Bruno, ein neunjähriger Berliner Junge, muss mit seiner Familie dem Kommandanten nach Auschwitz folgen (der eher nebenbei sein Vater ist). Dort steht ein passables Haus mit Blumen im Garten, der Blick aus dem Kinderzimmer schweift über stacheldrahtumzäunte Baracken bis zu den Schornsteinen in der Ferne. Was weiß ein Neunjähriger darüber, was dort vorgeht? Nichts. Er darf es nicht erfahren, das väterliche Büro ist tabu, er kann es nicht begreifen, weil solch organisierter Hass durch sein kindliches Vertrauen nicht zu fassen ist.
Doch er lernt an einer abseitigen Stelle des Zaunes den gleichaltrigen Schmuel kennen. Durch den Draht entwickelt sich eine zarte Freundschaft zwischen dem einsamen Stadtkind und dem jüdischen Jungen, der vergessen hat, was ein Kinderspiel ist. Der Schluss des Buches ist erschütternd, aber konsequent.
Verdienst der Fabel ist es zu zeigen, wie ein völlig unschuldiger Geist den Irrsinn des Naziregimes wahrgenommen hat. Und sie zeigt, wie schuldig auch ein Neunjähriger werden konnten, der aus Angst seinen Freund verleugnet. Es ist ein Buch für Erwachsene. Es ist auch ein Buch für Jugendliche. Man muss allerdings einiges über die deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert wissen, um das Buch zu verstehen, denn die Fabel setzt mehr Symbole als Fakten ein. Und allein durch Wissen funktioniert das Buch auch nicht nur wenn man die Bilder im Kopf hat, Fotos aus den KZs, von Häftlingen, Bergen von Schuhen und Leichen, krankmachenden Ärzte und strammen Soldaten. Denn diese Szenen kann sich keine Phantasie ausmalen.
Petra Gass
John Boyne: Der Junge im gestreiften Pyjama. Fischer Schatzinsel, 2007, 266 Seiten, 13,90 Euro
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