In der Stellungnahme der IGUV heißt es im Wortlaut:
"Während der Frankfurter Buchmesse wird am 10. Oktober 2018 zum zweiten Mal der Deutsche Selfpublishing-Preis zur Auszeichnung von im Eigenverlag publizierten Büchern vergeben. Der erstmals 2017 vergebene Preis ist eine Initiative der MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH und des Selfpublisher-Verbandes e. V. Der Selfpublisher-Verband, ein Verein mit rund 300 Mitgliedern, wurde 2015 gegründet und wird von Mitgliedsbeiträgen und Förderern wie Neopubli getragen.
Der Deutsche Selfpublishing-Preis ist mit 10 000 € dotiert, außerdem werden ein Publikumspreis zu 2000 € und Medialeistungen im Wert von 80 000 € vergeben. Soweit sogut.
Als Sprecher der Interessengruppe unabhängiger Verlage (IGUV) stellen wir mit Erstaunen fest, dass die MVB mit diesem Preis Bücher auszeichnet, die explizit ohne die Mitwirkung von Verlagen erscheinen – und deren Autorinnen/Autoren ihren Umsatz in der Regel ohne den stationären Buchhandel generieren. Zählt nicht die Dienstleistung für Verlage zu den Kernaufgaben der MVB, die sie unter anderem mit dem VLB und dem Börsenblatt realisiert? Nun ist die MVB sicher ein Unternehmen, das der Branche Dienstleistungen verkauft, aber sie ist eben als Tochter des Börsenvereins nicht unabhängig, sondern in erster Linie den Mitgliedern verpflichtet.
Für uns Verleger sind nicht die Eigenverleger, sondern vor allem Plattformen, die das eigene Publizieren möglich machen und anpreisen, problematisch. Denn mit Unternehmen wie Kindle Direct Publishing, über das Amazon den Autoren Millionen Leser verspricht, wird den Verlagen quasi ihre Existenzberechtigung aberkannt. Der Internetgigant verspricht den schnellen Zugang zum Kunden, das Erscheinen des Buches in 24–48 Stunden, dazu 70 % Tantiemen – und das alles ohne das lästige Einmischen der Lektoren und Verleger, sprich: Autorinnen und Autoren behalten die absolute Kontrolle über das Werk. Es ist alles ganz einfach und obendrein kostenlos. Da geht es für uns Verlage nicht mehr um Autoren, die aus unterschiedlichen Gründen selbst publizieren, sondern um eine generelle Umgehung unserer Branche und damit ans Eingemachte.
Zurück zum Selfpublishing-Preis. Ausgezeichnet werden Bücher, die laut Ausschreibung 'professionell, innovativ, erfolgreich, zielgruppengerecht und sprachlich ausgezeichnet' sind. Und formal sollten sich die Bücher durch ein 'professionelles Cover, professionelles Lektorat und Korrektorat sowie eine professionelle Gestaltung des Innenteils (Satzspiegel, Typografie)' auszeichnen.
Würde wie Werbung für uns Verleger klingen, wäre da nicht der gleichzeitige Hinweis darauf, dass sich die Preisverleiher als 'als Mittler zwischen engagierten Autoren, Buchhandlungen und Lesern' verstehen – also explizit ohne Verlage.
Unsere verblüffte Frage an die MVB lautet also: Warum verleihen Sie an unsere und eigentlich auch Ihre Konkurrenz einen Preis?
Der Sprecherkreis, 1. Oktober 2018"
Dem Sprecherkreis der IGUV gehören an: Björn Bedey (Diplomica Verlag, Hamburg), Britta Blottner (Eberhard Blottner Verlag, Taunusstein), Dr. Maria Frühwald (KVC Verlag, Essen), Wolfgang Hertling (pala-verlag, Darmstadt) und Sandra Thoms (Dryas Verlag, Frankfurt).
Ronald Schild, Geschäftsführer von MVB, antwortet auf die IGUV-Stellungnahme:
"Selfpublisher haben sich in den letzten Jahren als fester Bestandteil der Buchbranche etabliert und sind seit jeher als Bezieher von ISBN und Nutzer des Verzeichnisses Lieferbarer Bücher (VLB) wichtige Kunden von MVB. Mit wachsender Sorge beobachten wir allerdings die Monopolisierungstendenzen im Bereich der Selfpublishing-Plattformen. Hier wird der Versuch unternommen, unabhängige Autorinnen und Autoren exklusiv an eine Plattform zu binden und den übrigen Buchhandel auszuschließen. Dies widerspricht völlig unserer Grundüberzeugung eines offenen und freien Buchmarkts. Daher haben wir den Deutschen Selfpublishing-Preis ins Leben gerufen, um einerseits eine Bühne für die kreative Vielfalt zu bieten, die wir im Selfpublishing-Bereich sehen und andererseits dem stationären Buchhandel eine Möglichkeit zu geben, marktfähige Werke und ihre Urheber zu entdecken. Deshalb ist die Verfügbarkeit für das Sortiment auch eine zentrale Voraussetzung für die Teilnahme an unserem Wettbewerb."
Um konkreter zu werden: In wichtigen Kategorien der Unterhaltungsliteratur auf Amazon (z.B. Liebesroman, Krimi, SF & Fantasy) stehen seit Jahren Werke von Selfpublishern unangefochten an der Spitze der Verkaufscharts. Einige Autoren sind dadurch zu Millionären geworden. Dass diese Autoren nicht in den etablierten Bestsellerlisten auftauchen, liegt nur an den Auswahlkriterien. Da es sich hier um einen weitgehend demokratischen Prozess handelt (der Konsument entscheidet mit dem Geldbeutel), und die Werke der Verlage in der Regel ebenfalls verfügbar sind, muss man folgerichtig davon ausgehen, dass das Selfpublishing-Angebot in diesen Kategorien attraktiver ist. Durch Veröffentlichungsplattformen wie tolino und BoD werden solche Werke, an den Verlagen vorbei, auch zunehmend im Sortimentsbuchhandel verfügbar.
In einer Zeit, in der die Konsumenten selbstverständlich auf Online-Plattformen einkaufen, genügt es deshalb nicht mehr, durch Werbung, Pressearbeit und die Präsenz von Verlagsvertretern im Buchhandel das eigene Programm in den Blickpunkt zu rücken. Vielmehr müssen sich die Verlage darum bemühen, die besten Autoren und den besten Content anbieten zu können.
Wenn Sie einen erfolgreichen Selfpublisher fragen, was er/sie eigentlich will, dann ist die Antwort stets: Im Sortimentsbuchhandel ausgelegt werden und davon gut leben können, Bücher zu veröffentlichen. D.h. das Selfpublishing ist in der Regel nur ein Ausweichen, weil eine Verlagsveröffentlichung nicht möglich oder nicht attraktiv genug ist. Wenn das Verlagswesen hier ansetzt, und es ihm gelingt, sich auf allen Verkaufskanälen wieder an die Spitze des Angebots zu setzen, dann ist das Selfpublishing in absehbarer Zeit nur noch ein Nischenphänomen.
Herzlichen Gruß
Vera Nentwich
1. Vorsitzende
Erstmals in der Geschichte des Verlagswesens erschienen nämlich anno 2008 mehr selbst verlegte Bücher als solche, die über klassische Verlagsunternehmen auf den Markt gelangten. Im Jahr 2009 kamen bereits 76 Prozent aller Bücher im Selbstverlag heraus, während die Zahl der von Verlagen produzierten Bücher zurückging. Die amerikanische Fachzeitschrift »Publishers Weekly« nannte am 14. April 2010 die stolze Zahl von 764.448 Titeln, die anno 2009 weltweit im Self-Publishing veröffentlicht wurden. Dieser Position standen 288.355 Bücher aus Verlagshäusern gegenüber. Insgesamt betraten damit in einem Kalenderjahr über eine Million Titel die Bühne der Buchwelt, mehr als je zuvor.
Zu den selbst aufgelegten Büchern zählen Romane, Kurzgeschichten und Erzählungen ebenso wie Sachbücher über Erziehung, Wissenschaft und Technik. Es gibt Ratgeber zur Lebensführung und Finanzplanung, Kochbücher, Reiseliteratur, religiöse Werke, Biografien und Werke zu Kunst, Kultur und Literatur. Dabei entwickeln sich neue Buchformen, die das herkömmliche Leseerlebnis erweitern und interaktives Lesen erlauben.
Millionen Leser nutzen inzwischen die Möglichkeiten, Bücher zu lesen, die nicht von Verlagen abgesegnet wurden. Diese demokratische Abstimmung über den »content« findet an den Ladenkassen statt, wobei dem klassischen Buchhandel enormer Umsatz entgeht, weil er die Interessen und Neigungen großer Leserkreise nicht bedienen kann.
Wenn die MVB nun einen Preis unter denjenigen Self-Publishern auslobt, die sich den Usancen des Buchhandels beugen und ihre Titel mit ISBN, VLB und allem Pipapo anbieten, dann ist das auch eine Einladung an den Buchhandel, neue Märkte zu entdecken und zu bedienen. Die lobenswerte Initiative darf zugleich als Aufruf an kleine und große Verlage verstanden werden, sich zu öffnen und den Realitäten zu stellen.
Ja, Monopolisierung (Amazon) ist sicherlich problematisch, aber Monopolisierung (Verlagswesen mit beschränktem Zugang) hilft angehenden Autoren auch nicht weiter. Das ist aber weder die Schuld der SPler, noch die von Amazon. Beide haben einfach eine Chance ergriffen, die ihnen das deutsche Verlagswesen erst gegeben hat.
Wenn die Verlage die Zeichen der Zeit nicht erkennen und sich auch weniger bekannten Autoren zu fairen Bedingungen öffnen, wird es ihnen ergehen wie Droschkenkutschern und Gaslaternenanzündern - die gibt es auch beide nicht mehr!