ingesamt flacht die Wachstumskurve jedoch ab", resümiert Jens Klingelhöfer, Digitalexperte und Mitglied im Ausschuss für den Zwischenbuchhandel. Die Anzahl der direkt belieferten Händler je Teilnehmer liegt mittlerweile bei 62,8 (Vorjahr: 67,8). "Einige E-Book-Player sind durch Konsolidierungseffekte aus dem Markt gegangen", begründet Klingelhöfer den Rückgang.

Durchschnittlich 142 Verlage hat jeder Umfrageteilnehmer in der E-Book-Auslieferung (plus 1,16 Prozent). Zwischenzeitlich sei der Großteil der Verlage im E-Book-Bereich aktiv, so Klingelhöfer. Entsprechend ist auch die Anzahl lieferbarer E-Book-Titel gestiegen – um 45,05 Prozent auf jetzt 34 121 Titel. Klingelhöfer: "Die Erhöhung der Titelzahl ist offensichtlich nicht mehr der große Wachstumgstreiber für den E-Book-Markt." Es sei zu vermuten, dass wie schon im Vorjahr, viele Backlist-Titel für den Anstieg der lieferbaren Titel verantwortlich seien. In der Fünfjahres-Betrachtung hat sich die Anzahl der elektronischen Bücher je Teilnehmer insgesamt um 301,2 Prozent erhöht (siehe Grafik 5).

EPUB bleibt Spitze

Mit 62,26 Prozent erscheinen nach wie vor die meisten E-Books im EPUB-Format, gefolgt von PDF (42,43 Prozent) und Mobipocket (22,86 Prozent). Alle drei Top-Formate verzeichnen jedoch deutliche Rückgänge. Klingelhöfer folgert daraus: "Neue Titel werden nicht mehr in so vielen Formaten verfügbar gehalten." Wie in den Vorjahren ist die Nutzung proprietärer und interaktiver Formate à la Amazon KF 8 (14,36 Prozent) oder Apple iBooks Author (0,03 Prozent) eher niedrig.

Endkundenanteil steigt

Der Hauptvertriebsweg für E-Books bleibt der digitale Handel, über den 86,89 Prozent der Verkäufe abgewickelt werden. "Pay per download / Stückverkauf dominiert", fasst Jens Klingelhöfer die Zahlen zusammen. Während die Verleih- und Subskriptionsmodelle in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugelegt haben, sind sie 2017 bei einem Marktanteil von 8,61 Prozent nahezu konstantgeblieben.

Ein leichtes Plus ist bei der Lieferung an die Endkunden (Privathaushalte, Institutionen, Unternehmen) zu erkennen. Hier kletterte der Wert von 4,04 auf 4,48 Prozent. "Diese Entwicklung lässt einen Trend in Richtung direct-to-consumer erkennen", so die Einschätzung von Digitalexperte Klingelhöfer.

Natürlich werden auch digitale Werke unberechnet verschickt. Und von dieser Möglichkeit, Bücher zu Marketingzwecken gratis abzugeben, machen die Verlage offenbar auch sehr gerne Gebrauch. Die Zahl der kostenlos verteilten Bücher ist sichtlich angewachsen von 12,88 auf 16,21 Prozent. Damit wird ungefähr jedes sechste Buch ohne Berechnung weitergegeben.

Mehr E-Remittenden

Wie bei den gedruckten Büchern ist auch bei E-Books eine Analyse der Remissionen sehr aufschlussreich. Im Vergleich zu 2016 ist die Remissionsquote 2017 um 72 Prozent mehr als deutlich gestiegen – von einem Prozent auf 1,72 Prozent. "Fraglich bleibt", so Klingelhöfer, "ob dies durch eine größere Kulanz der Händler verursacht wird oder durch häufigere Rückgaben der Kunden auf Basis der seit 2014 geltenden Rückgaberegelung für die Verbraucher". Retrospektiv geht Klingelhöfer davon aus, "dass die Rückgaberegelung keine extremen Auswirkungen auf die Rückgabequote hatte".

Wohin werden die E-Books verkauft? Nahezu unverändert werden drei Viertel der Umsätze im Inland generiert, ein Viertel entsteht im Ausland. Davon wiederum werden 65 Prozent im deutschprachigen Ausland erwirtschaftet. Diese Zahl sei allerdings mit Einschränkungen zu betrachten, so Klingelhöfer. Nur ein kleiner Teil der Teilnehmer habe hierzu Angaben gemacht.
Zieht man als Kriterium die Zahl der abgesetzten Titel heran, werden 78,78 Prozent der Einheiten im Inland verkauft, 21,22 Prozent finden ihre Käufer im Ausland. Von diesen 21,22 Prozent wiederum werden mehr als 70 Prozent im deutschsprachigen Ausland unter die Leser gebracht – auch das ist lediglich eine Tendenzaussage, wie Klingelhöfer betont. Der Export in andere, nicht deutschsprachige  Märkte, "stellt für die deutschen Verlage ein lohnendes Zusatzgeschäft dar", weiß der Digitalexperte.