Nachruf auf Wolfgang Hertling

Die Tonne ist nun leer

1. Oktober 2025
Redaktion Börsenblatt

Wolfgang Hertling, Geschäftsführer des Pala Verlags, ist am 23. September unerwartet mit 67 Jahren verstorben. Sein Verlag propagierte nachhaltiges, einfaches und naturnahes Leben. Er war "ein Darmstädter Diogenes aus der Gartentonne", schreibt Detlef Bauer in seinem Nachruf.

Foto von Wolfgang Hertling an seinem Schreibtisch

Wolfgang Hertling an seinem Schreibtisch

Unser Weggefährte Wolfgang Hertling ist tot. Die Nachricht braucht länger, um sich in unserem Bewusstsein festzusetzen. "Das ist eine richtige Katastrophe!", schreibt uns Dietrich zu Klampen. Wir, das ist ein fester Freundeskreis dieses auffällig unauffälligen Verlegers des Pala Verlags in Darmstadt.

Der Wolfgang – wie habe ich den kennengelernt? Am Anfang stand das Projekt Meta-Katalog von Michael Vogelbacher vom VLB. Der Katalog ist zwar nicht meta geworden, aber das VLB gibt es nun mit Goldrand. Und der Anteil von Wolfgang an dieser Entwicklung ist nicht gering zu veranschlagen. Denn wenn was nicht so war, wie er sich das vorstellte, dann rief er an, dann schrieb er Mails. In meinem Pala-Ordner sind davon viele. Was macht man da mit "seinen" Daten? Und geht das nicht besser, wenn er sich doch so viel Mühe gibt, die Sichtbarkeit der schönen Produkte seines Verlages über gute Metadaten in allen Online- und stationären Kanälen beständig zu erhöhen?

Dabei ging es ihm exemplarisch um die feinen Produkte rund um das Thema nachhaltiges, einfaches und naturnahes Leben, die der Pala Verlag, seit über 40 Jahren mit guten Autor:innen zusammen entwickelt. Am 1. April 2020 mitten in der Corona-Pandemie wurde das 40. Verlagsjubiläum von seinen Freund:innen "remote" gefeiert. Sein Anspruch aber war universeller: als Vertreter der IG unabhängiger Verlage war Wolfgang in den Fachbeirat des VLB delegiert und arbeitete für alle mit der Brille des unabhängigen Verlegers auf der Nase an der Weiterentwicklung einer Produktdatenbank, von der wir alle wussten, sie kann es besser. Und ja, es ging besser, wenn man zusammen uneitel an einer Lösung arbeitet. Das war ein Leitmotiv von steter-Tropfen-Wolfgangs Handeln.

Sein Verlag – so ein typisches Boomer-Ding. Da es von uns allen immer zu viele gab, schuf er seinen eigenen Arbeitsplatz. Es waren die frühen achtziger Jahre, als es mit den unabhängigen Bioläden losging. Kein Alnatura, kein Denns, keine Bioprodukte beim Kaufmann – nirgendwo nicht. Aber Läden, die auf Namen hörten wie Kornblume oder Grüner Pfeffer oder Kapuzinerladen oder ganz schlicht Bioladen – diese Läden mit dem eigentümlichen Geruch und den verschrumpelten Äpfeln. Diese Läden brauchten eine Kundenzeitschrift, das wurde "Schrot und Korn". Die brauchten auch Bücher über das Gärtnern und Einwecken, das Backen und Brauen und das gute Leben in der Natur, schonend im Umgang.

Und das Buchprogramm übernahm Wolfgang, natürlich nicht alleine. Das Boomer-Ding kam gerne als Kollektiv daher. Wolfgang dazu im Jahr 2020: "Ich weiß sehr wohl, dass diese 40 Jahre nicht 'meine 40 Jahre sind' (bei mir selbst sind es ja auch nur 37 Jahre), sondern dass das nur möglich war und ist durch meine tollen Mitarbeiterinnen, durch unsere AutorInnen und all die vielen anderen, die uns so freundschaftlich bei unserer Arbeit begleitet haben und hoffentlich noch lange weiterhin begleiten werden." Die Pala-Bücher waren inhaltlich wie graphisch unverwechselbar gestaltet. Im Laufe der Jahre im Auftritt sanft modernisiert und bis heute sofort erkennbar. Wolfgang – ein Darmstädter Diogenes aus der Gartentonne: Regenwasser nutzen – ein Geschenk für meinen Garten.

Und Wolfgang privat? Verschmitzt lächelnd, am Rande eines Treffens stehend. Im Plenum gerne eine hintersinnige Frage stellend, so was Flauschiges mit einem kleinen Widerhaken. Immer erfreulich freundlich, auch in polemischen Zeiten. Wieder geben wir Dietrich zu Klampen das Wort: "Gerührt waren wir von Wolfgangs geduldigen Erklärungen, wenn er in den (un)sozialen Medien den Heißspornen die Luft rausließ, weil er komplizierte Zusammenhänge erklärte oder zur direkten Kommunikation aufforderte". Wolfgang, ein freundlicher Aufklärer. Wolfgang, irgendwann dann der Mann mit den Schmerzen beim Laufen. Aber bitte nicht viel klagen. Dezent war er. Wolfgang – ein Geschenk für uns. Wir werden ihn weiter gernhaben.

Dr. Detlef Bauer ist bei Libri für Produktmanagement Metadaten & Suche verantwortlich.