Mobiler Buchhändler

Können Buchhändler fliegen?

29. April 2010
von Börsenblatt
Rainer Weithoff hat langen Atem, egal ob er zu Fuß die Alpen überqueren möchte, oder in ganz Deutschland Buchhändler vertritt, damit sie Urlaub machen können (Urlaubsplanungstipps für Sortimenter finden Sie im aktuellen Börsenblatt). Seine eigene Buchhandlung hat er 2002 aufgegeben und arbeitet seitdem als mobiler Buchhändler. Stephan Eppinger hat ihn in Köln getroffen.
„Können Buchhändler fliegen? – Manche schon!“, steht in großen Lettern auf dem T-Shirt, das sich Rainer Weithoff übergezogen hat, um im Kölner Hauptbahnhof von seinem Interviewpartner sofort erkannt zu werden. Das informative Kleidungsstück gehört zwar nicht zu seiner täglichen Berufskleidung, aber bei Buchmessen macht der gebürtige Mannheimer damit gerne auf seine Dienstleistungen aufmerksam. Er arbeitet, nachdem er die eigene Buchhandlung in Köln aufgegeben hat, als mobiler Buchhändler, der bei Kollegen tatkräftig mit anpackt oder ihnen als erfahrener Berater zur Seite steht.

„Ich habe im Lauf meiner Arbeit viel gesehen und verstanden, davon möchte ich  gerne etwas weitergeben. Oft macht es Sinn, ein Geschäft einmal aus einer neuen, neutralen Perspektive zu betrachten, und dann Pläne für die Zukunft zu schmieden“, sagt Weithoff. Perspektivenwechsel hat er in seinem Leben schon häufiger vorgenommen; begonnen hat er seine Karriere als Werbefotograf. „Mein Problem war damals, dass wir den Menschen oft etwas vorgaukeln, wenn wir zum Beispiel Bierschaum fürs Foto haltbar machen. Ich möchte aber mit Menschen ehrlich zusammenarbeiten und alles auf den Tisch legen. Das erwarte ich auch von meinem Gegenüber“, sagt Weithoff.

So orientiert sich der damalige Wahlmünchner neu und wechselt die Branche. „Ich wollte gerne etwas im Verlags- oder Buchhandelsbereich machen. Ein Freund gab mir den Tipp, dass es in Köln eine ältere Buchhändlerin gibt, bei der ich vielleicht eine Lehre machen kann.“  Ein Lehrling wird in Köln zwar nicht gesucht, dafür aber ein Nachfolger für das Geschäft. Gerade einmal drei Monate später ist Weithoff dann statt Azubi plötzlich selbstständiger Buchhändler. Zusammen mit seiner Frau, die ebenfalls von der Fotografie in den Buchhandel wechselt, übernimmt er den Laden, den er bis 2002 betreibt.

Der nächste Perspektivwechsel ergibt sich aus privaten Gründen, denn Weithoffs Familie hat sich mit zwei Töchtern und einem Sohn inzwischen deutlich vergrößert und das Geschäft wirft nicht genug ab, um davon gut leben zu können. Weithoff gibt daher nach einer einjährigen Übergangsphase den Laden an einen Mitarbeiter ab und orientiert sich wieder einmal neu. So wechselt er zuerst zu einem Verlag und wird 2006 zum Buchhändler, der das „Fliegen“ beherrscht. „Ich wollte etwas Neues machen, und das ist mir mit der Kombination von einem mobilen Buchhändler und einem Berater gelungen.“ Daneben arbeitet der 60-Jährige noch bei der E-Buch-Gruppe, bei deren Gründung er schon dabei war, und die nun sein zweites berufliches Standbein bildet.

Sich immer wieder in neue Situationen eingewöhnen zu müssen, macht dem Kölner nichts aus. „Flexibel zu sein, passt zu mir und macht mir auch Spaß. Ich bin da wie ein Ball, der immer wieder hin und her geworfen wird“,  sagt der Mann, der bei seinen Beratungsgesprächen gerne mit Bildern arbeitet, um etwas zu erklären. Es sei wichtig, sich ganz auf neue Situationen einzulassen und nicht zu versuchen, einfach etwas überstülpen zu wollen. „Wichtig ist mir auch zu erfahren, ob ich selbst bei meiner Zeit in einer Buchhandlung etwas falsch gemacht habe. Deshalb bin ich für Kritik sehr offen und bitte sogar darum.“

Zwei Drittel des Jahres ist Weithoff für seine verschiedenen Aufgaben unterwegs und seine Familie akzeptiert das. „Ich habe meine Idee vorher genau mit meiner Frau abgesprochen. Es ist gar nicht so schlecht, immer wieder mal Abschied zu nehmen und sich dann wieder neu zu begegnen.“

Auch privat reist der mobile Buchhändler gerne, wobei er den nahen Zielen in Europa, den Vorzug vor den Fernzielen gibt. „Da bin ich ganz bodenständig. Demnächst breche ich mit meinem 23-jährigen Sohn auf, um zu Fuß die Alpen zu überqueren und nach Italien zu laufen. Das habe ich mit meiner Frau am Anfang unserer Beziehung auch schon gemacht. Mitte der 70er Jahre sind wir in zweieinhalb Monaten vom Bodensee nach Venedig gewandert.“ Wenn man Schritt für Schritt mit schwerem Gepäck seinem Ziel näherkomme, könne man gut seine Grenzen ausloten“, erklärt Weithoff, wie ein Buchhändler das "Fliegen" lernen kann.