Österreichischer Staatspreis für Europäische Literatur 2024

Joanna Bator wird ausgezeichnet

19. März 2024
von Börsenblatt

Der Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur geht dieses Jahr an die polnische Autorin Joanna Bator. Der Preis ist mit 25.000 Euro dotiert.

Joanna Bator

Joanna Bator 2016 auf der Leipziger Buchmesse

Hunderte Geschichten

„Joanna Bator erzählt in ihren umfangreichen Büchern hunderte kleine Geschichten, die kunstvoll zu wunderbaren Romanen verflochten werden und uns Leser:innen vom ersten Satz an in eine oftmals fremd wirkende Welt, die einem aber nach einigen Seiten schon vertraut ist, ziehen (..). Mit freundlicher Ironie begegnet Joanna Bator ihren Figuren und lässt am Rand der Welt immer wieder auch die ,große‘ Geschichte aufblitzen, die das Leben von heute auf morgen verändert. Joanna Bator hat ihre Geburtsstadt Wałbrzych, aus der sie mit 19 Jahren nach Tokio, New York, Berlin und London aufgebrochen ist, auf der Landkarte der Weltliteratur eingeschrieben und den widerständigen Frauen aus Wałbrzych einen Platz im Gedächtnis der Leser:innen gesichert“, gratulierte Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer Staatssekretärin und hebt in diesem Zusammenhang auch die besondere Bedeutung der Übersetzer:innen hervor, ohne die es keine europäische Literatur, ohne die es keine Weltliteratur geben würde: „Denn dass wir Joanna Bators Literatur auf Deutsch lesen können, verdanken wir ihren großartigen Übersetzerinnen Lisa Palmes und Esther Kinsky.“

Joanna Bator hat ihre Geburtsstadt Wałbrzych, aus der sie mit 19 Jahren nach Tokio, New York, Berlin und London aufgebrochen ist, auf der Landkarte der Weltliteratur eingeschrieben und den widerständigen Frauen aus Wałbrzych einen Platz im Gedächtnis der Leser:innen gesichert.

Die Jurybegründung

„Geboren in der niederschlesischen Stadt Wałbrzych/Waldenburg, aus der die deutsche Bevölkerung ab 1945 vertrieben wurde, nimmt Joanna Bator in ihren Werken mehrfach Bezug auf die Gewaltgeschichte des Zweiten Weltkriegs, welche die Beziehungen zwischen Europa und Polen bis heute prägt. In vielschichtigen Erzählungen, in deren Zentrum meist weibliche Figuren stehen, verarbeitet Bator traumatische Erfahrungen des letzten Jahrhunderts. Sie lädt belastete Orte literarisch auf, gibt den Dargestellten Raum und Stimme, bringt sie Lesenden nahe und verbindet eindrucksvoll Vergangenes mit gegenwärtigen politischen und gesellschaftlichen Realitäten. Dabei verfährt sie nie lehrhaft, sondern beobachtungsgenau, sprachlich versiert, spielerisch, voller Fantasie und Witz. Zudem meldet sich die Autorin in Essays, Artikeln, Kolumnen u.a. für Tygodnik Powszechny, National Geographic und Voyage zu Wort, tritt gegen fundamentalistische Zwänge auf, denen besonders Frauen und queere Menschen in rückwärtsgerichteten Regimen ausgesetzt sind. Joanna Bator lehrte an Hochschulen in Warschau, New York, London, Tokio, hält Poetikvorlesungen, hatte die Gastprofessur für Weltliteratur in Bern inne, wo sie über Heterotopien, das Unheimliche und Außenseiter, auch in der japanischen Kultur dozierte. Mit ihren literarischen Werken erzählt Joanna Bator große mitteleuropäische Geschichte aus weiblicher Perspektive.“

Die fünfköpfige Jury für den Preis 2024 bestand aus. Bernhard Fetz, Benedikt Föger, Walter Grond, Claudia Romeder und Sabine Scholl.

Über Joanna Bator

Joanna Bator, 1968 geboren, publizierte in wichtigen polnischen Zeitungen und Zeitschriften und forschte mehrere Jahre lang in Japan. Die deutsche Übersetzung ihres Romans Sandberg durch Esther Kinsky war ein literarisches Ereignis. Seither gilt Joanna Bator als eine der wichtigsten neuen Stimmen der europäischen Literatur. Für Dunkel, fast Nacht (2012) wurde sie mit dem NIKE, dem wichtigsten Literaturpreis Polens, ausgezeichnet. Joanna Bator ist Hochschuldozentin und lebt in Japan und Polen.

Publikationen in deutscher Übersetzung: „Bitternis“, Frankfurt 2023. Aus dem Polnischen von Lisa Palmes , „Dunkel, fast Nacht“, Frankfurt 2021. Aus dem Polnischen von Lisa Palmes, „Wolkenfern“, Frankfurt 2014. Aus dem Polnischen von Esther Kinsky, „Sandberg“, Frankfurt 2014. Aus dem Polnischen von Esther Kinsky

Preise: Samuel-Bogumił-Linde-Preis 2022, Eichendorff-Literaturpreis 2022, Internationaler Hermann-Hesse-Preis 2018, Usedomer Literaturpreis 2017, Internationaler Stefan-Heym-Preis der Stadt Chemnitz 2017, Internationaler Literaturpreis – Haus der Kulturen der Welt 2016 (Shortlist), Spycher: Literaturpreis Leuk 2014, Nike-Preis 2013, Internationaler Literaturpreis - Haus der Kulturen der Welt 2011 (Shortlist).

Über den Preis

Der Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur wird seit 1965 für das literarische Gesamtwerk einer europäischen Autorin bzw. eines europäischen Autors verliehen, das international besondere Beachtung gefunden hat, was durch Übersetzungen dokumentiert sein muss. Das Werk muss auch in deutschsprachiger Übersetzung vorliegen. Der Preis ist mit 25.000 Euro dotiert. Die Preisverleihung durch Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer findet am 27. Juli 2024 im Rahmen eines Festaktes während der Salzburger Festspiele statt.

Zuletzt ging der Preis an Mircea Cărtărescu, Andrzej Stasiuk, Karl Ove Knausgård, Zadie Smith, Michel Houellebecq, Drago Jančar, László Krasznahorkai, Ali Smith und Marie NDiaye.

Vergeben wird der Preis vom Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport.