Die Stimmung unter den stationären Buchhändlern ist offenbar gedrückt – zumindest nach dem Stand von Anfang August. Die negative Umsatzentwicklung des ersten Halbjahres, die sich erst nach der Jahresmitte zum Besseren wandte, hat dem Sortiment zu schaffen gemacht. Dass die Geschäfte im August und, so wie es aussieht, wohl auch im September wieder besser laufen, das konnten die Buchhändler zum Zeitpunkt der Befragung nicht wissen. Sonst hätten die Ergebnisse der Konjunkturumfrage, die das Institut für Handelsforschung an der Universität Köln zweimal jährlich im Auftrag des Börsenvereins durchführt, möglicherweise anders ausgesehen.
An der Umfrage, die nicht repräsentativ ist, aber dennoch eine realistische Momentaufnahme von der Branchenlage gibt, haben sich mehr als 350 Buchhändler aller Größenklassen beteiligt. Befragt wurden sie zum Beispiel nach ihrer Einschätzung zur Geschäftsentwicklung von Januar bis Juni 2010. Außerdem haben sie eine Prognose für ihre Umsatzerwartungen von Juli bis Dezember abgegeben.
Höherer Barumsatz nur für wenige Buchhändler
Nach Aussage der Buchhändler gelang es von Januar bis Juni nur 14,4 Prozent, einen höheren Barumsatz zu erzielen als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Eine starke Verbesserung konstatierten dabei nur 2,3 Prozent. Bei gut einem Viertel der Sortimenter sind die Einnahmen gleich geblieben, bei nahezu 60 Prozent haben sie abgenommen, elf Prozent geben sogar eine sehr starke Verschlechterung zu Protokoll. Damit liegen die Ergebnisse deutlich unter denen der Konjunkturumfrage zu Jahresbeginn (Börsenblatt 11 / 2010).
Gefälle West – Ost
Das Gefälle zwischen West und Ost bleibt weiterhin sichtbar. Während bei 15 Prozent der Buchhandlungen in Westdeutschland mehr Geld in die Kassen geflossen ist, war das im Osten nur bei acht Prozent der Fall. Bei der Umsatzverschlechterung zeigt sich das umgekehrte Bild: 61,3 Prozent der Buchhändler im Osten beklagten ein vorsichtiges Einkaufsverhalten der Kunden, im Westen war dies bei 59,1 Prozent der Fall.
Größere Buchhandlungen stehen besser da
Ein Blick auf die Größenklassen zeigt interessante Details – offensichtlich ging es den größeren Buchhandlungen im ersten Halbjahr besser als den übrigen: Je ein Drittel der Sortimente mit Umsätzen zwischen 2,5 und fünf Millionen Euro sowie von jenen mit Einnahmen über fünf Millionen Euro melden steigende Einnahmen, bei den unteren Größenklassen sind es nur zwischen fünf und 18 Prozent, die bessere Geschäfte machten. Am schlechtesten lief es für die Läden, die zwischen einer Million und 2,5 Millionen Euro umsetzten. Fast 78 Prozent von ihnen konstatierten eine verschlechterte oder sogar stark verschlechterte Einnahmensituation. In den kleineren Größenklassen waren es nur 53 Prozent.
Solides Rechnungsgeschäft
Etwas erfreulicher als bei den Bareinnahmen sieht es im Rechnungsgeschäft aus. Immerhin fast ein Fünftel der Buchhändler hat steigende Einnahmen zu vermelden. Bei etwa 40 Prozent ist dieser Posten stabil geblieben. Verschlechtert hat sich das Rechnungsgeschäft bei gut 30 Prozent der Sortimenter, stark verschlechtert bei etwa einem Zehntel. Beim Rechnungsumsatz verlief die Entwicklung im Westen und Osten nahezu parallel. Jeweils ein Fünftel der Buchhändler konnte zulegen, Einbußen verzeichneten vor allem die Buchhändler in den alten Bundesländern (42,4 zu 36,7 Prozent).
Wie beim Barumsatz konnten die großen Sortimente auch beim Rechnungsumsatz am stärksten punkten. Mit erheblichem Vorsprung vor den anderen Buchhandlungen meldet die Größenklasse über fünf Millionen Euro, dass sich diese Einnahmequelle (stark) verbessert hat (mehr als 50 Prozent). Eine solche Entwicklung können die 2,5- bis Fünf-Millionen-Euro-Betriebe keinesfalls bestätigen. Bei ihnen hat sich in 67 Prozent der Fälle eine Verschlechterung ergeben.
Konsumklima mit Schwächen
Für das Wohl und Wehe der Buchhandlungen verantwortlich sind Stimmung und Kauflust der Buchhandelskunden. Diese Faktoren wurden von den Buchhändlern für das erste Halbjahr eher zurückhaltend bewertet. So hat sich der Umsatz je Kunde nur bei 15,8 Prozent der befragten Unternehmen erhöht. Lediglich 0,3 Prozent davon sprechen von einem "erheblichen Anstieg". Bei etwas weniger als der Hälfte bewegen sich die Einnahmen je Kunde auf Vorjahresniveau, mit geringeren Werten mussten sich 37,9 Prozent der Befragten begnügen.
Das Konsumentenverhalten in Ost- und Westdeutschland wich bei dieser Kennzahl nur in einer Ausprägung nennenswert ab: Erstaunlicherweise haben sich im Osten bei rund 34 Prozent der Buchhandlungen die Kundenumsätze reduziert, während das im Westen bei 38,5 Prozent festzustellen war.
Nicht nur, dass die Kunden weniger Geld im Buchhandel gelassen haben: Insgesamt wurden die Läden auch von weniger Personen besucht. Die Kundenfrequenz nahm bei rund der Hälfte der Befragten ab. Gleich blieb sie bei etwa 30 Prozent; mehr Kunden kamen nur in knapp einem Fünftel der Läden zu Besuch.
Treueste Abnehmer sind nach wie vor die privaten Haushalte. Bei dieser Gruppe konnten immerhin 16,8 Prozent der Buchhandlungen bessere Umsätze erzielen. Bei ca. 40 Prozent blieben die Einnahmen auf konstantem Niveau. Ein anderes Bild bot sich bei den Firmenkunden. Noch nicht einmal mit zehn Prozent von ihnen konnten bessere Geschäfte gemacht werden. Am schwierigsten gestalteten sich die Beziehungen zu öffentlichen Institutionen und Bibliotheken – das drückt sich bei fast 50 Prozent der Umfrageteilnehmer in einem Umsatzminus aus.
Taschenbuch als größter Umsatzbringer
Lieblinge der Käufer waren im ersten Halbjahr die Taschenbücher. Fast einem Drittel der Umfrageteilnehmer gelang es, die Umsätze mit diesen Produkten zu verbessern. Eine gleichbleibende Tendenz gaben etwa 55 Prozent an. Bei Hardcovern fielen die Zuwächse wesentlich geringer aus. Nur 15 Prozent der Sortimente verzeichneten bei dieser Editionsform ein Plus – immerhin 37,5 Prozent jedoch ein Minus.
Kinder- und Jugendbücher stärkstes Segment
Das Kinder- und Jugendbuch hat sich im ersten Halbjahr einmal mehr als wachstumsträchtiges Segment erwiesen. Gut ein Viertel der Sortimenter hat mit diesen Büchern mehr eingenommen, etwa gleiche Einnahmen konstatieren 35,5 Prozent, ein Drittel verbuchte geringere Umsätze. Eine erfreuliche Entwicklung gab es auch bei belletristischen Titeln, die sich hinter den Büchern für die junge Zielgruppe kaum verstecken müssen. 22,9 Prozent der Sortimenter erreichten mit der schöngeistigen Literatur Umsatzsteigerungen, bei der Hälfte blieben die Einnahmen stabil.
Jedoch gaben nicht alle Warengruppen Anlass zur Freude: Im Bereich Sachbuch, Hobby und Reise hatte mehr als die Hälfte der Buchhändler mit Einbußen zu kämpfen. Schlechter (38,7 Prozent) liefen auch Fachbücher und wissenschaftliche Titel, ebenso wie Schulbücher (34,8 Prozent). Nichts mehr zu spüren von den einstigen Höhenflügen ist bei den Hörbüchern. Nur 8,4 Prozent der Buchhändler konnten damit Mehreinnahmen erzielen, 39,6 Prozent fuhren mit den Audiobooks schlechter als zuvor.
Neuerungen als Mittel der Verkaufsförderung
Mit ihren eher zäh verlaufenden Geschäften möchten sich die Buchhändler jedoch nicht einfach so arrangieren. Um ihre wirtschaftliche Lage positiv zu beeinflussen, wollen sie in unterschiedlicher Weise aktiv werden. Leider gilt das nicht für alle Befragten. Immerhin ein Viertel zieht es vor, nichts zu unternehmen – und alles beim Alten zu belassen. Diejenigen, die Neuerungen gegenüber offen sind, könnten sich vorstellen, ihren Verkaufsraum umzugestalten (24,9 Prozent). Mehr Non-Books in den Laden zu holen, zieht ein Fünftel in Betracht, ebenso eine geänderte Sortimentsstruktur und eine verbesserte Ausbildung der Mitarbeiter. Für 17,7 Prozent der Sortimente sind Kooperationen eine Option.
Um ihre Unternehmen auf Erfolgskurs zu bringen, sehen die Buchhändler in verschiedenen Bereichen Optimierungsbedarf. Den Lagerbestand einzuschränken ist für 65,8 Prozent der Sortimenter eine Möglichkeit. Damit einher geht der Vorsatz, weniger Bücher einzukaufen (60 Prozent) und entsprechend hoch (67 Prozent) ist auch die Zustimmung zur Maßnahme "Bestellungen beim Barsortiment ausdehnen" (22,5 Prozent). Dazu passend soll die Anzahl der liefernden Verlage eingeschränkt werden. Diesen Weg wollen 42,2 Prozent der Buchhändler beschreiten. Mehr als die Hälfte möchte an der Anzahl der Verlagspartner keine Veränderungen vornehmen.
Eigene Website und Online-Handel immer wichtiger
Große Stücke setzten die Sortimenter auf ihren Internet-Auftritt und damit auf eine Multichannel-Strategie. Fast die Hälfte von ihnen will im Netz aktiver sein als bisher und die Onlinepräsenz ausdehnen. Erfolge versprechen sich die Händler auch von einem größeren Veranstaltungsprogramm. Rund 35 Prozent wollen in diesem Bereich umtriebiger werden. An der Werbung soll ebenfalls nicht gespart werden, ein Viertel plant sogar umfassendere Marketingaktivitäten.
Geht es darum, Kosten zu senken, wird das größte Potenzial beim Abbau von Arbeitsplätzen gesehen. 22,4 Prozent der Sortimenter können sich vorstellen, diesen Schritt zu gehen – während 70,6 Prozent alle ihre Mitarbeiter weiterbeschäftigen wollen.
Unterschiedliche Erwartungen an das zweite Halbjahr
Der Blick in die Zukunft, sprich ins zweite Halbjahr, fällt bei den Umfrageteilnehmern sehr unterschiedlich aus. Genau ein Viertel rechnet damit, dass sich die Einnahmen in den kommenden Monaten verbessern werden. Mehr als die Hälfte glaubt an einen mittelmäßigen Umsatzverlauf – und ein Fünftel geht von schlechteren Geschäften aus, 1,5 Prozent rechnen gar mit einer sehr schlechten Umsatzsituation.
Analog zur Geschäftslage im ersten Halbjahr haben die Sortimenter für die kommenden Monate unterschiedliche Szenarien vor Augen. Von den Großbuchhandlungen nehmen 45,5 Prozent an, dass sich das zweite Halbjahr gut entwickelt, bei den kleinen Sortimenten mit Umsätzen bis 250 000 Euro sind es nur 25 Prozent. Besonders skeptisch zeigen sich die Firmen mit Einnahmen zwischen einer Million und 2,5 Millionen Euro. Hier gehen nur 15,1 Prozent davon aus, dass sich ihre Einnahmensituation verbessern wird.
Um am Schluss noch eine Prognose zu wagen: Angesichts der jüngsten wirtschaftlichen Entwicklungen könnten die optimistischen Buchhändler diesmal mit ihrer Einschätzung recht behalten.
Christina Schulte