Drei Monate iPad – ein Resümee

30. September 2010
Redaktion Börsenblatt
Als am 27. Mai 2010 das iPad das erste Mal nach Deutschland verschifft wurde, war ich einer der vielen glücklichen Erstbesitzer. Viele Erwartungen und Hoffnungen knüpfte ich an dieses Gerät. Ob sie erfüllt, enttäuscht oder gar übertroffen wurden, will ich hier kurz wiedergeben. Drei Monate iPad – ein Resümee von Stefan Böhringer.
Ich muss es zugeben. Für kleine praktische Geräte, die oft nicht mehr als technische Spielereien waren und mir doch einen besseren digitalen Alltag versprachen, konnte ich mich schon lange begeistern. Mindestens seit der Jahrtausendwende befand sich immer ein kleiner Begleiter an meiner Seite; vom Palm oder PocketPC über iPod und Netbook. Seit 2004 (!) lese ich ziemlich regelmäßig die Perry Rhodan Heftreihe im digitalen Format; damals noch auf einem Palm Zire 21 mit einem übel pixeligen 16 Graustufen Display. Man könnte also sagen ich gehöre zu der Gruppe Menschen in den technologisierten Industrienationen, die digitalen Produkten und auch dem digitalen Lesen eher aufgeschlossen ist und dabei auch über manche Unzulänglichkeiten hinweg sieht. Von daher mag der Artikel vielleicht etwas subjektiver und positiver ausfallen, als wenn Sie ihn, werter Leser, geschrieben hätten.

 

Das iPad kann viel und das meiste davon sogar noch richtig gut

Als Student der Theologie und Buchwissenschaft hatte ich bestimmte Erwartungen an ein mobiles Gerät wie dem iPad. Es sollte eben nicht nur meine Freizeit bereichern, sondern mich auch in meinem Studium produktiv unterstützen. Zumindest war dies die Voraussetzung meiner Frau, die nicht unerheblichen Anschaffungskosten von 500 Euro mitzufinanzieren – verständlich. Dabei sollte das Gerät höchst mobil, gut ablesbar (auch im Sonnenlicht) und mit hoher Akkulaufzeit ausgestattet sein.

 

Das iPad fühlt sich zwar mit seinen knapp 700 Gramm schwerer an als es aussieht, wiegt damit aber weniger als das kompakteste Netbook. Das Display ist hell, scharf und groß genug, um perfekt darauf lesen zu können. Ich bin mir bewusst, dass viele Menschen das Lesen am Bildschirm immer noch für unangenehm empfinden. Mir geht es nicht so. Natürlich kommen E-Ink Displays dem gedruckten Papier sehr nahe und entsprechen damit unseren Gewohnheiten. Aber auch das Lesen am Bildschirm ist meiner Erfahrung nach Gewohnheitssache – man kann gespannt sein, wie die sog. digital natives mit dieser Tatsache umgehen werden. 

 

Was den Akku angeht, so hält er bei meiner täglichen Nutzung mit eingeschaltetem WLAN zwischen ein bis drei Tage. Das ist wenig im Vergleich zu einem dedizierten E-Reader, aber angesichts der vielen Funktionen und Einsatzbereichen mehr als annehmbar.

 

Zur Produktivität im Studium möchte ich folgendes sagen: Was Internet- und Emailfunktionen betrifft ist schon viel darüber geschrieben worden und bis auf die fehlende Flash-Unterstützung ist das iPad in diesem Bereich, meiner Meinung nach, ungeschlagen. Wirklich begeistert hat mich aber die Möglichkeit, das iPad komplett in meinen Studienalltag einzubauen. Das spannt sich vom Lesen der Diskussionsgrundlagen für die verschiedenen Seminare und Vorlesungen, über Mitschriften im Hörsaal, bis hin zu den Lernvorbereitungen auf die Prüfungen. Eine wichtige Voraussetzung hierfür war aber die flächendeckende Versorgung an digitalisierten Texten durch unser buchwissenschaftliches Institut. Hier möchte ich mal ein dickes Lob aussprechen! So konnte ich auf meinem iPad die Texte nicht nur organisieren, sondern auch mit Unterstreichungen, Markierungen und Anmerkungen bearbeiten. Damit war das Lernen auf die Prüfungen fast (!) eine wahre Freude. Außerdem hatte ich so die Texte zu jeder Sitzung dabei ohne einmal einen Ausdruck vergessen zu haben, wie es mir früher immer mal wieder passierte.

 

Auch Mitschriften lassen sich mit einem iPad gut verwirklichen. Die virtuelle Tastatur lässt sich im Querformat hervorragend bedienen. Wer es komfortabler möchte, ich denke hier besonders an Zehn-Finger-Schreiber, für den gibt es auch die Möglichkeit, eine kabellose Bluetooth-Tastatur mit dem iPad zu verbinden. Allein das nicht Vorhandensein einer Multitaskingfähigkeit, also der Möglichkeit, schnell zwischen einzelnen Applikationen (Schreibprogramm ßà Leseapplikation) zu wechseln, trübt diesen Eindruck. Dies soll aber laut Apple im November durch ein Update nachgeholt werden.

 

Alles in allem ist das iPad also nicht nur Spielzeug sondern ersetzt für mich als Student  in vielen Bereichen konsequent den Laptop. Ich denke auch für Menschen mit anderen Tätigkeiten, die viel unterwegs sind, wie Vertreter, kann das iPad ein produktive Bereicherung sein.

Bücher lesen auf dem iPad

Ob Musik, Radio, Podcasts, Bücher, Zeitschriften, Tageszeitungen, Comics, Filme, TV-Serien oder die neusten Youtube-Videos, das iPad ist eine wahre mobile Multimedia-Zentrale und bietet Zugang zu allen Medien, die das digitale Zeitalter derzeit hergibt.

 

Wenn ich aber hier für einen buchwissenschaftlichen Blog schreibe, so interessiert mich vor allem die Möglichkeit, auf dem iPad E-Books lesen zu können. Das A und O sind in diesem Fall die Apps, also die Programme, die das Kaufen und Lesen von E-Books erst ermöglichen. Und gerade hier ist mein Eindruck sehr zwiespältig. Einerseits existieren genügend ausgereifte Möglichkeiten, digitale Literatur auf das iPad zu bringen oder sie direkt darauf zu erwerben. Da gibt es den iBooks-Store von Apple, Amazons Kindle Store, sowie die Applikationen von Txtr und Textunes. Auch bieten die genannten Programme eine ansprechende Lesefunktion, mit vielen Möglichkeiten, den Text an die eigenen Lesegewohnheiten anzupassen. Andererseits fehlt es schlicht und ergreifend an Content. Die Auswahl an deutschsprachiger Literatur ist in jeder genannten App, besonders im Kindle Store, auch nach drei Monaten als nicht ausreichend zu betrachten. Sicherlich befinden wir uns gerade in einer Übergangsphase; viele Verlage ringen um einen rechten Umgang mit E-Books, wägen Kosten und Nutzen ab etc. Aber dass der Einstieg bei diesen Möglichkeiten so mutlos genutzt wird, ist wirklich schade. Zum Schmökern und Verweilen lädt keiner der oben genannten Stores wirklich ein. Auch finden sich darin kaum bis gar keine aktuellen Neuerscheinungen. Die meisten Bücher sind seit Monaten und Jahren auf dem Buchmarkt. Eine wirkliche Frechheit aus Kundensicht ist das teilweise Vorgehen von Randomhouse im iBooks-Store: dort werden schon längst als Taschenbuch erschienene Bestseller, z.B. von Nicholas Sparks, zum Hardcover-Preis angeboten! Die Bewertungen für solche Artikel triefen nur so von Häme und Spott. Wie ich finde zurecht.

 

Ein weiteres Problem, das mich selbst immer noch davor zurückschrecken lässt, fröhlich in einem der Stores einzukaufen, ist die mangelnde Kompatibilität mit anderen Geräten. Denn obwohl ich ein iPad besitze, möchte ich doch sichergehen, dass ich meine erworbene Literatur auch auf anderen Geräten, wie meinem Notebook oder Android Smartphone lesen kann. Außerdem, wer weiß schon, was die Zukunft bringt? Kaufe ich im iBook-Store, weiß ich, dass ich die Bücher nur auf Apple-Geräten lesen kann (für den Apple-Fanboy sicher kein Problem). Textunes gibt es gar nur für iOS-Geräte. Besser sind hier Amazon und Txtr aufgestellt. Ihre Lesesoftware gibt es für iOS und Android Geräte, die Kindle App sogar für PC und Mac. Damit decken sie den Großteil der jetzigen und künftigen Smartphones und Tablets ab.

 

Die Zwickmühle, in die der Käufer unweigerlich beim Kauf gedrängt wird, kann das iPad also auch nicht lösen. Hier sind die Verlage gefragt. Entweder auf die Anbieter setzen, die möglichst viele Geräte abdecken und damit dem Kunden mehr Wahlfreiheit lassen, oder eben ganz auf DRM verzichten und dem Kunden die komplette Freiheit über sein erworbenes Produkt überlassen, auch auf die Gefahr hin, diese Freiheit zu missbrauchen. Inkompatibilität und zu hohe Preise sind meiner Meinung nach die größten Hemmschwellen beim Kauf von E-Books auf dem iPad.

 

Zusammengefasst sei gesagt: Bücher würden sich auf dem iPad sehr komfortabel lesen lassen. Die Bücher aber, die ich lesen will, finde ich nirgends. Was ist zum Beispiel mit Literatur fürs Studium? Das iPad ist, wie oben schon gesagt, eine wahre Freude im Studienalltag. Wie bereichernd wäre es da, die eh schon teure Literatur direkt über das iPad zu beziehen und dann vielleicht auch etwas günstiger als das gedruckte Pendant? Ein Traum! Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

Das iPad ist erst der Anfang

Apple hat mit dem iPad eine echte Welle losgetreten. Dutzende neue Tablets, meist mit Android Betriebsystem, wurden auf der diesjährigen IFA in Berlin vorgestellt. Viele werden das iPad nachahmen, vom Preis her unterbieten und von der Ausstattung her übertreffen wollen. Ob sie es schaffen bleibt abzuwarten. Eines ist aber sicher, mehr Geräte bedeuten auch mehr Kunden für Kindle, Txtr und Co, und damit auch mehr Anreiz für Verlage, in den digitalen Markt voller Mut und Enthusiasmus einzusteigen!

Nichts bereut!

Selbst wenn das iPad nicht gerade billig war und auch zu manch zeitfressender Spielerei verführen kann, bereue ich den Kauf doch nicht. Es integriert sich mit seiner unaufdringlichen Art und intuitiven Bedienung wunderbar in meinen Alltag und hat meine Erwartungen meist mehr als erfüllt, wenn auch nicht übertroffen. Die Möglichkeiten sind enorm und nur durch den Ideenreichtum der App-Entwickler begrenzt. Ich hoffe aber, dass diese Möglichkeiten von Content-Anbietern, zur Freude der Kunden, noch zahlreicher und besser genutzt werden.