Konzentration im Südwesten

Osiander übernimmt Herwig

3. April 2017
von Börsenblatt
Ein Paukenschlag im Südwesten: Der Regionalfilialist Herwig zieht sich aus Ulm zurück und will seine anderen Buchhandlungen im September an Osiander verkaufen.

Osiander gewinnt durch den Kauf von Herwig in der Region deutlich an Einfluss. In einer gemeinsamen Pressemitteilung äußern sich die Inhaber und Geschäftsführer der beiden Unternehmen zu ihrer Entscheidung. boersenblatt.net fasst das Wichtigste zusammen:

Osiander + Herwig: Die nächsten Schritte

Die Mitarbeiter wurden bereits informiert, jetzt läuft der Countdown für die Übernahme – bis zum 24. September. An diesem Tag sollen die vier Buchhandlungen von Herwig in Göppingen (Stammhaus; 800 Quadratmeter), Aalen (700 Quadratmeter), Heidenheim (700 Quadratmeter) und Schwäbisch-Gmünd (500 Quadratmeter) in den Besitz von Osiander übergehen.

Unmittelbar danach will Osiander die Läden umbenennen, neue Kassen aufstellen, die Marketingunterlagen austauschen und den 55 Herwig-Mitarbeitern – aus den vier verkauften Buchhandlungen werden alle übernommen – Zugang zum Warenwirtschaftssystem geben. Größere Umbauten sind nach Angaben der Geschäftsführer Heinrich und Christian Riethmüller jedoch nicht geplant: Die Herwig-Buchhandlungen seien nicht nur alle sehr schön und erfolgreich, sondern bei den Kunden auch sehr beliebt und würden – so, wie sie heute sind – bestens in unser Filialprofil von Osiander passen. Herwig stehe sowohl wirtschaftlich als auch konzeptionell bestens da, loben sie. "Wir freuen uns riesig."

Noch vor der Übernahme wird es für Inhaber Till Herwig darum gehen, seine knapp 30 Jahre alte Buchhandlung in Ulm zu schließen – mit 1.000 Quadratmetern ist sie die größte in seiner Flotte.

Herwig betont, dass die Entscheidung, den Standort aufzugeben, nichts mit der Übernahme durch Osiander zu tun habe. Grund für die Schließung sei vielmehr der harte Kurs des Vermieters: Herwig zufolge ließ sich der Mietvertrag nicht zu "wirtschaftlich erträglichen Bedingungen" verlängern – und das schon lange bevor Osiander als neuer Eigentümer überhaupt im Gespräch gewesen sei. In Ulm beschäftigt Herwig aktuell noch zwölf Mitarbeiter. 

Update: Die Schlosser`sche Buchhandlung in Augsburg soll ebenfalls verkauft werden, noch wird allerdings verhandelt: Wer sie übernimmt, entscheidet sich Till Herwig zufolge voraussichtlich Ende April. Das Traditionsunternehmen gehört seit 1993 zu Herwig und ist an zwei Standorten in der Stadt aktiv: im Zentrum (Annastraße 20; ca. 250 Quadratmeter) und an der Universität (ca. 70 Quadratmeter).

Nach der Übernahme: Die Buchhandelslandschaft im Südwesten

Im Südwesten wird sich in nächster Zeit einiges tun – nicht nur durch das Verschwinden von Herwig. Osiander hat noch mehr Pläne, wie der Überblick zeigt:  

  • Der Standort Ulm fällt weg; als Filialist hat in der Innenstadt dort künftig allein Hugendubel das Sagen (2.250 Quadratmeter; Hintergrund im Archiv: Thalia verkleinert sich in Ulm). Auch die unabhängigen Buchhandlungen dürften von dem Herwig-Rückzug profitieren (u.a. Bücher Jastram, Buchladen Eichhorn).
  • In Aalen sind derzeit noch beide aktiv, sowohl Herwig als auch Osiander (Übernahme Buchhandlung Jahn 2013). Doch das geht vorüber: Osiander wird seinen Standort (350 Quadratmeter) zugunsten der Herwig-Fläche (700 Quadratmeter) aufgeben – überzeugt davon, dass "zwei Buchhandlungen dieser Größe wirtschaftlich nicht betreibbar" seien und Herwig über den besseren Standort verfüge, wie es in der gemeinsamen Pressemitteilung heißt; die Arbeitsplätze sollen trotz Schließung erhalten bleiben.
  • Ähnliche Korrekturen stehen offenbar auch anderswo an. Osiander nennt zwar noch keine Details, betont aber, dass es in weiteren Städten ebenfalls "konkrete Verhandlungen zur Standortverbesserung" gebe.
  • Voraussichtlich im Herbst 2018 geht Osiander nach Emmendingen (bei Freiburg). Bücher kaufen die rund 26.000 Einwohner der Stadt bislang u.a. bei Sillmann, Büro Blum oder der parole Buchhandlung. 
  • Für 2017 hat Osiander aktuell zwei Neueröffnungen auf der Agenda – wie berichtet, mietet sich der Filialist Anfang Juni auf 600 Quadratmeter am Marktplatz in Stuttgart ein und zieht kurz darauf, Mitte Juni, in Bad Kreuznach mit dem Schuhfachhändler Wagner zusammen (Anteil Osiander: 500 Quadratmeter; siehe Archiv: Osiander zieht ins Schuhgeschäft).

Alles im allem kommt Osiander nach dem 24. September auf 45 Filialen, und damit seinem großen Ziel – 60 Filialen – wieder einen Schritt näher (mehr dazu im Archiv, 2014: Investitionen auf allen Ebenen).

Zwei vom gleichen Schlag? Die Gründe für den Verkauf von Herwig

Till Herwig erklärt den Verkauf nüchtern: Die Entscheidung sei für ihn zwar "emotional ganz schwierig" gewesen – für die Buchhandlungen jedoch die einzig richtige, sagt er. "Davon bin ich fest überzeugt." 2018 werde er 60 Jahr alt – da sollte man sich Gedanken über die Nachfolge machen. "Und nachdem die eigenen Kinder sich beruflich anders orientiert haben ist die Übergabe an ein derart gut aufgestelltes Unternehmen wie Osiander für alle Beteiligten die beste Lösung für die Zukunft."

Die Gespräche zwischen Herwig und der Inhaber-Familie von Osiander, der Familie Riethmüller, seien von Anfang an in gegenseitigem Respekt, zügig, zielgerichtet und überaus fair verkaufen, so die gemeinsame Pressemitteilung. Till Herwig verabschiedet sich mit den besten Wünschen: "Ich wünsche Osiander und den Mitarbeitern von ganzem Herzen alles Gute und viel Erfolg."

Daten zur Übernahme

Sowohl Osiander als auch Herwig sind Familienunternehmen, allerdings ist Osiander im Südwesten längst ein Schwergewicht. Im Vergleich:

  • Herwig setzte in seinen fünf Buchhandlungen nach eigenen Angaben zuletzt pro Jahr etwa acht Millionen Euro um und bewirtschaftete mit insgesamt rund 80 Mitarbeitern ca. 3.700 Quadratmeter. Hinzu kommt die Schlosser`sche Buchhandlung in Augsburg (ca. 320 Quadratmeter). Das Unternehmen wurde 1873 in Göppingen gegründet und ist seitdem im Besitz der Familie Herwig. Till Herwig leitet es in vierter Generation.
  • Der Umsatz von Osiander lag 2016 zehn Mal höher – bei knapp 80 Millionen Euro (mit 40 Filialen und, auf volle Köpfe gerechnet, 400 Mitarbeitern). Osiander, 1596 in Tübingen gestartet, gehört seit 1920 der Familie Riethmüller.


Mehr zur Übernahme lesen Sie am kommenden Donnerstag im Börsenblatt.