Ganz unabhängig vom politischen Inhalt, hätten wir doch eigentlich alle mit dem aktuellen Platz-1-Titel Grund zur Freude. Wäre da nicht die Sache mit den ungleichen Erstauslieferungen und erst recht dem unerfreulichen Nachbezug. Der Ärger begann, als in manchen Städten große Filialisten den Titel schon fleißig verkauft hatten, während kleinere örtliche Buchhandlungen erst Tage nach der "Beckmann"-Sendung beliefert wurden. Der Vorsprung für die ach so aufwendige Zentrallagerlogistik ist wohl irgendwie ein Relikt aus früheren Tagen, in denen die Großen noch mehr Mühe hatten, ihre Filialen punktgenau zu bestücken.
Seit ich selbst in meiner beschaulichen Kleinstadt von Thalia links und Hugendubel rechts in die Zange genommen werde, kann ich ein mehrstrophiges Lied über fast die kompletten Novitäten aller Warengruppen singen. Die Hugendubel-App macht das tagesaktuelle Überprüfen möglich …
Im Fall Sarrazin war auch das Nachbestellen für uns Buchhändler erschwert. Okay, das gilt auch für die Barsortimente, die nur Kontingente bekamen. Zwar müssen wir uns zuallererst einmal an die eigene Nase fassen! Wer von den großen und kleinen Kollegen war denn schon groß eingestiegen? Es mag ein kleiner Trost sein, dass auch Amazon bei den Barsortimenten gut fünfstellig ordern musste. Dass der Verlag, sollte er denn von der massiven Presse überrascht worden sein, nur eine überschaubare Erstauflage plant, kann und wird ihm niemand vorwerfen.
Der Buchhändler fragt sich jedoch zu Recht, wer wann beliefert wird, wenn dank steigender Nachfrage fast täglich seine Nachbestellungen bei der VVA auflaufen, die elektronischen Lieferscheine aber immer nur »vorgemerkt, nicht lieferbar« melden. Während in der Presse stolz von täglicher Auslieferung der Nachauflagen und nun endlich vier Druckereien berichtet wird. Unerklärlich auch, warum der Verlag diesen erkennbaren Ausnahmetitel nicht automatisch immer vormerkt. Standard für alle Holtzbrinck- wie Bonnierverlage bei allen Titeln auf der Bestsellerliste des »Spiegels«.
Immer noch fragt man sich, was es bedeuten könnte, wenn von den gebeutelten VVA-Mitarbeitern die Auskunft gegeben wird: "Fragen Sie bitte im Verlag nach, wann Ihre Bestellungen zur Faktur freigegeben werden." Und wenn die Kollegen im Verlag sagen: »Ich lauf’ über den Flur und schieb’ Ihre Verkehrsnummer in den Stapel für morgen« – da hört der Spaß auf. Der Spaß hört erst recht auf, wenn fünf von 100 bestellten Exemplaren eintrudeln, derweil bei Real die Paletten an den Kassen stehen. Viel Freude bei deren Remission!
Ich dachte, die EDV sei unbestechlich und es gelte der schöne Grundsatz: First in, first out. Wer pennt, muss bestraft werden, und wer ein gutes Näschen hat, der hat den wirtschaftlichen Erfolg verdient. Aber es muss uns zu denken geben, wenn sehenden Auges viele unabhängige Buchhändler verärgert werden, nur weil einige große Handelspartner ein wenig lauter aufsprechen.
Eines konnten wir stationären Händler allerdings gerade hervorragend testen: die Treue unserer Kunden! Meine Vorbesteller haben alle abgeholt, obwohl die Ketten in den zwei Wochen Durststrecke mehrfach lieferfähig waren. Hoffentlich haben alle daraus gelernt, wenn in neun Jahren der nächste Megaseller kommt. Wer erinnert sich an Michael Moores "Stupid white man"?