Jahresrückblick des Bundeskartellamts

Amazon, Apple & Co. im Visier

22. Dezember 2021
von Börsenblatt

Seit Anfang des Jahres in Deutschland ein verschärftes Wettbewerbsrecht in Kraft getreten ist, können sich die großen Internetkonzerne nicht mehr entspannt zurücklehnen: Das Bundeskartellamt hat 2021 gegen Amazon, Apple, Google und Meta (ehemals Facebook) neue Verfahren eröffnet.

Im Jahresrückblick der Wettbewerbshüter unterstreicht Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, die Notwendigkeit einer effektiven Kontrolle der Wettbewerbspraktiken von Internetkonzernen: "Der Wettbewerbsschutz in der Digitalwirtschaft bleibt eine Top-Priorität für das Bundeskartellamt. Seit Anfang des Jahres haben wir ein neues Instrument, eine verbesserte Missbrauchsaufsicht, um gegen wettbewerbsschädliche Praktiken von großen Digitalkonzernen schneller und effektiver vorgehen zu können." Mundt meint damit die am 19. Januar 2021 in Kraft getretene 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), das sogenannte GWB-Digitalisierungsgesetz. Es enthält unter anderem neue, weitreichende Missbrauchsvorschriften, die "Unternehmen mit marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb" betreffen.

Mundt weiter: "Wir haben umgehend neue Verfahren gegen Amazon, Apple, Google und Meta eingeleitet, die wir mit viel Nachdruck betreiben, so dass wir im neuen Jahr schnell erste Ergebnisse vorlegen können."

Das Verfahren gegen Amazon

Konkret geht es bei dem im Mai 2021 eingeleiteten Verfahren gegen Amazon darum, ob der Digitalkonzern eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb hat und wettbewerbsgefährdende Praktiken verfolgt. Als Beispiele für Verhaltensweisen, die nach dem neuen Paragrafen 19a des GWB untersagt werden können, nennt das Bundeskartellamt

  • die Selbstbevorzugung von konzerneigenen Diensten,
  • das "Aufrollen" noch nicht beherrschter Märkte mit nicht leistungswettbewerblichen Mitteln, etwa Kopplungs- bzw. Bündelungsangeboten
  • oder die Errichtung oder Erhöhung von Marktzutrittsschranken durch die Verarbeitung wettbewerbsrelevanter Daten.

Weshalb Amazon eine überragende Marktdominanz zukommen könnte, hat Andreas Mundt im Mai so erläutert: "Charakteristisch dafür ist insbesondere ein sich über verschiedene Märkte erstreckendes Ökosystem – eine schwer angreifbare wirtschaftliche Machtstellung. Mit seinen Online-Marktplätzen und vielen weiteren – insbesondere digitalen – Angeboten kommt dies für Amazon in Betracht. Wenn wir eine derartige Marktposition feststellen, könnten wir etwaige wettbewerbsgefährdende Verhaltensweisen von Amazon früher aufgreifen und untersagen."

Neben den kartellrechtlichen Befugnissen hat das Bundeskartellamt seit 2017 auch die Möglichkeit, Untersuchungen im wirtschaftlichen Verbraucherrecht, vor allem im Bereich der digitalen Wirtschaft, durchzuführen. Seitdem hat das Bundeskartellamt Defizite aufgedeckt bei Nutzerbewertungen im Internet, bei Vergleichsportalen, bei Smart-TVs, Mobilen Apps und Messenger- und Video-Diensten. Um Verstöße auch abstellen zu können, bedürfe es aber erweiterte Befugnisse für das Kartellamt. Mundt begrüßt, dass die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag vereinbart habe, dies zu prüfen.

Weitere Fakten aus dem Jahresrückblick

Kartellverfolgung: Gegen insgesamt elf Unternehmen und acht natürliche Personenwurden 2021 rund 105 Millionen Euro Bußgeld verhängt. Betroffen waren Branchen wie die Edelstahlherstellung und Stahlschmieden sowie vertikale Preisabsprachen bei Musikinstrumenten, Schulranzen und Unterhaltungselektronik.

Fusionskontrolle: Das Bundeskartellamt hat rund 1.000 angemeldete Zusammenschlussvorhaben geprüft. Davon wurden 14 Zusammenschlüsse in der sogenannten zweiten Phase vertieft geprüft. Drei dieser Vorhaben wurden ohne Auflagen freigegeben.

Wettbewerbsregister: 2021 ist das Wettbewerbsregister beim Bundeskartellamt in Betrieb gegangen. Das Wettbewerbsregister stellt den über 30.000 öffentlichen Auftraggebern in Deutschland Informationen darüber zur Verfügung, ob ein Unternehmen wegen begangener Wirtschaftsdelikte von einem öffentlichen Vergabeverfahren auszuschließen ist oder ausgeschlossen werden kann. Das ist ein Punkt, der im Rahmen der Vergabe öffentlicher Schulbuchaufträge potenziell auch Buchhandelsunternehmen betreffen könnte.

Nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer Ebene sind Gesetze in Arbeit, die die Marktmacht von Internetkonzernen begrenzen und den für sie geltenden Pflichtenkatalog verschärfen sollen: der Digital Markets Act und der Digital Services Act. Letzterer soll dazu beitragen, dass für Online-Geschäfte die gleichen Standards gelten wie im analogen Markt. Mit einer Verabschiedung durch die EU-Gremien wird für das erste Halbjahr 2023 gerechnet.