Martina Bergmann über unabhängigen Buchhandel

Und wenn es einfach wäre?

9. Juli 2018
von Börsenblatt
Bei ihrer Reise durch ostwestfälische Buchhandlungen ist Martina Bergmann, Buchhändlerin und Verlegerin aus Borgholzhausen, auf viele feine, individuelle Sortimente getroffen. "Die eigenartigen Mischung aus Beharrung und Innovation, von langsamer Ware, den sich oft nicht überschlagenden Fachverkäufern und Einfluss aus diesem Internet: Sie scheint mir zukunftsfähig", so ihr Fazit.

In den letzten Wochen habe ich Buchhandlungen angesehen. Ich musste unseren Band über den Kreis Gütersloh ausliefern, und ich hatte etwas Zeit. Außerdem hatte ich Lust herumzufahren. Es hat mir so gut getan. Denn ich musste meistens ein bisschen warten. Dienstagnachmittag oder Mittwochabend, irgendwo in Ostwestfalen. Keine Schlangen, aber durchgängig Betrieb. Ich konnte mich umsehen. Feine, individuelle Sortimente, in jeder Buchhandlung Titel, bei denen ich dachte - ach Mensch. Die würden meine Kunden auch interessieren. Und wenn nicht, nehm ich sie mit nach Hause.

Kleine Innenstädte auf diesen Touren, keine guten Lagen, nichts, wo man vermuten würde, hier tut sich Einzelhandel leicht. Aber die Kollegen wirkten nicht grundsätzlich belastet. Nachgefragt: "Haben Sie Sorgen?" "Na ja, Herausforderungen", sagte eine Kollegin in meinem Alter. "Die Kunden fordern viel Service und noch mehr Aufmerksamkeit." "Für manche", berichtete eine freundliche Frau mit Silberlocken, "bin ich der einzige Mensch des Tages." Das konnte ich bestätigen. Es nervt mich oft. Ich komme mir benutzt vor. Die Frau hielt inne. "Ich mache den Job fast vierzig Jahre. Diese Art von Kundenbindung gehört dazu."

Die Lage ist unübersichtlich

"Sie müssen nicht denken, ich hätte keine Ahnung vom Internet", meinte ein zarter Herr im Halbarmoberhemd. "Ich verfolge die Diskussion ganz genau, aber ich werde häufig ausgebremst. " Eine Frau, wohl eine Mitarbeiterin, erschien wie aus der Kulisse, in Crocs, in diesen Plastik-Birkenstocks. "Sie sind die mit Fatzebook", warf sie mir entgegen. Der zarte Herr zuckte ergeben mit den Schultern. "Siebenundzwanzig Jahre, Lehrzeit inklusive", erklärte er. "Unkündbar", schmetterte die Frau. Ich bin hier als Regionalverlegerin, dachte ich, und nicht wegen meiner Meinung über Arbeitsverweigerung. Die war ja ohnehin bekannt.

Das Resümee dieser Gespräche: Die Lage ist unübersichtlich. Manche meinen, es würde kaum noch gelesen. Andere sagen, die Kunden hätten weniger Geld. Dritte regen sich über allgemeine Verblödung auf. Also ein Niedergang? Keiner der Kollegen mochte dem pauschal zustimmen. Sie beschrieben Phänomene, die ich auch wahrnehme: Weniger Kunden kaufen mehr Bücher. Der Umsatz pro Bon nimmt zu, die Inhalte werden anspruchsvoller. Sachbücher, Essays, Bildbände, gar nicht so selten Atlanten. Hätten wir vor fünf Jahren zu glauben gewagt, dass überhaupt noch einer einen Atlas braucht? Wenn ich mich recht erinnere, war 2013 der erste "Indiebookday". Er wurde zunächst belächelt und dann als "Woche der unabhängigen Buchhandlungen" adaptiert. Aber die Idee ist ursprünglich digital; ich möchte das betonen. Diese eigenartige Mischung aus Beharrung und Innovation, von haltbarer Ware, den sich oft nicht überschlagenden Fachverkäufern und Einfluss aus diesem Internet: Sie scheint mir zukunftsfähig.


Eigene Gedanken machen

Und wenn es einfach wäre, überlegte ich neulich mit einem Kollegen. Wenn es wirklich so einfach wäre, dass man von einer Buchhandlung auskömmlich leben könnte? Man würde die Alltagsaufgaben weitgehend selbst erledigen, sich gelegentlich vertreten lassen und zweimal im Jahr eine Woche in Urlaub fahren. Man könnte wieder Bücher lesen, präsentieren und empfehlen. Man würde das Internet einbeziehen, wie auch immer, und sich in kleinem Rahmen eigene Gedanken machen. Ich weiß, es ist nicht ganz so einfach. Aber ich glaube auch nicht, dass es eines übergreifenden Masterplans zur Rettung des Biotops "Deutscher Bucheinzelhandel" bedarf. Es gibt nur einzelne, regional und strukturell begründete Lösungen. Die Zukunft des Buchhandels ist individuell; soviel kann man wohl einfach sagen.

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