Italien

Inge Feltrinelli: Einmal mit dem Nobelpreisträger tanzen

24. November 2010
Redaktion Börsenblatt
Amos Oz nannte sie einen Vulkan voller Neugier: Verlegerin Inge Feltrinelli wird heute 80 Jahre alt. Und hat noch einen großen Wunsch offen.
Inge Feltrinelli liebt Farben. Aber sie müssen lebhaft sein, gelb oder orange leuchten, denn die große alte Dame des italienischen und europäischen Verlagswesens ist die Lebhaftigkeit in Person. Wenn sie Gäste in ihrem mit Büchern, Fotos und Zeitungsausschnitten vollgestopften Arbeitszimmer lauthals begrüßt, begeistert von »ihren« Autoren erzählt oder von der nächsten Eröffnung einer Feltrinelli-Buchhandlung schwärmt und die tollen Mitarbeiter, »vor allem die Frauen«, überschwenglich lobt, dann will man eigentlich gar nicht glauben, dass dieser Wirbelwind mit den kupferroten Haaren 80 Jahre alt wird.

Geboren wurde Inge Schoenthal am 24. November 1930 in Essen, aufgewachsen ist sie in Göttingen. Nach dem Krieg sorgte sie als Fotografin für Aufsehen – berühmt sind ihre Begegnungen mit Hemingway oder Picasso. Später lernte sie den jungen Mailänder Verleger Giangiacomo Feltrinelli kennen und lieben. Nach seinem Tod 1972 (er kam bei einem Sprengstoff-Attentat ums Leben) übernahm sie das Verlags- und Buchhandelsunternehmen, das inzwischen ihr Sohn Carlo Feltrinelli führt.

Im Verlag kümmert sie sich heute vor allem um die Öffentlichkeitsarbeit und füllt damit die Rolle aus, die Carlo weniger gern spielt: Sie eröffnet Buchhandlungen, pflegt den Kontakt mit internationalen Autoren, tritt auf Messen und Tagungen auf.  Ein Vulkan voller Neugier, Freundlichkeit und Unternehmergeist – so hat Amos Oz sie kürzlich genannt. Neugier, sagt Inge Feltrinelli, stimuliere. Gerade im Alter müsse man sie weiterentwickeln, sonst sei man »out«. Freundlichkeit ist für sie eine natürliche Gabe – und sie sei dankbar, dass sie sie habe. Und ohne Unternehmergeist könne kein Verleger auskommen, schließlich müsse er sich »jeden Tag neu erfinden«.

In ihrer Jugend hat sie mit der Lampe unter der Bettdecke gelesen. Heute einen E-Book-Reader zur Hand zu nehmen – dafür sei sie zu alt, meint sie selbst. Sie will das Papier riechen und hören, wie es zwischen den Fingern knistert. Vermutlich gehöre der Elektronik die Zukunft – »aber ich bin für Gutenberg«! Wenn sie einen Wunsch frei hätte, würde sie ihn dafür einsetzen, dass mal wieder ein Feltrinelli-Autor den Literaturnobelpreis gewinnt. Dann könnte sie nach Stockholm fah­ren und »mit dem Gewinner tanzen«. – Das sind Träume einer 80-Jährigen!