Appell von Herausgebern wissenschaftlicher Zeitschriften

"No DEAL is no Option"

8. Oktober 2018
von Börsenblatt
Weil die Verhandlungen zwischen der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und dem Elsevier-Verlag um eine Nationallizenz für elektronische Wissenschaftsjournale (Projekt "DEAL") seit Monaten stocken und keine Einigung in Sicht ist, appellieren mehr als 30 Herausgeber wissenschaftlicher Zeitschriften an die Verhandlungsführer beider Seiten, die Verhandlungen zügig fortzuführen.

Die Herausgeber drücken die Befürchtung aus, dass die Chance vertan werde, für den Wissenschaftsstandort Deutschland eine zukunftsfähige Plattform zu entwickeln, die allen Wissenschaftlern in Deutschland Informationsbeschaffung und Veröffentlichung mit allgemeinem Zugang (Open Access) einfach und mit hoher Qualität erlaubt. Gegen Ende des Briefs bringen die Unterzeichner die Möglichkeit einer "neutralen Vermittlung oder Moderation" ins Spiel. Das Scheitern der Verhandlungen sei "keine Option".


Boersenblatt.net gibt den offenen Brief hier ungekürzt wieder:

"Herrn Prof. Dr. Peter-André Alt, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz,
Herrn Prof. Dr. Horst Hippler, ehem. Präsident der Hochschulrektorenkonferenz,
Herrn Ron Mobed, Chief Executive Officer, Elsevier
 
 
Sehr geehrter Herr Professor Alt, sehr geehrter Herr Professor Hippler, sehr geehrter Herr Mobed,
 
wir, die unterzeichnenden Herausgeber wissenschaftlicher Zeitschriften, betrachten den Abbruch der Verhandlungen zwischen der Deutschen Hochschulrektorenkonferenz und dem Elsevier-Verlag über die zukünftige Nutzung wissenschaftlicher Publikationen mit großer Sorge. Wir wenden uns heute mit unten stehender Bitte in Form eines offenen Briefes an Sie als Verhandlungsführer. Über Antworten und Kommentare würden wir uns freuen unter no-deal-no-option.de oder an gies@berlin.de.
Mit gleicher Mail informieren wir die Wissenschaftsministerien des Bundes und der Länder:
 
 
NO DEAL IS NO OPTION
Eine Bitte von Herausgebern wissenschaftlicher Zeitschriften an die Verhandlungsführer der Hochschulrektorenkonferenz und des Elsevier-Verlags (DEAL-Verhandlungen)

Seit zwei Jahren verhandeln nunmehr die Deutsche Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und der Elsevier Verlag über die zukünftige Nutzung der Inhalte wissenschaftlicher Zeitschriften des Verlages durch die Angehörigen deutscher wissenschaftlicher Einrichtungen. Mit Bedauern und Erstaunen mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass die Verhandlungen zwischen der Deutschen Hochschulrektorenkonferenz und dem Elsevier Verlag ausgesetzt wurden.
 
Wir sehen die Verhandlungen als Möglichkeit, die Infrastruktur der Wissenschaftslandschaft in Deutschland deutlich zu verbessern. Der uneingeschränkte Zugang zu allen elektronisch gespeicherten wissenschaftlichen Artikeln des Verlages erleichtert Recherche und gründliche Auswertungen des Volltextes.  Die Möglichkeit für alle in den deutschen Wissenschaftseinrichtungen tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Ergebnisse in qualitativ hochwertigen, begutachteten Zeitschriften ohne weitere Kosten und Einschränkungen mit offenen Zugriff (Open Access) für alle Interessierten zu veröffentlichen, stärkt den Einfluss von Forscherinnen und Forschern in Deutschland in der internationalen Wissenschaftslandschaft.
 
Erfolgreiche Verhandlungen mit dem Elsevier Verlag wären wegweisend für Übereinkommen mit anderen Verlagen. Sie würden den Wissenschaftsstandort Deutschland deutlich stärken. Sie würden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Universitäten, den Wissenschaftsorganisationen und Ressortforschungseinrichtungen von unnötigem Zeitaufwand bei der Literaturbeschaffung und der Nutzung der Literatur entlasten. Erfolgreiche Verhandlungen können den Bibliotheken Sicherheit über die künftige Entwicklung des Informationsmanagements geben, indem sie die künftigen Rahmenbedingungen festschreiben.

 
Das Aussetzen der Verhandlungen lässt uns befürchten, dass diese Chancen für den Standort nicht genutzt werden.

Viele Bibliotheken in Deutschland haben im Vertrauen auf eine zeitgerechte Übereinkunft ihre Nutzungsverträge mit Elsevier gekündigt. Seit dem Aussetzen der Verhandlungen ist für viele Forschende eine weitere Nutzung dieser für ihre Arbeit unabdingbaren Ressourcen nicht mehr oder nur unter großen Schwierigkeiten möglich. Von dieser Situation ist besonders der wissenschaftliche Nachwuchs betroffen, der durch Zeitverträge und feste Abgabetermine unter einem großen und oft existentiellen Zeit- und Leistungsdruck steht.
 
Als Herausgeber von wissenschaftlichen Zeitschriften bemühen wir uns – oft seit Jahren und Jahrzehnten- für unsere Zeitschriften ein hohes Qualitätsprofil zu entwickeln. Wir bemühen uns erfolgreich, die wissenschaftliche Begutachtung und die Arbeit der Herausgeber zu beschleunigen und Autoren und Lesern einen immer besseren Service zu bieten. Wir stehen zu einer rigiden Qualitätskontrolle durch die wissenschaftliche Gemeinschaft und unterstützen die Einführung von Open Access auch in den etablierten Verlagen.
 
In dieser schwierigen Situation, bitten wir eindringlich die Beteiligten an den Verhandlungen auf beiden Seiten:
 
Verhandeln Sie ergebnisorientiert. Open Access und allgemeiner Zugang der deutschen Institutionen zu den Publikationen müssen umgesetzt werden.

Verhandeln Sie zügig. Bitte bedenken Sie die schweren Probleme, die durch den jetzigen Verhandlungsstand für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Anfang ihrer Karriere entstanden sind. Bitte beenden sie die Aussetzung der Verhandlungen umgehend.
 
Seien Sie sich der schwierigen finanziellen Lage der Wissenschaftseinrichtungen bewusst. Bitte nutzen Sie die Spielräume der Senkung aller Kalkulationsfaktoren in Produktion, Vertrieb und Gewinn und erwägen Sie konstruktive Übergangslösungen. Bitte bedenken Sie, dass es hier nicht nur um Literaturbeschaffung, sondern um die Gestaltung einer zukunftsfähigen und leistungsfähigen Wissenschaftslandschaft in Deutschland geht. Bei dieser gesamtstaatlichen Aufgabe können die einzelnen Forschungseinrichtungen nicht die gesamte finanzielle Last tragen.
 
Bitte verhandeln Sie respektvoll in Anerkennung der Leistung und der Interessen der jeweils anderen Seite.

Sollten Sie sich nicht in der Lage sehen, aus eigener Kraft eine Lösung zu finden, zögern Sie bitte nicht eine neutrale Vermittlung oder Moderation hinzuzuziehen.
 
Das Scheitern dieser Verhandlungen ist keine Option."

Zu den Unterzeichnern des offenen Briefs gehören die Professoren bzw. Herausgeber Martin Brüne (Ruhr-Universität Bochum), Lutz Fischer (Universität Hohenheim), Urs Hartl (Universität Münster), Astrid Holzheid (Universität Kiel), Mario Larch (Universität Bayreuth), Georg von Samson-Himmelstjerna (FU Berlin) und Alexander Steinbrecht (MPI für Ornithologie, Seewiesen).