Kommentar

Traumfabrik Amazon

25. November 2010
Redaktion Börsenblatt
Schaut man sich die Vertrags­bedingungen des frisch gegründeten Online-Filmstudio von Amazon genauer an, bleibt ein fader Nachgeschmack. Ein Kommentar von Börsenblatt-Redakteurin Sandra Schüssel.
Samtsessel, Popcorn, der Kinovorhang geht auf: Im Vorspann brüllt nicht mehr der Löwe des Hollywood-Filmstudios Metro-Goldwyn-Mayer. Stattdessen flimmert "Produced by Amazon Studios" über die Leinwand. Schöne neue Kinowelt?
Zunächst einmal klingt alles toll beim frisch gegründeten Online-Filmstudio von Amazon: junge Talen­te fördern, überkommene Hollywood-Hierarchien abschaffen und für mehr Demokratie bei der Filmproduktion sorgen – ein lobenswertes Vorhaben.
Schaut man sich die Vertrags­bedingungen jedoch genauer an, bleibt ein fader Nachgeschmack. Mit dem Hochladen eines Scripts bei Amazon Studios gibt ein Autor die Verwertungsrechte vollständig an Amazon ab. In den ersten­ 18 Monaten darf er sein Stück nicht an andere verkaufen – auch wenn andere Käufer höhere Preise bieten. Will Amazon das Script für weitere 18 Monate behalten, muss der Autor zustimmen. Für die wenigen erfolgreichen Autoren kann der Vertrag damit zum Knebel werden – und Geld in die Kassen zweier Unternehmen spülen, die ohnehin schon zu den mächtigsten der Welt gehören: Amazon und Partner Warner Bros. Pictures.

Zweifelhaft auch, ob das Prinzip "Crowdproducing" ein Filmscript wirklich besser macht. Wenn die Netzgemeinde einen Entwurf verändern und umschreiben kann, bleibt am Ende ein mainstream-konformer Einheitsbrei. Einen kantigen Polanski oder Fellini würde die Traumfabrik Amazon mit der eingebauten Schleuse durch den Massengeschmack wohl nicht hervorbringen.