Interview zu den Fachgruppenversammlungen

"Liegen wir richtig mit den Themen, die wir gerade bearbeiten?"

22. September 2023
von Sabine Cronau

Die Fachgruppenversammlungen des Börsenvereins tagen am 5. Oktober. Wofür diese "Fokus"-Treffen gut sind – und warum Mitglieder sich am besten für alle drei Termine anmelden: Antworten von den Vorsitzenden der Fachausschüsse.

An der Spitze der Fachausschüsse: Nadja Kneissler (links), Christiane Schulz-Rother, Stephan Schierke

Für den Fall, dass nicht alle unsere Leser:innen die Rolle der Fokus-Fachgruppenversammlungen kennen: Was ist der Sinn, das Ziel dieser Konferenzen?

Nadja Kneissler: Die Fokus-­Fachgruppenversammlungen (Termine und Anmeldung hier) sind für den Austausch mit unserer Basis gedacht, also mit allen Mitgliedern des Börsenvereins. Jede und jeder kann teilnehmen. Wir berichten von der Arbeit der Fachausschüsse, beantworten Fragen, soweit das zeitlich möglich ist, und freuen uns über Anregungen für die Arbeit der Ausschüsse.
Christiane Schulz-Rother: Das Wertvolle an diesen Veranstaltungen ist, dass wir direkt mit den Mitgliedern in den Austausch treten und prüfen können: Liegen wir richtig mit den Themen, die wir bearbeiten? Oder gibt es Dinge, die gerade wichtiger sind in unserer jeweiligen Sparte?

Alle drei Fokus-Konferenzen finden zeitlich gestaffelt am 5. Oktober statt. Die Mitglieder können sich für die Termine aller drei Sparten anmelden. Warum wäre eine Teilnahme am Fokus Ihrer Sparte wichtig?

Stephan Schierke: Der Zwischenbuchhandel ist Teil des Kitts, der die Branche zusammenhält. Er ist die Brücke zwischen den beiden großen Sparten und berührt beide Interessenssphären. Wer sich für dieses Spannungsfeld interessiert, der sollte bei uns vorbeischauen. Insbesondere bei der Vorstellung der Logistikumfrage werden bestimmt erneut unbequeme Wahrheiten, aber auch Ansatzpunkte für Verbesserungen sichtbar.
Kneissler: Der Ausschuss für Verlage arbeitet an vielen Themen, die für das Tagesgeschäft und für die wirtschaftliche Zukunft unserer Mitglieder hohe Relevanz haben. Neben der intensiven Zusammenarbeit mit internationalen Partnerverbänden, insbesondere zu europaweit rechtsrelevanten Themen wie Barrierefreiheit oder Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, geht es beispielsweise auch um Themen wie strukturelle Verlagsförderung oder um den Einsatz und die Auswirkungen von KI, um Fragen der Branchenlogistik sowie um die Sicherung der wirtschaftlichen Basis der Verlage.
Schulz-Rother: Nur wenn ich weiß, was den Buchhandel aktuell umtreibt, was gut läuft und was weniger gut läuft, kann ich meine Arbeit als Vorsitzende des Ausschusses für den Sortimentsbuchhandel richtig machen und die Themen ins Hauptamt bringen, die wirklich zählen. Deswegen bin ich darauf angewiesen, dass möglichst viele Buchhändler:innen die Chance auf den Austausch ergreifen. Gleichzeitig freue ich mich auch über Beteiligung der anderen Sparten. Es ist immer hilfreich für eine gute Zusammenarbeit und das Vorankommen der Branche, auch deren Themen zu kennen und ihre Sicht­weisen zu verstehen.

Das Topthema im Sortiment ist auskömmliches wirtschaftliches Arbeiten

Christiane Schulz-Rother, Vorsitzende im Ausschuss für den Sortimentsbuchhandel und Inhaberin von vier Buchhandlungen in Berlin (u. a. Tegeler Bücherstübe)

Als Vorsitzende der von den Fachgruppenversammlungen gewählten Fachausschüsse führen Sie durch die Tagesordnung. Würden Sie sich wünschen, dass sich die Mitglieder stärker einbringen – auch mit eigenen Themenvorschlägen?

Schulz-Rother: Klar, ich freue mich immer über engagierte Vorschläge, ich möchte moderieren und diskutieren, keinen Frontalvortrag halten. Es soll ein lebendiger Austausch sein, damit wir am Ende ein breites Stimmungsbild haben, das wir mit in unsere weitere Arbeit nehmen können.
Kneissler: Auch ich wünsche mir das sehr! Am liebsten mit Themenvorschlägen schon im Vorfeld des Fokus-­Termins, damit wir uns vorbereiten und gegebenenfalls Themen in der Tagesordnung ergänzen können. Genau darum geht es ja bei diesem Format: Wir berichten über unsere Arbeit und suchen die Rücksprache, ob wir mit unserer Themensetzung die Interessen der Mitglieder gut abdecken. Die Fokus-Fachgruppenversammlung ist so was wie ein Parteitag in der Politik – nur leider zeitlich deutlich enger gefasst.
Schierke: Eine starke Mitgliederbeteiligung ist immer besser als ein Schmoren im eigenen Saft. Im Zwischenbuchhandel sehe ich zum Glück einen großen und zudem repräsentativen Teil des Marktes vertreten. Aber es geht zweifelsohne noch besser, und Anregungen von Mitgliedern sind willkommen!

Gibt es konkrete Topthemen, für die Sie sich Rückmeldungen oder Impulse von den Teilnehmenden wünschen, damit Sie Ihre Arbeit für die Branche in den kommenden Monaten noch stärker an den ­Bedürfnissen der Mitglieder ­ausrichten können?

Kneissler: Zu den Themen Barriere­freiheit und Nachhaltigkeit wüsste ich wahnsinnig gern, wie intensiv in den Verlagen und den anderen Sparten daran gearbeitet wird – denn bei beiden Themen haben wir nur noch enge Zeitfenster für die Änderungsprozesse in den Unternehmen, bevor uns EU- und staatliche Regelungen zum Handeln zwingen. KI halte ich für eines der brisantesten Themen – sie kann die Arbeit in den Verlagen grundlegend verändern. Auch dazu interessiert mich die Meinung unserer Mitglieder. Und die Frage, wie wir in Zukunft Fachkräfte und Nachwuchs rekrutieren können, halte ich für ein so zentrales Thema, dass wir hier im Ausschuss für Verlage für das kommende Jahr einen Schwerpunkt setzen möchten.
Schulz-Rother: Das Topthema unserer Sparte ist das auskömmliche wirtschaftliche Arbeiten. Damit steht und fällt alles, denn ohne ausreichende Erträge haben wir keine Chance, uns anderen wichtigen Themen zuzuwenden. Die Problemfelder sind eng miteinander verzahnt und bedingen sich, sodass wir im gleichen Atemzug auch über Frequenzbelebung und Fachkräftemangel beziehungsweise Nachwuchsförderung sprechen müssen.
Schierke: Ich denke, dass wir die wesentlichen Themen ganz gut ab­decken, zumal es im Zwischenbuch­handel faktisch nur zwei Interessen­strömungen gibt, die sich zudem zum Teil überlappen: Auslieferungen und Barsortimente. Insofern sollten die Mitgliederinteressen auch ohne zusätzliche Impulse gut abgedeckt werden. Allerdings, und hier spreche ich für den gesamten Ausschuss, sind wir durchaus offen für Hinweise beziehungsweise Impulse aus der Mitgliedschaft.

Die Fachgruppenversammlungen haben früher immer analog getagt, im Rahmen der Buchtage Berlin. Seit Corona finden sie digital statt – und das soll vorerst so bleiben. Was wird dadurch gewonnen? Und was geht vielleicht auch verloren?

Schulz-Rother: Ich persönlich bin eine absolute Befürworterin der Treffen vor Ort. Im direkten Gespräch äußern sich die Leute stärker, der Austausch ist reger und herzlicher. Über ein freundliches »Wie geht’s dir?« kommt man leicht ins Gespräch und stärkt so auch außerhalb der Sitzungssituation brancheninterne Bindungen. Aber natürlich bringt der digitale Austausch auch Vorteile: Viele Buchhändler:innen können nicht einfach mal für ein, zwei Tage aus ihrem Geschäft verschwinden. Treffen wir uns auf virtuellem Weg, haben daher mehr Kolleg:innen die Chance, teilzunehmen. Und persönlich treffen wir uns dann an anderer Stelle. Ich freue 
mich schon darauf, viele Mitglieder auf der Frankfurter Buchmesse und bei der Hauptversammlung am Messesamstag zu sehen.
Kneissler: Verloren geht wie bei fast allen Digitalformaten die Spontaneität und auch das viel angenehmere 
Gefühl, alle Kolleg:innen direkt zu sehen und die Reaktionen im Raum zu spüren. Positiv finde ich, dass die digitale Fokus-Veranstaltung jedem Mitglied die Teilnahme ermöglicht – ohne Reisezeiten und Reisekosten.
Schierke: Auf der Gewinnseite stehen aus meiner Sicht eine niedrigere Teilnahmeschwelle und ein geringerer Zeitaufwand. Verloren gehen dabei allerdings zufällige Begegnungen und Gespräche am Rande des Treffens bis hin zu dem ein oder anderen Zwiegespräch außerhalb der Fachgruppe.

Starke Beteiligung der Mitglieder ist immer besser als ein Schmoren im eigenen Saft

Stephan Schierke, Vorsitzender im Ausschuss für den Zwischenbuchhandel und Geschäftsführer bei VVA / Arvato Media

Ein großes Thema aller drei Sparten ist die Nachhaltigkeit. Geht die Arbeit hier voran? Können Sie ein kurzes Update für Ihre Sparte geben?

Schulz-Rother: Was die Nachhaltigkeit angeht, setze ich ganz auf den Dialog mit den anderen Sparten: Gemeinsam können wir mehr erreichen. Für den Buchhandel geht es unter anderem darum, Remissionen zu reduzieren, die Branchenlogistik zu optimieren und gemeinsam mit Verlagen und Zwischenbuchhandel an den Nachhaltigkeits­themen weiterzuarbeiten. Ein kleines Beispiel aus der Praxis: Arbeitshefte für Schüler:innen müssen nicht einzeln eingeschweißt sein.
Schierke: Nachhaltigkeit ist inzwischen bei vielen Zwischenbuchhändlern Teil der DNS. Allerdings gibt es durchaus geteilte Auffassung darüber, was tatsächlich nachhaltig ist und was reine Symbolpolitik. Dabei sind gerade im Zwischenbuchhandel die Themen vielfältig und reichen von der PV-Anlage auf dem Hallendach über Bündelung auf allen Stufen der Lieferkette bis hin zu Print on Demand. Sie haben mit dem Eingangsstatement recht: Es geht um alle drei Sparten, und nur gemeinsam werden wir vorankommen können.
Kneissler: Nachhaltigkeit ist ja mein Herzensanliegen – und ich freue mich sehr, dass wir mit der IG Nachhaltigkeit eine großartige Gruppe haben, die alle Nachhaltigkeitsthemen für die Branche intensiv bearbeitet. Es gibt dazu viel zu berichten – schon allein dafür lohnt sich die Teilnahme an den Fokus-Terminen.

Zu KI bräuchten wir eigentlich einen ganzen Fokus-Tag. Da reichen einige Minuten nicht aus

Nadja Kneissler, Vorsitzende im Ausschuss für Verlage

Die Verlage beschäftigen sich auch intensiv mit den Entwicklungen rund um künstliche Intelligenz – und dem großen urheberrechtlichen Einfluss von KI-Tools. Grund zur Besorgnis?

Kneissler: Ich habe es ja oben schon erwähnt: KI wird meiner Meinung nach die Arbeitsweise von Verlagen und auch die Zusammenarbeit mit Autor:innen, Agent:innen und Übersetzer:innen an vielen Punkten verändern. Und natürlich müssen wir unsere Lobby­arbeit zum Schutz des Urheberrechts vor diesem Hintergrund weiter inten­sivieren – was wir auch bereits tun im Ausschuss für Verlage. Auch darüber werden wir im Fokus-Termin berichten. Zu diesem Thema braucht es aber eigentlich möglichst bald einen ganzen Fokus-Tag – da reichen einige Minuten nicht aus.

Den Zwischenbuchhandel hat in den vergangenen Monaten vor allem die Wirtschaftlichkeit der Logistik beschäftigt. Hat sich die Lage etwas entspannt?

Schierke: Die Kostenzuwächse sind nicht mehr so dramatisch wie im Vorjahr. Von einer Entspannung kann jedoch keine Rede sein, denn große Herausforderungen wie zum Beispiel der Fachkräftemangel beziehungsweise ganz allgemein der Personalmangel sind weiter ungelöst. Folgerichtig erwarte ich weiterhin Personalkostensteigerungen oberhalb des langjährigen Mittels. Da hilft es nur wenig, wenn neue Strom­verträge inzwischen wieder auf einem niedrigeren Niveau abgeschlossen werden können.

Kundenfrequenz und Innenstadtentwicklung sind für den Einzelhandel ein großes Thema nach der Corona-Krise. Würde sich der Buchhandel mehr Einsatz von der Politik wünschen – oder tut sich was in den Kommunen?

Schulz-Rother: Das ist sehr unterschiedlich. Einzelne Kommunen machen da schon sehr viel, es wird einiges Geld investiert und es werden auch Erfolge erzielt. In vielen Städten ist es aber weiterhin schwierig: Es fehlt an zentralen Ansprechpartner:innen und häufig leider auch am Willen zur Umsetzung. Hier ist vonseiten der Politik noch viel Luft nach oben.

Jetzt für die Fachgruppenversammlungen anmelden!

Barrierefreiheit, Kulturpass, Logistikumfrage: Das sind nur drei von vielen wichtigen Branchenthemen, die am 5. Oktober bei den Fachgruppenversammlungen des Börsenvereins diskutiert werden.

Verlage, Buchhandlungen und Logistiker können auch an den Treffen der jeweils anderen Sparten teilnehmen. Die Sitzungen finden digital statt. 

  • Fokus Verlage: 10 – 12 Uhr
  • Fokus Branchenlogistik: 15 – 17 Uhr
  • Fokus Sortiment: 18 – 20 Uh

Anmeldung: boersenverein.de/fokus.