#yeaward17: Die Nominierten (7)

Laura Bruning: "Auf-die-Fresse-Literatur"

14. September 2017
von Christina Busse
Laura Bruning hat schon im Studium einen Verlag gegründet, das Geld dafür verdiente sie als Barkeeperin. Die Gorilla-Verlegerin, für den Young Excellence Award nominiert, will in diesem Jahr so richtig durchstarten – mit Büchern, die verstören. 

"Viele Autoren haben bahnbrechende Ideen im Kopf, aber sie trauen sich nicht, sie aufzuschreiben, weil sie befürchten zu scheitern", meint Laura Bruning. Die 28-Jährige hat vor drei Jahren einen eigenen Verlag gegründet und will Autoren dazu ermutigen, ihren Vorstellungen freien Lauf zu lassen. Bruning ist immer spannenden Geschichten auf der Spur, die zum Profil des Verlags passen. Dessen Name ist Programm: Gorilla. Ein wütend brüllender Gorilla, wie ihn das Logo zeigt. Die Bielefelderin will Lesestoff bieten, der unbequem ist und verstört. Bücher, "die beißen und stechen", wie sie Franz Kafka zitiert. Romane, die entsprechend der Typologie in der Filmtheorie als Dark Drama bezeichnet werden. Oder einfach, wie sie selbst sagt, "Auf-die-Fresse-Literatur". Die junge Verlegerin reizen düstere, mit Härte erzählte Geschichten, die Unwohlsein verursachen.

Geschichten von der Theke

Der erste Titel im Verlags­programm war ihr eigenes Romandebüt: "Von Göttern und Maschinen", ein – laut eigener Beschreibung – "satirisches ­Psychodrama", mit dem sie der jungen Spaßgesellschaft und deren (Über-)Treiben in sozialen Netzwerken einen Spiegel vorhalten wollte. Das Material dazu hatte sie aus erster Hand: "Ich habe mir mein Studium über meinen Job als Barkeeperin finanziert. Er war gleichzeitig Inspirationsquelle für mein ers­tes Buch: Ich habe erlebt, wie dicht Partykultur und Perspektivlosigkeit zusammenliegen, und mir hinter der Theke Notizen gemacht", erzählt Laura Bruning, die in der ostwestfälischen Kleinstadt Halle aufgewachsen ist und nach dem Abitur und einem Freiwilligen Sozialen Jahr ihr Studium der Literatur­wissenschaften in Bielefeld aufgenommen hat.

Kurze Nächte

In einem Uni-Seminar lernte sie die Grundschritte einer Verlagsgründung kennen. Bei Dozent Lutz Graner, gleichzeitig Inhaber des Eichenspinner Verlags, sammelte sie erste praktische Erfahrungen. Und stellte fest: Es ist machbar. "Ich war bereit zu der Fleiß­arbeit, die eine Gründung mit sich bringt, und habe mir im Learning by Doing vieles selbst beigebracht", sagt Bruning. Als Startkapital diente das "Thekengeld", das sie von ihrem abendlichen Job als Tresenkraft zur Seite legen konnte. Mit wenig Schlaf und der Bereitschaft, nachts viel und alleine am Laptop zu schreiben, hat sie auf die Verlagsgründung hingearbeitet. "So ist Schritt für Schritt das Hobby zum Beruf geworden", erzählt Bruning, die seit Abschluss ihres Studiums im April hauptberuflich die Geschicke des Verlags leitet. Inzwischen hat ihr Gorilla Verlag den Sprung vom studentischen ­Nebenprojekt zum Kleinverlag gemeistert. "Am Anfang war es schwierig, sich von den konventionellen Berufsvorstellungen zu lösen: Nicht morgens ins Büro zu gehen und den Kollegen Hallo zu sagen – ich musste mich erst daran gewöhnen, dass freie Arbeit okay und der Kühlschrank auch auf diese Art und Weise voll ist", berichtet Bruning, die nach wie vor von ihrer Bielefelder Studentenbude aus tätig ist, während sich der offizielle Verlagssitz in ihrer Heimatstadt Halle befindet. Inzwischen genießt sie es, voll durchstarten und sich ganz auf den weiteren Ausbau ihres Verlags konzentrieren zu können. Nach und nach soll nun das Team, das bisher projektbezogen zusammenfand, verstärkt und das Programm erweitert werden.

Talentwettbewerb

Zwei Bücher sind in diesem Jahr bereits neu veröffentlicht worden, neben einem weiteren eigenen Titel ("Der König des Sterbens") auch der von Johanna Wohlgemuth verfasste Roman "Frau Schnieder kehrt heim". Im Dezember soll eine Anthologie folgen, in der die besten Geschichten aus einem in diesem Jahr zum zweiten Mal veranstalteten Schreibwettbewerb zu finden sind. "Wettbewerbe ermutigen die Menschen dazu, ihre Fantasien zu Papier zu bringen. Uns geben sie die Möglichkeit, auf Talente aufmerksam zu werden und zu testen, wer zu uns passt", erklärt Bruning, die zurzeit die 270 Einsendungen zum diesjährigen Motto "Alles hätte so schön werden können" sichtet, während der Kurzgeschichten-Wettbewerb für 2018 bereits in Vorbereitung ist. Sein Publikum findet der Gorilla Verlag über soziale Medien wie ­Instagram, Twitter und Facebook, über Flyer und Poster. Bei Lesungen werden vom Wohnzimmer bis zum Kinosaal verschiedenste Formate ausprobiert. Die regionale Presse zeige großes Interesse an den jüngst erschienenen Titeln – "fast täglich kommen Interview­-Anfragen", freut sich die Verlegerin über die große Resonanz. Für die Zukunft kann sie sich den Einstieg in die multimediale Sparte, insbesondere in die Gaming-Branche, vorstellen: "PC-Spiele reizen mich sehr, zum Beispiel die Möglichkeit, selbst Entscheidungen für eine Figur zu treffen. Ich sehe in der Verbindung von Geschriebenem und Digitalem sehr großes Potenzial." Grundlage bleiben aber auch da immer noch spannende Geschichten abseits des Mainstreams, "unbequeme Texte, die ins Herz stechen", so Bruning. Der Gorilla als Herz-Schmerz-Verlag – aber eben anders.

Laura Bruning
wurde 1989 im westfälischen Halle geboren und machte ihren Master in Literaturwissenschaft. 2014 gründete sie den Gorilla Verlag, in dem sie ihr Romandebüt und weitere Titel des Genres Dark Drama veröffentlicht hat. Pro Jahr sollen im Verlag nun vier neue Romane, Anthologien und crossmediale Projekte entstehen.

Was sagen Sie zu ...?

... Gorillas?
"Als Kind wollte ich Affenforscherin werden. Daraus wurde nichts. Tierversuche sind nicht mit meinen ethischen Grundsätzen vereinbar."

... Videospielen?
"Ich bin ein großer Fan, aber grottenschlecht im Bedienen von neueren Konsolen. Dafür bin ich unschlagbar am Super Nintendo."

... Lesefutter?
"Es gibt ja Bulimie-Leser: Leute, die Lesefutter in Masse konsumieren. Wir hingegen wollen mit unseren Büchern zu Gedankenexperimenten anregen und so nachhaltig wirken."

Der Börsenblatt Young Excellence Award 2017 und die Teilnahmebedingungen

  • Zum vierten Mal vergibt das Börsenblatt in Kooperation mit dem Börsenverein, der Frankfurter Buchmesse und dem mediacampus frankfurt einen Preis für herausragende junge Macher und Macherinnen in der Buchbranche. Der Preis zeichnet exzellente Persönlichkeiten bis höchstens 39 Jahren aus, die in der Branche etwas bewegen – sei es als Mitarbeiter in einer Buchhandlung, im Verlag bei einem Dienstleistungsunternehmen oder als Selbstständige.
  • Gefragt sind Leute in Verlagen oder Buchhandlungen oder bei Dienstleistern, die mit eigenständigem Denken und Handeln Spuren hinterlassen, aber noch nicht auf der Top-Führungsebene arbeiten.
  • Selbstnominierungen und Vorschläge für Kandidaten sind gleichermaßen willkommen: Vorschläge  für den Young Excellence Award können jederzeit per E-Mail an k.muehleck@mvb-online.de eingereicht werden. Stichwort: #yeaward
  • Aus allen Vorschlägen wählt die Börsenblatt-Redaktion die Nominierten der Shortlist aus. Jeden Monat stellt das Börsenblatt in der ersten Magazin-Ausgabe und auf boersenblatt.net einen Kandidaten vor. 
  • In einer öffentlichen Wahl ist die gesamte Buchbranche dazu augerufen, auf boersenblatt.net den Preisträger oder die Preisträgerin zu bestimmen. Der Sieger wird im November bekannt gegeben. Die Publikumswahl im Oktober ersetzt das bisherige Jury-Prinzip.

Das gibt es zu gewinnen

  • Alle Kandidaten auf der Shortlist erhalten exklusive Tickets für den "Business Club" der Frankfurter Buchmesse.
  • Der Gewinner kann mit einem Bildungsgutschein in Höhe von 1.000 Euro Fort- und Weiterbildungen auf dem mediacampus frankfurt besuchen.
  • Neben einem E-Paper-Jahresabo des Börsenblatts winkt dem Sieger oder der Siegerin außerdem ein Glaspokal als Trophäe.

Hier gibt es mehr Informationen zum Börsenblatt Young Excellence Award und den bisherigen Peisträgern und Nominierten.