Offener Brief zum Deutschen Buchhandlungspreis

"... obwohl wir wie die Grubenponys arbeiten"

3. August 2017
von Börsenblatt
Gestern wurde die Liste der Nominierten für den Deutschen Buchhandlungspreis verkündet, prompt hagelt es Kritik − und zwar aus dem Ruhrgebiet. Die Mülheimer Buchhändlerinnen Brigitta Lange und Ursula Hilberath (Buchhandlung Hilberath & Lange) fragen sich − und die Kulturstaatsministerin, nach welchen Auswahlkriterien die Juroren arbeiten. boersenblatt.net veröffentlicht den Offenen Brief im Wortlaut.

Offener Brief

Liebe Frau Dr. Grütters,

liebe Jury, die über die Vergabe des Deutschen Buchhandlungspreises entscheidet, natürlich können Sie sagen "Ach, die sind doch nur beleidigt, weil sie leer ausgegangen sind" und unseren Brief sofort wegwerfen.

Und es stimmt:  wir sind auch wirklich sehr traurig, dass wir 2016 und 2017 nicht nominiert worden sind. Denn wenn wir unseren Kundinnen und Kunden glauben, dann sind wir doch die beste Buchhandlung der Welt.

Ich gönne unseren Kolleginnen und Kollegen wirklich jeden Preis dieser Welt, aber angesichts der Nominierungsliste drängen sich mir zwei Fragen auf und auf die hätte ich so gerne eine Antwort: 

  • Kann es wirklich sein, dass von 117 nominierten Buchhandlungen 12 in Berlin und 8 in Hamburg ansässig sind? Das sind zusammen immerhin 17 % der Nominierungen. Und in den Vorjahren war es genau so, nur noch berlinlastiger.

Der Bevölkerungsanteil der zwei Städte entspricht gerade mal 6,5 % der deutschen Gesamtbevölkerung und das sollte doch vielleicht auch irgendwie eine Rolle spielen?

Aber vielleicht beflügeln sich die Kolleginnen und Kollegen auf engstem Raum ja zu kulturellen Großtaten, die wir in unserem kleinen Vorort einer 160.000-Einwohner-Stadt nicht leisten, obwohl wir wie die Grubenponys arbeiten, um Buchkultur lebendig zu halten.

Was mir seit drei Jahren schmerzlich fehlt, ist eine Antwort auf die Frage: Was sind die Kriterien für die Vergabe des Preises?

Über eine Antwort würde ich mich und mit mir vermutlich alle anderen großartigen Buchhandlungen, die nicht nominiert wurden, freuen.

Herzliche, wenn auch irritierte, Grüße aus der Provinz

Brigitta Lange

P.S. Immerhin: dieser Brief hat für Sie ja einen Vorteil: Sie können jede weitere Bewerbung unsererseits direkt ablehnen, denn wir sind ja die Nörglerinnen aus dem Ruhrgebiet.

ARCHIV: Hier finden Sie alle Nominierten beim Deutschen Buchhandlungspreis 2017

Nachtrag (3. August, 14:50 Uhr):

Hier finden Sie die offiziellen Auswahlkritieren laut den Statuten des Deutschen Buchhandlungspreises:

auszeichnungswürdiges kulturelles Veranstaltungsprogramm: z. B. Lesungen und Kooperationen mit anderen Kulturträgern oder Bildungsinstitutionen, durch die das kulturelle Leben vor Ort bereichert wird;

• auszeichnungswürdiges literarisches Sortiment: z. B. breit gefächertes Sortiment mit erkennbarer Verfügbarkeit von Backlisttiteln, breites Angebot kleinerer und unabhängiger Verlage - auch im Kinderbuchbereich, Ausführungen von Einzelbestellungen, fremdsprachige Literatur;

• auszeichnungswürdige Lese- und/oder Literaturförderung: z. B. Lesungen, Autorenworkshops, Lesezirkel, Beteiligung mit Veranstaltungen im bundesweiten Vorlesewettbewerb, Kooperationen mit Bildungsinstitutionen, Kindergärten, Schulen, Kirchen; Bücherkisten/Lesekoffer für Kinder etc.;

• auszeichnungswürdiges innovatives Geschäftsmodell: z. B. vorbildhaftes Verkaufskonzept zur Verzahnung von E-Commerce und stationärem Buchhandel; herausragende Neugründung mit Nischenkonzept, besondere Kundenbindungsmaßnahmen, Internetauftritt. Dabei muss der kulturelle Bezug sichergestellt sein