Eine Podiumsdiskussion zum Abschluss des ersten Kongresstages fragte nach der Innovationsfähigkeit von Verlagen bei der Digitalisierung von Inhalten und ihrer Vermarktung und holte auch Ratschläge bei anderen Akteuren, etwa der Musikindustrie oder Google, ein.
Sind Verlage Treiber oder Getriebene? – so die Frage. Wird die Digitalisierung von Inhalten als Untergang für die Buchbranche begriffen oder als Herausforderung und Chance von Publikumsverlagen? Welche Rolle spielen dabei internationale Konzerne wie Google oder Amazon? Und wie steht es um die Experimentierfreudigkeit in den Verlagen, um den Markt mit neuen Produkten voranzubringen? Nicht zuletzt: sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen ausreichend für die Verlage? Der thematische Bogen, den Moderator Holger Volland aufspannte, war weit.
Potenzial des Umbruchs nicht erkannt
Jürgen Neffe, Wissenschaftsjournalist und Sachbuchautor, der am Vormittag bereits auf dem Kongress für seine multimediale E-Book-Alternative „Libroid" geworben hatte, klagte in der Podiumsdiskussion über „Trägheit und Ängstlichkeit" bei vielen Verlagen. Das Potenzial des Umbruchs werde von den meisten noch immer nicht erkannt, geschweige denn genutzt. Als Autor und Entwickler ist er deshalb selbst in die Offensive gegangen. Sein Libroid-Prototyp soll mit der elektronischen Version seines Sachbuchs „Darwin – Das Abenteuer des Lebens" als iPad-App demnächst am Markt sein. Attraktive Angebote müssten her, die die verschiedensten Interessen der Internetnutzer ansprechen.
„Ja, Publikumsverlage gehören noch immer zu den Getriebenen am Markt – nicht zu den ideenreichen Machern", beschrieb auch Ralf Alkenbrecher vom Aufbau Verlag die Situation. Doch man lerne seine Lektion und komme bei der Digitalisierung von Inhalten endlich aus den Startlöchern. Bei Aufbau ist das erste interaktive e-Book gerade in Vorbereitung. Das Problem: hohe Entwicklungskosten für niedrigpreisige Produkte und die Gefahren des illegalen Downloads.
Was kann man dabei von anderen lernen? Von der Musikindustrie etwa, wie Florian Drücke vom Bundesverband erklärte, trotz alledem spielerisch und testfreudig mit neuen Produkten zu sein. Zwar müsse seine Branche durch illegale Tauschbörsen weiterhin große Verluste hinnehmen – „der Markt ist gestört". Aber es genüge nicht, allein die Schutzzäune gegen Internetpiraterie höher zu ziehen. Zudem: „Es wächst das Rettende, wo Gefahr ist": Viele Musikanbieter finden heute mit ihren Inhalten in der Spiele-Industrie oder im Merchandising überraschend neue Partner.
Auch Google setzt im Internet mit seinen neuen Produkten auf Vielseitigkeit und aufs Experimentieren. „Wir starten sehr verschiedene Angebote - was der Nutzer nicht will, wird schnell gestoppt", erklärte Annette Kroeber-Riel von Google Germany. Im Übrigen will sich die Suchmaschine als verlässlicher Partner der Verlage verstanden wissen. Man sichere neue Erlösquellen.
Gesicherte rechtliche Rahmenbedingungen – dazu stehe die Politik, sagte Bundestagsmitglied und Urheberrechtsexperte Ansgar Heveling (CDU). Die Symbiose von Autor und Verlag müsse dabei weiter funktionsfähig bleiben. Autor Jürgen Neffe meinte im Schlusswort: Verlage sollten nicht länger den Kopf in den Sand stecken und sich von anderen treiben lassen. Jetzt müssten endlich die eigenen Ziele bestimmt werden und der Weg, um diese schnell zu erreichen.
Am heutigen zweiten Kongresstag stehen Vorträge über digitale Geschäftsmodelle, Content-Management und die Rolle von Autoren auf dem Programm. Mit dabei sind unter anderem Sven Fund (De Gruyter), Michael Justus (S. Fischer) Thomas Rode (Berlin Verlag) und der Schriftsteller Burkhard Spinnen.
Eine Videoaufzeichnung des Fachkongresses ist ab morgen Nachmittag auf der Website des Landesverbands Berlin-Brandenburg abrufbar: www.berlinerbuchhandel.de